bentheim„ Ich bin eine Berlinerin“ – das Hörbuch welches ich in den Player gelegt habe, überrascht nicht nur mit einem frischen Design sondern auch einer informativen Infotafel im Inneren der Hülle. Amerikanischer, britischer, sowjetischer und französischer Sektor – ja so war das damals.
20 Jahre! Ist das wirklich schon so lange her?

Ich drücke “Play” und Carrie Bradshaw  aus „Sex and the City“ erzählt….

Eigentlich nicht wirklich, denn sprechen tut die überaus sympathische Stimme von Irina von Bentheim, die Carrie lediglich ihre deutsche Stimme gegeben hat.

Erste O – Töne wirken auf mich ein: Wortfetzen aus einer längst vergangenen Zeit. Glückliche, aufgeregte und wirre Fetzen einer Wende, die so bedeutend für uns alle war.

Irina von Bentheim ist stolz Berlinerin zu sein und das hört man in den nächsten Minuten. Sie spricht über ihre Stadt, sehr verliebt, informativ und bildhaft. Eine kleine Stadtführung für die Ohren.
Zuerst ein kleiner Schwenker vom „Grandhotel Esplanade“, rüber zum Brandenburger Tor, zum Reichstag und der „Straße des 17. Juni“.
Bei all ihrer Liebe zu Berlin hat die Journalistin auch kritische Töne übrig, z.B. die über die finstere S – Bahn.

Während ich als Hörer zusammen mit ihr den „Teufelsberg“ erklimme erfreue ich mich am grünen Berlin. Während dessen wird  mir ab und zu ins Ohr berlinert.

Das bringt mich zum Lachen, höre ich es doch hier in Köln viel zu selten. Dafür begegnen mir die erwähnten Schulterpolster noch dann und wann – zu Karneval.

Irina von Bentheim berichtet aus der Sicht einer Westberlinerin, abgenervt von der Geschwindigkeitsbeschränkung auf der AVUS, von den GrePos und den unfreundlichen Sachsen.
Für mich als Brandenburgerin und Randberlinerin ein wichtiger Punkt, denn auch I.v.B war getrennt von einem Deutschland – von Ostdeutschland. Sie möchte nicht politisch sein, aber sie betont, dass es fast schon Zwang war in diesem geteilten Berlin eine politische Meinung zu haben. Es ging ja auch nicht anders – es sei denn Stacheldraht und Wachtürme sind einem egal.

Iris Berben spricht. Berührt vom letzten „Wetten, dass ….?“ Auftritt Frank Elstners. Lang ist es her. Für mich hieß es damals noch „Aufgepasst, dass…..keiner mitbekommt wenn wir West – TV“ schauen.

Kurz danach sehe ich die Skyline des Prince´schen Bühnenbildes vor Augen und ich fühle mich geblendet von den Scheinwerferlichtern die in meinem Kopfkino herumtanzen, während Irina von Bentheim schon von Prince´ dicker Hose erzählt. Steffi Graf ist ebenso begeistert und haucht mir ins Ohr, dass sie eigentlich schon viertel vor zehn gehen wollte.
Tschüss, Steffi!
Und während ich kopftechnisch noch beim Tennis bin schwenken meine Ohren schon zum Boxen über – für Bubi Scholz öffnen sich die Tore der Freiheit nach 1093 Tagen in Haft. Er fühlt sich belästigt. Schon wieder? Nun ja wir wissen ja wie das ausgehen kann….
Daher verbringen wir nun etwas Zeit mit den California Dreamboys und Egon Krenz. Tolle Mischung – aber im Endeffekt mussten zu Wendezeiten auch ostdeutsche Politiker die Hose runter lassen. Also passt das schon.

Was nicht passt: Frau von Bentheim erzählt, dass auf ihrer Seite die „Guten“ wohnten. Uns erzählte man das auch. Also waren wir wohl das was ich immer schon ahnte. Wir waren alle die „Guten“.
Und dann legt die Zeitreise den Turbogang ein: Die Bilder im TV, die Gesichter der glücklichen Menschen, der Familien die sich mit Tränen überströmt in die Arme fallen am Grenzübergang der nun offen war und ist und hoffentlich immer sein wird.

„Ich kenne es nicht anders!“ – dieser Satz sagt viel von dem Gefühl was ich und viele andere Deutsche damals hatten. Egal von welcher Seite man es betrachtet.

Ob vor dem Radio oder IM Radio, so wie Irina von Bentheim damals beim RIAS als ein historischer Moment den nächsten jagte.

100 000 Menschen drängen auf den Ku´damm, ich spitze meiner Ohren um kein Wort dieser Zeitreise – Stadtrundfahrt zu verpassen und habe Gänsehaut.
Und dann lache ich wieder herzlich, weil so eben die ersten DDR – Bürger in die Sexshops strömen um zu schauen „was es da alles gibt“.

 Danach wird es privat. Eine kurze Zusammenfassung über die „von Bentheims“, Charakterzüge, Erinnerungen und Tränen um Ursula von Bentheim.
Die O – Töne die immer wieder eingespielt werden bringen wunderbare Abwechslung auf die Ohren und im Herzen, denn irgendwo ist diese Wende noch ganz tief in mir drin.
Leider manchmal auch bei den Menschen. Sind wir nicht immer noch (manchmal) Ost und West?

Aber bevor ich während des Hörens ins Grübeln gerate zaubert die sympathische Stimme im Player noch einen Höhepunkt aus dem Ärmel: den mitgeschnittenen Bungee – Jump vom 09.11.1990, den Irina von Bentheim als erste Frau Deutschland am Pariser Platz wagte.

Ihre Stimme überschlägt sich, hibbelig steht sie da auf der Plattform und dann springt sie….

„Das ist Wahnsinn…!“, sagt sie. Und ich denke es.
Sehr persönlich, bunt und voller Leben erzählt die Entertainerin von ihrem Berlin der Wende.
Voller Emotionen lässt sie den Hörer teilhaben an ihrer Arbeit beim Radio, ihrem Leben und Erleben in dieser Stadt. Eigentlich ist das Hörbuch kein Hörbuch, sondern eine Liebeserklärung an eine Stadt verpackt in eine Stadtrundfahrt für die Ohren.
Danke dafür an Frau von Bentheim!

 

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