Vor kurzem fand in meinem Leserunden – Forum eine Leserunde zum aktuellen Buch “Apfeldiebe” von Michael Tietz statt. Der Autor hat die Leserunde aktiv begleitet, was uns allen sehr viel Spaß bereitet hat. Außerdem entstanden tolle Diskussionen und viele interessante Beiträge.
Abschließend hatten die Teilnehmer noch einmal die Möglichkeit Michael Tietz Fragen zu stellen, woraus dieses Interview entstand.
Hallo Michael, welches Deiner beiden Bücher ist Dein persönlicher Liebling – “Rattentanz” oder “Apfeldiebe”?
Bevor es ans „Eingemachte“ geht, möchte ich mich höchstoffiziell bei Dir, Rici, für Leserunde und Interview bedanken. Du hast diese ermöglicht, eine Handvoll zumeist wildfremde Menschen zusammen gebracht und lässt mich für meinen Teil reicher wieder gehen. Das ist toll.
Und jetzt zur ersten Frage: Keines von beiden Büchern ist mein „persönlicher Liebling“. Mein persönlicher Liebling ist das Buch, an dem ich gerade schreibe. Und so wird es hoffentlich immer bleiben. Aber selbst wenn ich versuche objektiv zu sein, einen großen Schritt zurück trete und mir diese beiden Bücher anschaue – ich könnte keines dem anderen vorziehen. Womit ich mal wieder beim Vergleich eines Vaters und seiner Kinder bin: Sollte nicht ein Nachkomme völlig „missraten“ sein und sich dementsprechend benehmen, wird ein Vater wohl kaum eines seiner Kinder als persönlichen Liebling bezeichnen und so geht es mir auch mit meinen Büchern. Manches würde ich heute in der „Erziehung“ vielleicht anders machen, manches macht mich an meinen „Kindern“ stolz, manches sehe ich an ihnen nicht so gern … und trotzdem liebe ich sie beide. Sehr.
Was war für dich die größere Herausforderung, war es die große globale Katastrophe im Rattentanz oder das kleinere Unglück in Apfeldiebe. Für die zu beschreibenden Charaktere ist die Extremsituation mit der sie umgehen müssen ja ähnlich, aber die Gesamtauswirkungen sind ja anders. Was ist dir da leichter gefallen?
Von der Schreibsituation gesehen, sind mir die Apfeldiebe deutlich schwerer gefallen, aber das lag zu 100 Prozent an der Bürde des erfolgreichen Erstlings. Aber auch vom Aufbau zeigte sich dieses zweite Buch als größere Herausforderung, da es – glaube ich – schwieriger ist eine Geschichte mit einer sehr begrenzten Zahl an Protagonisten in noch dazu einem winzigen Handlungsort zu schreiben als mit Dutzenden Personen auf der ganzen Welt zu spielen. Aber dies ist eine rückblickende Einschätzung, denn als ich einmal in der Geschichte drin war, war es für mich einfach nur noch spannend und hat wieder unglaublich Spaß gemacht.
Welches Cover von Rattentanz gefällt dir persönlich eigentlich besser? Das Hardcover aus dem Bookspot Verlag, die Taschenbuchausgabe von Ullstein oder die Ausgabe von Weltbild? Hast du bei einer Variante eigene Ideen einbringen können?
Nein, da habe ich mich ganz auf die Agenturen verlassen. Die Hardcover-Ausgabe war damals nicht gerade mein persönlicher Favorit, trotzdem liebe ich es (inzwischen). Die beiden Ullstein-Varianten sind knalliger, klarer, aber in meinen Augen auch nicht perfekt. Perfekt ist für mich das Apfeldiebe-Cover. Warum? Hier findet sich ein detailliertes, fast schon liebevoll gearbeitetes, vielleicht auch etwas verspieltes Motiv und kontrastiert herrlich mit einer klaren, edlen Schrift.
Ich würde gerne wissen, ob Du nach Deinem Buch “Rattentanz” noch am Computer schreibst, weil es ja auch einige gibt, die Skripte teils auch handgeschrieben verfassen?! Und mich interessiert Dein nächstes Projekt, darfst Du schon etwas davon verraten, um was es geht?
Zur ersten Frage: Ich schreibe, abgesehen von schnellen Notizen in Badewanne, Bett oder Küche, ausschließlich am PC. Erstens muss es ja doch irgendwann da hinein, zweitens bin ich, auch wenn ich nur mit vier, fünf Fingern (verteilt auf beide Hände) schreibe, so schneller. Und für Änderungen, Korrekturen und Löschungen ist es so am bequemsten.
Eine Antwort auf die zweite Frage dürfte bei mir wohl immer für den Frager unbefriedigend ausfallen. Tut mir ja ein klitzekleinwenig leid, doch ich bin mir selbst erst sicher was ich schreibe wenn das Wort ENDE darunter steht. Und selbst dann gibt es durchaus (siehe „Apfeldiebe“) noch gravierende Änderungen. Aber es wird wieder spannend. Und voller Abgründe. Und es betrifft diesmal wieder deutlich mehr Menschen als in „Apfeldiebe“.
Würdest Du Deinen Job aufgeben, wenn Du vom Schreiben leben könntest?
