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Lena Falkenhagen

Rezensionen/ Rezensionen Historische Romane

Heike Koschyk und Alf Leue (Hrsg.) – Die vierte Zeugin

Wenn sich zwölf namhafte Autoren zusammentun, um einen historischen Roman zu schreiben, könnte das unter Umständen ein großes Chaos geben. Wenn diese zwölf Autoren ihren Schreibstil aber so gekonnt ineinanderfließen lassen wie in “Die vierte Zeugin“, dann wird es zu einem herausragenden Lesevergnügen.
In Köln wird 1534 die Tuchhändlerwitwe Agnes Imhoff angeklagt, den reichen Londoner Geschäftsmann Richard Charmann gemeinsam mit ihrem Ehemann Andreas betrogen zu haben.
Da ihr Ehemann aber unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, muss sie sich nun ganz allein dem Richter stellen. Die Beweislage ist erdrückend und Agnes Imhoff fürchtet um ihre Existenz.
Im Laufe des Prozesses fällt plötzlich ein ganz neues Licht auf ihren Ehemann, der ihr nichts als Schulden hinterlassen hat. So soll er Agnes bei geschäftlichen Angelegenheiten zur Unterschrift gezwungen und auch sonst nicht mit Schlägen und Drohungen halt gespart haben. Sogar als Trunkenbold war er in gewissen Kreisen bekannt.
Doch ist Agnes Imhoff wirklich unschuldig? Oder ist die bildschöne Frau, die nicht wenigen Männern den Kopf verdreht hat, ein gerissenes Weibsbild welches hinter ihrer makellosen Fassade eine Mörderin verbirgt? Und welche Rolle spielt Richard Charmann in diesem sich zum politischen Intrigenstück entwickelnden Prozess?
Bereits der Prolog hat mich durch seine faszinierende Weise in den Bann gezogen und ich fühlte mich binnen weniger Augenblicke mitten im Geschehen. Im Stile eines Kölner Stadtschreibers werden die wichtigsten Figuren kurz vorgestellt, um sie später in den einzelnen Kapiteln genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Fokus des Romans steht die Frage, ob man die Ehefrau für die Schulden ihres verstorbenen Mannes haftbar machen kann, wenn laut römischen Rechts ihre Unterschrift auf Geschäftspapieren keine Gültigkeit hat. Das wiederum gibt dem Leser einen interessanten Einblick in das Rechtssystem des 16. Jahrhundert.
An Agnes Imhoff sollte ein Präzedenzfall statuiert werden, der seine Kreise bis in die Königshäuser zog. Grundlage ist ein historisches Dokument, welches beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs schwer beschädigt wurde. Jeder der zwölf Autoren übernahm zwei Kapitel und hatte so die Möglichkeit dem Leser verschiedene Sichtweisen zu präsentieren.
Hätte man mir diesen Roman als “Einzeltäterwerk” vorgelegt, ich hätte ihn auch so angenommen, denn an keiner Stelle spürt man einen Riss oder eine Veränderung des Schreibstils. Nahtlos gehen die Kapitel in sich über und zeugen so vom Können der beteiligten Autoren.
Autoren wie Martina André, Heike Koschyk, Lena Falkenhagen und Peter Prange haben sich auf ein literarisches Experiment eingelassen und es mit Glamour gemeistert!
© Ricarda Ohligschläger
Weitere Gemeinschaftswerke aus dem Autorenkreis “Quo Vadis”
Die sieben Häupter
Der Zwölfte Tag
Die fünfte Nacht
Das dritte Schwert
 

