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Genevieve Wheeler – Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben

Genevieve Wheeler - Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben - @Rowohlt

Ich muss gestehen, dieses Buch hat mich an meine Grenzen gebracht. Es hat lange gedauert, bis ein Buch mich so herausgefordert hat – immer mit der Hoffnung auf ein erlösendes Ende im Hinterkopf.

Der Wendepunkt kam für mich bei Seite 160. Wenn du das Buch in den Händen hältst, wirst du verstehen, warum ich es danach nicht mehr loslassen konnte. Aber bis zu diesem Punkt fühlte ich mich eher wie ein stiller Beobachter, der der Hauptfigur, Adelaide, am liebsten zur Seite springen und ihr die Augen öffnen würde. Es ist fast unerträglich, zu sehen, wie eine junge Frau, die so klug und nett ist und dazu mitten im Leben steht, sich selbst so vernachlässigt, nur um für jemand anderen da zu sein – der sie einfach nicht sehen will.

Natürlich ist Adelaides Verhalten zum Teil durch eine traumatische Beziehung in ihrer Jugend geprägt, aber es schmerzt, ihre schrittweise Selbstauflösung zu verfolgen.

Von daher blieb ich letzten Endes auch dran, denn dies muss eine Autorin erst einmal schaffen umzusetzen und das ganze Setting des Romans war zudem noch wunderschön beschrieben. London, die Freundinnen, Emotionen – alles war so stimmig und auch der Erzählstil war so fließend zu lesen, dass ich letzten Endes doch eine Leseempfehlung aussprechen möchte. Aber bitte erwarte erst einmal kein Happyend und lies das Buch bitte nicht, wenn du gerade Liebeskummer hast – Adelaide Geschichte ist so schon so berührend genug.

Wie der Titel ‘Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben‘ bereits erahnen lässt, nimmt uns diese Geschichte mit auf eine emotionale Reise, die vor allem die dunklen Seiten der Liebe beleuchtet. Hauptsächlich aus Adelaides Perspektive erzählt, ist es leicht, sich in diese junge Frau mit einer sprühenden Lebensfreude zu versetzen, die nach und nach an der toxischen Beziehung zu Rory zerbricht. Die Rückblicke in ihre Teenagerjahre geben aufschlussreiche Einblicke in ihre Gefühlswelt, die ihre Beziehung zur Liebe, ihre tiefen Sehnsüchte und ihre Verletzlichkeit besser nachvollziehbar machen.
@Ricarda Ohligschläger

 

 

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Ira Laudin – Der Himmel am nächsten Morgen

Der Himmel am nächsten Morgen - Copyright: Droemer

Ira Laudin, eine in Braunschweig geborene und in Wuppertal aufgewachsene Autorin, entführt uns in “Der Himmel am nächsten Morgen” auf eine bemerkenswerte Reise durch die Zeit. Mit ihrer vielfältigen Berufserfahrung, von der Musikverlagsbranche bis hin zu einem Atelier für historische Mode, hat Ira eine einzigartige Perspektive, die in ihren Werken deutlich wird. Heute widmet sie sich dem Schreiben und lebt idyllisch in Lennep, umgeben von ihrer Familie und den geliebten Familienkatzen.

Die Erzählung spielt auf zwei Zeitebenen und öffnet sich gleich mit einem emotionalen Paukenschlag. Lissie, die Hauptfigur, wird zuerst als kleines Mädchen in der unmittelbaren Nachkriegszeit vorgestellt. Es ist eine harte Zeit und die Kleine muss direkt mit großen Verlusten klar kommen.

Ira Laudin hat dies sehr anschaulich beschrieben: Sie holt die ferne Vergangenheit wieder ins Jetzt, und das ohne Umschweife. Ich fühlte mich direkt in ihre Welt versetzt. Diese zeichnet sie voller Entbehrungen, aber auch voller Menschlichkeit und Wärme. Sie schreibt von Armut, Freundschaft und Mut. Sie schafft es damit, eine Atmosphäre zu kreieren, die einen gleichzeitig schaudern und schwelgen lässt.

