Kategorie: Rezensionen Belletristik

  • Rachel Joyce – Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

    Wer sich auf die Reise mit Harold begibt, sollte auf jeden Fall festes Schuhwerk tragen
    Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ gehört für mich zu den Büchern, die einen nicht mehr so schnell loslassen und ab sofort wird es für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
    Ich weiß eigentlich gar nicht so recht, wo ich anfangen soll dieses Buch zu beschreiben. Bei Harold selbst, der mit Krawatte um den Hals und Segelschuhen einer inneren Eingebung folgt, und damit versucht seiner alten Bekannten das Leben zu retten und sich damit schlussendlich selbst rettet?
    Bei Maureen, die plötzlich erkennt, dass sie nicht nur Harold vermisst, sondern auch ihre Lebensfreude?
    Oder bei Queenie, die kleine unscheinbare Person, die ein so großes Kämpferherz besitzt?
    Wer von den dreien die für mich herausragendste Persönlichkeit ist, ist schwer zu sagen. Sie haben mich alle auf ganz besondere Weise berührt.
    So viele Emotionen habe ich selten bei einem Buch gespürt. Ich war traurig, amüsiert, hoffnungsvoll und erschüttert. Und zwischen all dem fand ich noch jede Menge Begeisterung für die wundervollen Zeilen, die mich zutiefst berührten. Man möchte die ganze Zeit ein kleines Notizbuch neben dem Buch liegen haben, um sich seine ganz persönliche „Harold Fry“ – Zitatesammlung zu schaffen. Manche Textstellen muss man einfach mehrfach lesen, um sie richtig in sich aufzusaugen und  auf der Zunge zergehen zu lassen.
    Kleiner Tipp: Wer sich das Notizbuch bereitlegt, sollte ebenso an Taschentücher denken, denn die sind auch nötig bei einem Buch mit so viel Tiefgang.
    Abschließend noch ein kleiner Hinweis. Wer sich auf die Reise mit Harold begibt, sollte auf jeden Fall festes Schuhwerk tragen, denn ich habe während meiner Zeit mit ihm viele Male ein starkes Zucken in den Beinen gespürt.
    Diesem Drang einfach fortzugehen und alles Negative hinter sich zu lassen, sollte man eventuell sogar folgen.
    Vielleicht ist das die heimliche Botschaft des Buches?! Unbekannte Wege zu gehen und sich selbst neu dabei zu entdecken kann eigentlich nur positiv enden. Man kann ja nie wissen, ob man Harold nicht irgendwo dabei begegnet.
    © Ricarda Ohligschläger