Interviews mit Autoren

Interview mit Lena Falkenhagen

Frau Falkenhagen, ich freu mich sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen den Lesern des Blogs ein paar Fragen zu beantworten.
Ich freue mich über Ihr Interesse!
Sie schreiben ja historische Romane. Können Sie sich vorstellen auch ein Buch in einem ganz anderen Genre zu schreiben, z.B. etwas, das gegenwärtig spielt?
Ja, absolut. Ich mag die Phantastik nach wie vor; auch die urbane Phantastik, in der Magie in unsere Welt Einzug hält. Andere Genres bringen eigene Konventionen mit sich, und ich denke mich gerne in neue Systeme hinein.
In „Die Lichtermagd“ haben Sie sich einem grausamen Thema Nürnbergs gewidmet: des Pogroms im Jahre 1349. Ich war beim Lesen teilweise sogar angeekelt von der Grausamkeit der Christen gegenüber den Juden. Lag Ihnen dieses Thema besonders am Herzen, damit es nicht in Vergessenheit gerät?
In gewisser Weise schon. Ich habe in der Schule viel zum Dritten Reich und dem Verhältnis zwischen Nationalsozialisten und Juden gelernt. Die Geschichte der deutschen Juden vorher war im Geschichtsunterricht nie Thema. Das fand ich schade, denn erst durch diesen Mosaikstein bildet sich das ganze Bild unserer gemeinsamen deutschen Vergangenheit.
Wodurch wurde ihre Vorliebe für historische Themen entfacht?
Ich bin in Celle aufgewachsen, einer der schönsten historischen Fachwerkstädte Norddeutschlands. Da kommt man an Geschichte nicht vorbei. Ich mochte aber auch Kostümfilme schon immer. Ich habe vorher Phantastik geschrieben, und der historische Roman ist diesem Genre vom Gefühl her recht ähnlich. Da lag der Schritt nahe.
Lesen Sie auch selbst gerne und falls ja welche Büchergenres bevorzugen Sie?
Ich lese sehr gerne. Nicht mehr so viel und so oft wie früher, aber so oft ich kann. Ich lese momentan gerne Phantastisches, Urban Fantasy sowie natürlich Historisches.
Und was lesen Sie aktuell?
Im Augenblick liegt bei mir City of Bones von Cassandra Clare auf dem Schreibtisch. Gibt es ein “schreibendes” Vorbild, also einen anderen Autor oder Autorin? Eher einen Drehbuchschreiber/Regisseur. Ich bewundere Joss Whedon sehr (Buffy the Vampire Slayer, Firefly, Dollhouse). Er schafft es immer wieder mit Bescheidenheit, Engagement und viel Witz Dinge zu produzieren, die mich berühren, zum Lachen und zum Weinen bringen. Manchmal alles drei gleichzeitig.
Sie wurden in Celle geboren und leben derzeit in Hannover. Haben diese beiden Städte ihr Leben geprägt?
Celle im historischen Bereich schon, und auch Hannover hat ja eine bewegte Geschichte zu bieten. Die ist eher im 18. Jahrhundert angesiedelt, was nicht mehr so ganz meine Zeit ist. Aber die Beziehungen zwischen dem Fürstenhaus Hannover und dem englischen Thron machen mich immer noch neugierig, mehr darüber zu lernen.
Welche Städte mit historischem Hintergrund mögen Sie am liebsten?
Ich begeistere mich schnell für alles mit einer spannenden Geschichte. Ich habe mich bei der Recherche für das “Mädchen und der Schwarze Tod” in Lübeck verliebt. Aber beim Schreiben der “Lichtermagd” habe ich Nürnberg schätzen gelernt, beim Schreiben der “Schicksalsleserin” Wien. Das spannende an Geschichte finde ich eben, dass sich mit jedem Baustein das eigene Verständnis vertieft. Man erkennt Muster wieder, lernt Unterschiede herausarbeiten.
Reisen Sie auch gerne zu historischen Schauplätzen und lassen sich dort inspirieren?
Ja, das macht sehr viel Spaß. Ich möchte auch ungern einen Ort so intensiv in ein Buch einbinden wie Lübeck, Wien oder Nürnberg, ohne wirklich dort gewesen zu sein. Bei Lübeck und Nürnberg hat das gut geklappt, Wien geizt leider mit Baudenkmälern aus dem Mittelalter. Aber auch da war es gut, die Straßen selbst zu beschreiten. Und natürlich gehe ich an Wochenenden gerne auf Städteurlaub und halte die Augen nach neuen Geschichten offen.
Wie sieht ihre Recherchearbeit aus. Ist es eine willkommene Abwechslung oder eher unumgängliche Pflicht?
Die Recherche selbst bereitet mir sehr viel Freude. Ich lerne gerne dazu, besonders, wenn es über die eigene Geschichte ist. Der Pflichtteil liegt eher in der sinnvollen Ablage dieses Wissens, damit ich es über mehrere Monate abrufbar habe.
Hat es Sie sehr viel Mühe gekostet ihren ersten Roman zu veröffentlichen oder gab es auf Anhieb einen Verlag, der das Buch haben wollte?
Es gab auf Anhieb zwei Verlage, die das Buch gerne veröffentlichen wollten – und bei denen ich das Buch auch gerne gesehen hätte. Heyne hat schließlich den Zuschlag bekommen.
Haben Sie Tipps für angehende Autoren?Durchhalten. Zuhören. Sich selbst treu bleiben. Durchhalten. Durchhalten. Durchhalten.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg für ihre Arbeit!
Ich bedanke mich ganz herzlich und wünsche in dieser weihnachtlichen Zeit ein frohes Fest.
Das signierte Buch geht an Iris G. Herzlichen Glückwunsch © Ricarda Ohligschläger

Rezensionen

Lena Falkenhagen – Die Lichtermagd

Nürnberg im Jahre 1349: Die nach der heiligen Luzia benannte Christin Luzinde, lebt in einem Beginenkloster. Niemand ahnt, dass sie ein uneheliches Kind hat, welches ihr direkt nach der Geburt von Nonnen genommen wurde. Ihr Geheimnis lüftet sich, als die Margaret, die Witwe des mittlerweile verstorbenen Kindesvaters Konrad, ebenso im Kloster einzieht.
Luzinde glaubte einst, dass Konrad ihr die Hand zur Ehe reichen würde, doch er war schon lange an Margaret versprochen.
Luzinde muss das Kloster nun verlassen und verliert somit nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern sie muss auch Anna und Thomas, mit denen sie eine tiefe Freundschaft verband, verlassen. Ihr Weg führt sie nach Nürnberg, wo sie eine Anstellung sucht und durch Umwege in das Haus des alten Juden Gottschalk gelangt. Die Gebräuche der Familie machen Luzinde anfangs große Angst, doch nach und nach beginnt sie Gottschalk zu vertrauen….
Doch bald wendet sich das Blatt und das Schicksal hunderter Nürnberger Juden liegt in Luzindes Hand.
Lena Falkenhagen hat sich in ihrem Roman einem besonders grausamen Teil der Nürnberger Geschichte gewidmet: des Pogroms im Jahre 1349.
Während Falkenhagen Luzinde und Wenzel als fiktive Charaktere in die Handlung eingefügt hat, entsprechen die Stromers, Gottschalk von dem Steyne und viele andere Figuren historischen Persönlichkeiten.
Luzinde lernt schnell die Unterschiede zwischen Christen und Juden, und auch als Leser wird bemerkt man diese schnell, denn die Autorin lässt den jiddische Dialekt in den Dialogen mit einfließen.
Die Juden wurden in Nürnberg nur geduldet und das spiegelt sich in vielen Szenen dieses Buches wieder. So begegnet Luzinde, gekleidet als Jüdin, die Boshaftigkeit eines Wirtes, der die Bewirtung der jüdischen Gäste nicht in seinem Gasthaus vornehmen möchte.
Doch die Grausamkeiten steigern sich, als der Rat der Stadt beim König, den Bau eines neuen Marktplatzes durchsetzt.
Dieser soll nämlich inmitten der Stadt erschaffen werden, dort wo das Judenviertel steht und dafür schrecken Stromer und sein Gefolge vor nichts zurück. Verfolgung, Plünderung und Mord – die blutigen Szenen erschütterten mich zutiefst und ich war angeekelt von der Grausamkeit und der Kaltherzigkeit derer, die sich zwar Ritter nannten aber eher wie rohes Pack handelten. Und habe ich mir bei anderen historischen Romanen sagen können, dass dies ja nur Fiktion ist, so schildert die Autorin hier ein wahres Verbrechen.
Die gründliche Recherche und auch das historische Nachwort runden die Handlung ab. Allerdings kann man in diesem Falle nicht von einem Lesevergnügen versprechen, da viele Szenen sehr grausam sind. Doch darauf zu verzichten wäre gleichzusetzen mit einem Augenschließen vor der Realität.
Wer also ein handlungsreiches, fesselndes und wahres Stück Geschichte erleben möchte, dem ist dieses Buch nur ans Herz zu legen.