Der zweite Erzählstrang holt uns in die 80er Jahre. Mit einem Augenzwinkern lässt Ira eine farbenprächtige, aufregende Zeit sehr bildhaft wieder aufleben. Wer Wuppertal nicht kennt, für den zeichnet sie ein lebendiges, detailreiches Bild der Stadt, das so pointiert ist, dass man glaubt, man hätte selbst dort gelebt.

Lissies Geschichte ist universell und doch einzigartig, und Ira Laudin erzählt sie auf eine Weise, die sowohl fesselnd als auch erhellend ist. Mit ihrer klaren, aber emotional reichen Sprache war es ein wahrhaftiges Vergnügen, Lissie auf ihrem Weg zurück zum Glück zu begleiten. Besonders gefallen hat mir die Zerrissenheit und die Angst neue Gefühle zuzulassen. 

Insgesamt fand ich die Geschichte wunderbar unterhaltsam, spannend und wie “aus dem Leben gegriffen”!
@Ricarda Ohligschläger

 

 

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Katharina Herzog – Wie Träume im Sommerwind

Katharina-herzog

Von der Ostsee nach Südengland – eine große Liebe und ein Geheimnis, das zwischen zwei Schwestern steht.

Es ist ein bezaubernder Ort – der Rosenhof auf Usedom, der sich seit Generationen im Besitz der Familie Jung befindet. Anders als ihre Schwester hat es Emilia auf der Ostseeinsel nach der Schule aber nicht mehr ausgehalten, und sie ist nach Paris gegangen.
Doch dann hat Clara einen schweren Autounfall und bittet ausgerechnet sie, sich um ihre beiden Kinder zu kümmern. Emilia ist mit dieser Aufgabe vollkommen überfordert. Außerdem steht die Rosengärtnerei kurz vor der Insolvenz. Als sie herausfindet, dass ihre Schwester nach Kent reisen wollte, um dort nach Wegen zu suchen, den Familienbetrieb zu retten, fliegt sie zusammen mit Claras bestem Freund Josh und ihrer rebellischen 13jährigen Nichte Lizzy ins Land der Rosen. Ihre Reise führt die drei vom berühmten Sissinghurst Garden über die Domstadt Canterbury bis zu dem kleinen Küstendorf St. Margaret´s at Cliffe.
Emilia stößt dabei nicht nur auf eine verschollen geglaubte Rose, sondern auch auf die Geschichte einer großen, verbotenen Liebe. Und auch lange vergessene Gefühle für Josh erwachten erneut …
(Quelle: amazon)

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Ich möchte euch heute gerne diesen wundervollen Roman der Autorin Katharina Herzog empfehlen, der mich vor ein paar Tagen total verzaubert hat. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass dies mein erster Roman der Autorin ist. Dabei schreibt sie sooo schön, dass man direkt mir ihren Zeilen davonfliegen möchte. Mich hat die Geschichte rund um Emilia und Clara vo Beginn an total gefesselt und begeistert.

Der Titel lässt ein bisschen Kitsch vermuten, aber es ist eine wunderschöne Geschichte rund um schmerzhafteste Verluste, Rückschläge und unerfüllte Sehnsüchte. Dabei habe ich mich wunderbar in die Protagonisten einfüllen können und ich mochte diese kleinen Rückblicke, die manche Situationen noch greifbarer machten.

Es geht in „Wie Träume im Sommerwind” um die Frage, was Glück ist, um den Zusammenhalt in der Familie, Freundschaft, die Liebe und vor allen Dingen um Zuversicht.

Am meisten beeindruckt hat mich jedoch, dass Katharina Herzog mich total für Rosen begeistern konnte und ich das Gefühl hatte sofort in den Garten gehen zu wollen, um dort Rosen zu pflanzen. Sie findet einfach viele schöne Bilder, die sie ihren Leser:innen mitgibt.

Für mich ist „Wie Träume im Sommerwind” eines der Highlights in diesem Frühjahr und es hat mir eine ganz neue Autorin offenbart, von der ich zukünftig noch mehr lesen werde!
©Ricarda Ohligschläger

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Ines Thorn – Die Buchhändlerin

Ines Thorn - Die Buchhändlerin

Die Geschichte einer starken Frau, Liebe und Literatur in den 1940er Jahren.
Frankfurt, kurz nach dem 2. Weltkrieg: Christa bricht enttäuscht ihr Germanistikstudium ab, weil sie als Frau an der Universität nicht für voll genommen wird. Zunächst aus Verlegenheit fängt sie an, in der Buchhandlung ihres Onkels auszuhelfen, die dieser nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten nun wieder aufbaut. Bald schon wird das Bücherverkaufen für Christa zur Passion – und die Buchhandlung zu einem Ort, an dem sich Gleichgesinnte treffen, an dem Freundschaften entstehen und sogar Liebe. Doch noch sind die Wunden der Kriegszeit nicht verheilt, und Christa muss all ihre Klugheit und Tatkraft einsetzen, um die Buchhandlung und ihr eigenes Glück zu bewahren….(Kurzbeschreibung laut Amazon)

Ines Thorn - Die Buchhändlerin

Ines Thorn – Die Buchhändlerin

Ines Thorn wurde 1964 in Leipzig geboren. Nach einer Lehre als Buchhändlerin studierte sie Germanistik, Slawistik und Kulturphilosophie. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und schreibt seit langem erfolgreich historische Romane. (Quelle: Rowohlt.de)

Ines Thorn hat mich bisher mit historischen Romanen verzaubert. Schon da begeisterte sie mich mit facettenreichen Figuren und glaubwürdigen Szenerien.

Dieser Roman spielt kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und erzählt die Geschichte von Christa, die nichts mehr möchte als ihre eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen. Germanistik studieren – das ist ihr Traum, doch schnell wird dieser zu einem Desaster, denn Frauen sind kurz nach dem Krieg an der Universität weder gerne gesehen noch akzeptabel. Und so wird aus dem großen Plan zu studieren schnell eine Katastrophe, denn die Professoren übergehen Frauen nicht nur, sondern missachten sie regelrecht.

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Doch Christa lässt sich nicht unterkriegen und kämpft weiterhin für ihren Traum. Jedoch hält das Schicksal noch einige Überraschungen für sie bereit. So muss sie sich bald zwischen eigenen Wünschen und einer sicheren Zukunft für Heinz, dem Findelkind entscheiden. Glücklicherweise stehen ihr Freunde mit Rat und Tat zur Seite und Christa spürt bald, dass manchmal Dinge zwar anders laufen als erhofft, aber dafür nicht schlecht sein müssen!

Christa ist eine unfassbar starke Persönlichkeit und Ines Thorn hat in “Die Buchhändlerin“ viele gesellschaftliche Konflikte der damaligen Zeit einfließen lassen. Nicht nur, dass es Frauen kurz nach dem Krieg noch schwer gemacht wurde zu studieren, sondern auch Homosexualität und ungewollte Schwangerschaften sind ein Thema. Wie froh können wir doch sein im Heute und Jetzt zu leben!

Das gesellschaftliche Bild zeichnet Thorn besonders gut in den Figuren der Frau Klein, die sich offenbar als Gutmensch betrachtet, jedoch zu NS-zeiten kein gutes Haar an ihren Nachbarn ließ. Und auch Christas Mutter Helene ist ein Abbild der damaligen Zeit: Ihre Regeln sehen vor, dass die Tochter auf die Bräuteschule geht und sonst nichts! Mich hat das sehr fasziniert und ich konnte mich intensiv in die Gedankenwelt Christas Mutter einfühlen. zwar engstirnig aber für die Nachkriegszeit sehr, sehr glaubwürdig dargestellt.

In allem hat mir das Buch so gut gefallen, dass ich es direkt in einem durch gelesen habe. Ines Thorn überzeugt durch bezaubernde, vielfältige Figuren, eine spannende, mitreißende Geschichte mit einigen Überraschungen und einem glaubwürdigen Bild der damaligen Zeit.
©Ricarda Ohligschläger

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Delia Owens – Der Gesang der Flusskrebse - Werbung -

Der Gesang der Flusskrebse

„Der Gesang der Flusskrebse“

Der Gesang der Flusskrebse

Der Gesang der Flusskrebse ©Hanserblau

„Ein schmerzlich schönes Debüt, das eine Kriminalgeschichte mit der Erzählung eines Erwachsenwerdens verbindet und die Natur feiert.” The New York Times

Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können. (Kurzbeschreibung laut Amazon)

Ich habe mittlerweile viele Rezensionen zu dem „Roman von Delia Owens“ gelesen und weiß so gar nicht ob noch eine mehr gebraucht wird. Aber ich möchte gerne versuchen meinen Eindruck zu diesem Buch niederzuschreiben.