Diese Frage habe ich mir selbst auch schon oft gestellt. Sollte ich eines Tages einmal vom Schreiben leben können, hieße dies ja, dass ich sehr erfolgreich wäre. Und wer möchte sich schon von einem erfolgreichen Autor im Krankenhaus versorgen lassen? Ich glaube ein durchschlagender Erfolg würde somit meinen jetzigen Broterwerb automatisch ad acta legen, dafür arbeite ich zu sehr im „Publikumsverkehr“. Aber ich mache meinen Job sehr gern auch wenn die Entwicklung unseres Gesundheitssystems immer mehr zu Unwohlsein Anlass gibt. Aber das ist ein anderes Thema. Sehr, sehr fehlen würden mir aber die sogenannten „sozialen Kontakte“: meine Kollegen, Patienten, die täglichen Fahrten durch die Wutachschlucht …
Liebe Frager: Ganz herzlichen Dank für eure Neugier! Fragen haben neben dem eigentlichen Zweck eine befriedigende Antwort zu erhalten, für mich als Gefragten den unschätzbaren Wert, dass ich mir Gedanken über zum Teil ganz neue Aspekte machen muss, und dieser Umstand ist toll. Dieses Interview, aber auch unsere gemeinsame Leserunde bei Rici, haben mir viele neue An- und Einsichten gebracht und ich gehe reicher raus als rein! Kurz und gut: Danke! Und ich verspreche euch, ich beeile mich mit meinem aktuellen Skript, auf das wir bald an dieser Stelle alle wieder zusammenkommen.
Euer Michael
Lieber Michael, vielen Dank für dein Engagement während der Leserunde. Du bist ein großartiger Autor und ein noch sympathischerer Mensch. Es macht mir viel Freude zu sehen, wie du in den Diskussionen deinen Teil dazu gibst. Wie du davon zehrst und dich für deine Leser interessierst.
Für dein drittes Buch stehe ich jederzeit wieder für eine Leserunde bereit und für die Wohnzimmerlesung sowieso.
Liebe Grüße Rici
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Ich habe hier auf meinem Blog die Möglichkeit zu sehen wer was wo wie sucht. In letzter Zeit häuften sich die Suchanfragen zu Michael Tietz Rattentanz – genauer gesagt es wurde eine Leseprobe gesucht. Da ich gerne diesem Wunsch nachkomme, könnt ihr diese ab sofort hier abrufen:
Leseprobe Rattentanz
Eines vorab und im Besonderen: Das Buch ist das Beste aus dem Bereich Thriller, was ich in letzter Zeit neben Fitzek und Beckett gelesen habe und ich bin mir sicher, Michael Tietz wird bald in eben diese Fußstapfen treten.
Zum Buch: es ist streckenweise beängstigend, passend zur Situation manchmal auch lustig, aber immer sehr, sehr spannend.
Wegen eines Hackerangriffs, der eigentlich nur die schriftlichen Prüfungen in einem Gymnasium verhindern sollte, herrscht Stromausfall im Schwarzwald – genauer gesagt in Wellendingen. Das ist eigentlich nicht weiter bedenklich. Jeder hat schon einmal einen Stromausfall miterlebt, oder? Dann stellt man ein paar Kerzen auf den Tisch und wartet, bis der Strom wieder kommt. Aber was ist, wenn eben wegen diesem Stromausfall auch Flugzeuge vom Himmel „fallen“ und letzten Endes sogar die Notstromaggregate in den Krankenhäusern versagen?
Und dies nicht nur im Schwarzwald, weil der Stromausfall eine globale Katastrophe ist und etliche Katastrophen nach sich zieht.
Das große Sterben beginnt und mit ihm der nackte Kampf ums Überleben. Denn eigentlich ist bisher immer alles organisiert gewesen, aber nun herrscht weder Ordnung noch Respekt vor dem anderen und schon gar nicht vor den Dingen der anderen.
Supermärkte werden gestürmt und Menschen wegen eines Brotes getötet, Banken geplündert, Polizisten erschossen …
Die Szenerie des Egoismus und des Machtkampfs hat Michael Tietz in seinem Werk auf intelligente und eindrucksvolle Art und Weise geschaffen.
Ob und wie weit solch ein Supergau bei uns je eintreffen wird bzw. möglich ist, ist hier nicht ausschlaggebend sondern eher der Aspekt, wie sich die Menschen dadurch verändern.
Um dieses ganze Geschehen herum hat der Autor die Geschichte von Eva und Hans Seger gesponnen. Hans ist kurz vor der Katastrophe nach Schweden gereist – Dienstreise. Nun kämpft er mit allen Mitteln, in dieser „neuen“ Welt zurück zu Frau und Tochter zu gelangen. Hierbei wird er immer wieder mit Rückschlägen konfrontiert, aber er trifft auch auf neue Begleiter und Menschen, die ihm helfen.
In dieser Zeit kämpft aber auch Eva zu Hause in Wellendingen ihren eigenen Kampf – gegen Plünderer, Mörder und vor allen Dingen gegen den Tod in ihrem Krankenhaus, in dem sie als Krankenschwester arbeitet.
Und auch viele andere Schicksale werden belichtet und dadurch wird immer wieder Abwechslung beim Lesen geschaffen. Manche Menschen, denen man beim Lesen begegnet, werden einem immer sympathischer – wogegen man manche regelrecht aus dem Buch holen möchte. Diese wühlen in den Hinterlassenschaften anderer, nur um sich daran zu bereichern – ein Rattentanz eben …
Ich hätte mir dieses Buch niemals selbst gekauft, da es mich vom Rückentext und der Gestaltung eher nicht anspricht. Aber das hat weniger mit dem Buch zu tun als mit meinem favorisierten Lesegeschmack. Daher bin ich sehr dankbar, dieses Werk als Leseexemplar erhalten zu haben. Denn sonst hätte ich einen wahnsinnig gutgeschriebenen Thriller verpasst, der in seiner Spannung und in seinem Unterhaltungswert ein Meisterwerk genannt werden muss. Michael Tietz hat mir mit diesem Werk tolle Lesestunden bereitet und als Fazit kann ich nur sagen: