Hinter der Fassade seines intakten Familien- und Berufslebens ist der 45-jährige Psychotherapeut Thomas Bachmann ein einsamer Mann. Die Ehe mit Veronika ist schal, seine Kinder gehen bereits eigene Wege, sein bester Freund stirbt. Erst die Begegnung mit der geheimnisvollen Florentine weckt verblasste Sehnsüchte und holt ihn zurück ins Leben. Gemeinsam erleben sie einen Sommer, der ihnen eine große Liebe, aber auch deren Zerbrechlichkeit offenbart. Schließlich ist es Veronika, die eine Entscheidung trifft, mit der sie alle und vielleicht sogar sich selbst am meisten überrascht. (Kurzbeschreibung laut DTV)
Diese außergewöhnliche Liebesgeschichte beginnt mit einem ganz alltäglichen Morgen des Familienvaters Thomas Bachmann und schnell wird klar, dass hinter der so intakt scheinenden Familienfassade – bis auf wenige Ausnahmen – Frustration, Einsamkeit und sogar Gleichgültigkeit herrscht. Thomas wünscht sich die Zeiten zurück, in denen Veronika nicht jede Art von Genuss von sich wies. An manchen Tagen wünscht er sich sogar, dass sie wieder rauchen würde, weil sie dann so lasziv schaute und er diesen Gesichtsausdruck sehnsüchtig vermisst.
Die Ehe zwischen Thomas und Veronika verläuft nach all den Jahren distanziert, kühl und der Sex mit seiner Ehefrau irritiert Thomas eher statt ihm Erfüllung zu bringen, denn nicht selten fühlt er sich benutzt und nur zu dem Zwecke da sie zu befriedigen. Ansonsten setzt Veronika tagsüber ihre Ich-bin-sehr-beschäftigt-Maske auf.
Florentine dagegen bringt Thomas Wärme entgegen. Es ist nicht nur, dass er sie schon bei der ersten Begegnung in einem Baumarkt faszinierend schön, sinnlich und begehrenswert findet, sondern in ihr sieht er all die verborgenen Sehnsüchte die er schon viel zu lange in sich vergraben hat. Natürlich drehen sich seine Fantasien fortan überwiegend um Sex mit Florentine, aber er ist eben nur ein Mann wie er sich selbst eingesteht.
Sommer in Sepia“ besticht in erster Linie dadurch, dass die drei Hauptfiguren jede aus ihrer Perspektive die Ereignisse des Sommers beschreiben. Und schon hier zeigt Marie Velden ein feinsinniges Gespür für Emotionen des jeweils anderen Geschlechts.
Florentines große Liebe Ben starb beim Tsunami im indischen Ozean. So lebensfroh und in sich ruhend sie manchmal erscheint, so zerrissen und voller Schuldgefühle ist sie in anderen Momenten. Was sie so interessant macht ist ihre Ausstrahlung, die nicht nur auf Thomas sondern auch auf die Menschen in ihrer Umgebung anziehend wirkt.
Im Roman hilft der Zufall den beiden auf die Sprünge – eine Ausstellung, ein Regenguss und eine nächtliche Fahrt in Thomas Auto. Hinter den Zeilen jedoch sind die Verknüpfungen des Freundeskreises so glaubhaft und realistisch gesetzt, dass man schon von Präzision und Detailliebe sprechen muss. Velden schafft nicht nur zwischenmenschlich Atmosphäre, sondern im gesamten Lebensraum ihrer drei Protagonisten.
Die Wandlung von Veronika geht erst schleichend und dann plötzlich mit einem großen Knall vonstatten. Sie ist es, die mich am Ende mit klopfendem Herzen und tief beeindruckt zurück gelassen hat. Ihre Art Thomas ihre Liebe zu beweisen beeindruckt und lässt gleichzeitig viele Fragen auftauchen. Wie würde man selbst handeln? Ist ihre Entscheidung eine Entscheidung aus Liebe oder ist es doch eher die Erleichterung eine neue Chance ergreifen zu können?
Letzten Endes ist es ein Roman der mit einem positiven Ausklang für alle Beteiligten versöhnt – trotz Ehebruch.
Sommer in Sepia“ beschreibt den Verlust einer Liebe. Die Geschichte an sich ist nicht neu. Velden jedoch macht aus ihrer Geschichte etwas ganz besonderes. Man stelle sich den Roman nämlich als Gemälde vor, in dem sie jedes einzelne Wort als Farbpunkt ganz genau und überlegt setzt. Mal kraftvoll oder gar verbittert, dann wieder sanft und zärtlich – ihre Worte finden immer den richtigen Ton.
(Ich habe den Vergleich absichtlich gewählt, da es ein Bild ist welches im Roman eine wichtige Rolle spielen wird.)
Grandios reicht gar nicht aus, um diesen Roman zu beschreiben. Vielmehr ist es ein bewegender Roman für alle die sich gerne von großen Emotionen fesseln lassen und sprachlich hohes Niveau bevorzugen.
© Ricarda Ohligschläger
 

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