Kya Clark ist das Marschmädchen, ein schüchternes kleines Ding welches in jungen Jahren schon viel Leid erfahren muss.
Ihr Vater ist ein gewalttätiger Trinker, der seine Frau dazu treibt ihn und die Kinder zu verlassen. Statt sich aber seiner Tochter anzunehmen, lässt er sie nächtelang allein, während er das letzte wenige Geld versäuft. Wenn er dann nach etlichen Tagen heimkehrt, brüllt er rum und fordert mit der Whiskeyflasche in der Hand von dem kleinen Kind die Versorgung des Haushaltes.

Halt, Geborgenheit und Nestwärme findet das Mädchen nur in der Marsch mit ihren weiten Wasserarmen, der üppigen Natur und den Gezeiten. Als der Vater gar nicht mehr nach Hause kehrt, wird die Marsch ihr bester Freund. Die 10 jährige freundet sich mit Muscheln, Vögeln und Jumpin an – der ihr schon lange nicht mehr abnimmt, dass ihr Vater sie schickt um Einkäufe zu erledigen.

Denn die Wahrheit ist, dass das Mädchen sich seinen Lebensunterhalt selbst finanziert. Schon bei Mondlicht geht sie in die Marsch und sammelt dort Muscheln, die sie an Jumpin verkauft, meistens vor den anderen Muschelhändlern.
So kommt sie zurecht – isoliert, ohne eine menschliche Seele.
Als sie versuchsweise in die Schule geht, stößt sie auf Ablehnung. Fortan meidet sie die Einrichtung und schafft es erfolgreich der Schulbehörde über Jahre zu entkommen.
In der Stadt stößt sie bei ihren Besuchen weiterhin auf Ablehnung – Jumpin bleibt lange Zeit ihr einziger Freund!

„Es mochte ein hartes Land sein, aber es war keineswegs karg. Vielschichtiges Leben – wuselige Strandkrabben, schlammstakende Sumpfkrebse, Wasservögel, Fische, Garnelen, Austern, fette Hirsche und dicke Gänse – tummelten sich an Land oder im Wasser.“ Zitat Seite 17

Dann tritt Tate in ihr Leben – ein Jugendfreund ihres Bruders, der ihr Lesen und Schreiben beibringt und zum ersten Mal im Leben erlebt Kya was es heißt jemanden zu lieben. Sie entwickelt ein unfassbares talent zu Zeichnen und wird Künstlerin. Doch die Liebe zu Tate zerbricht. Kya zieht sich mehr als vorher in sich zurück.
Bis Chase Andrews in ihr Leben tritt.

Der Todesfall Chase Andrews bringt nach und nach mehr Einblicke in Kyas Leben mit sich und zeigt eine sensible, junge Frau, die verletzlich und gleichzeitig unfassbar stark ist. Als sie vor Gericht gestellt wird, kann man nicht anders als Seite um Seite zu verschlingen.

Selbstverständlich kann ich verstehen, dass vieles in diesem Roman unglaubwürdig erscheint. Ein kleines Mädchen, welches sich nahezu abwesend von jedweder Zivilisation alleine durchschlägt, jahrelang der Schule entkommt und zum Glück auch kein einziges Mal einen Arzt benötigt – es erscheint durchaus unglaubwürdig. Und doch erzählt Delia Owens Kyas Geschichte in „Der Gesang der Flusskrebse“ mit einer solchen Wucht, dass man ihr jede Zeile bedenkenlos abkauft.
Die Beschreibungen der Natur, der Landschaft und gesamten Atmosphäre lassen gar keinen Zweifel daran, dass es Kya nicht gibt. Einmal in dieser Szenerie gefangen, kommt man nicht so schnell wieder davon los!
Prachtvoll, einzigartig und mit viel Gefühl erzählt Owen eine Geschichte von Leid, Liebe und Schmerz, die doch letzten Endes von Hoffnung überwogen wird. Hoffnung auf ein besseres Leben – egal wie schlecht die Weichen dafür standen.
Und DAS macht dieses Buch aus. Ein Meisterwerk. Einfach nur grandios!
©Ricarda Ohligschläger