  • Volkmar Nebe und Ralf Pingel – Männer können auch anders

    Manchmal muss man Grenzen crossen, um frei zu werden!
    „Männer können auch anders“ verspricht der Titel des Buches von Volkmar Nebe und Ralf Pingel. Aber, dass das Buch SO anders ist, hätte ich nie gedacht und habe es damit komplett unterschätzt.
    Die Kurzbeschreibung laut www.amazon.de wird dem Buch nicht annähernd gerecht:
    So ticken Männer? Unterschiedlicher könnten sie gar nicht sein: Mike schlägt sich in Köln mit Gelegenheitsarbeiten durch, während Tobias in Hamburg als Medienberater das Geld nur so zu scheffeln scheint. Im Zug vertauschen die beiden versehentlich ihre Laptops – und öffnen neugierig die Dateien des anderen. Aus dem Streit über die Rückgabe der Computer entwickelt sich eine seltsame Freundschaft. Tobias versucht Mike zu erklären, wie er die Liebe seines Lebens erobern kann – und Mike will Tobias beibringen, dass Geld nicht alles ist. Dann macht Mike sich auf, Tobias zu begegnen – und eine Überraschung jagt die andere. Intelligent und wunderbar komisch – ein E-Mail-Roman, in dem zwei Männer sich gegenseitig die Welt und die Frauen erklären.
    Doch worum geht es nun eigentlich? Einfach ausgedrückt geht es um einen Emailverkehr zwischen dem ewigen Student Mike Gerlach aus Köln und dem erfolgreichen Medienberater Tobias Fürstenberg aus Hamburg. Im Zug vertauschen beide ihre Taschen und nun sitzt Mike mit dem Laptop von Tobias da, und umgekehrt. Bis die beiden Laptops wieder zurück getauscht werden entwickelt sich nun ein reger Emailverkehr, der später weiter geführt wird. Tobias wird zum Lebensberater für Mike und krempelt dessen Leben komplett um. Manchmal geht es dabei äußerst chaotisch zu, aber die Richtung stimmt schon mal. Mike entdeckt seine verborgenen Talente und vor allem eins: die Liebe!
    Kein Wunder, dass Tobias Tipps fruchten, denkt sich Mike. Schließlich hat er neben einem tollen Wagen auch noch eine wunderhübsche Frau und eine Tochter. Und um besser zu schlafen trinkt er sicher edlen Rotwein statt Kölsch.
    Es kommt wie es kommen muss: Mike möchte Tobias treffen. Und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse!
    Wie schon oben erwähnt wird weder Titel noch Kurzbeschreibung dem Buch gerecht. Lediglich der Klappentext weist darauf hin, dass mehr in dem Buch steckt als eine harmlose Geschichte zwischen zwei Männern.
    Die Protagonisten sind es, die dieses Buch ausmachen. Beide auf ihre Art. Mit Mike möchte man eher wenig zu tun haben und Tobias gerne als guten Freund haben. Mikes Lethargie und Denkweise ging mir ziemlich schnell auf den Keks, daher machte es umso mehr Spaß, seine plötzliche Entschlossenheit zu erleben. Und dazu passt dann irgendwie das Cover. Aus einem Goldfisch wird plötzlich ein bissiger Hai, der sich durchsetzt und kämpft. Das Ende ist dramatisch und emotionsgeladen. Seid gespannt!
    Ich hoffe, ich konnte euch mit meiner Rezension zum Buch begeistern, denn es wäre wirklich schade, wenn ihr dieses Buch überseht. Mich hat es sehr begeistert, berührt und zum Nachdenken angeregt. Manchmal ist eben nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheint.
    © Ricarda Ohligschläger

  • Annette Hohberg – Ein Sommer wie dieser

    Zeitweise verspürte ich den Wunsch mich in den wunderschönen Wortspielen der Autorin zu verlieren
    Es ist ein herrlicher Sommer. Klara und Stephan sind Anfang 20, als sie sich in Italien kennenlernen und ineinander verlieben – bis eine unglückliche Verkettung von Umständen sie trennt. Die Jahre vergehen, jeder führt sein eigenes Leben. Durch einen pikanten Zufall begegnen sie sich Jahrzehnte später wieder und entdecken, dass sie noch immer dieselben starken Gefühle füreinander haben. Doch Klara ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter, und Stephan ist Single, Literaturprofessor und hat seine Affären. Sollen sie das wirklich alles aufgeben und den Sprung ins Ungewisse wagen? Es kommt der Tag, da müssen sie eine Entscheidung treffen …
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Bei dieser Rezension werde ich über den Inhalt kein weiteres Wort verlieren. Die Kurzbeschreibung sollte ausreichen. Vielmehr möchte ich auf den Schreibstil von Annette Hohberg hinweisen, denn es wäre zu schade diesen außer Acht zu lassen.
    Kurz, prägnant, kraftvoll – das sind die Worte, die mir zuerst einfallen, wenn ich an dieses Buch denke. Und genau so ist eben der Schreibstil. Annette Hohberg versteht es mit kurzen Sätzen ausdrucksvoll zu unterhalten. Sie lässt wunderbare Sätze erst richtig wirken, durch diese reduzierte Art Dinge zu beschreiben. Man dürstet regelrecht nach mehr. Und bekommt es auch! Annette Hohberg zaubert mit ihrem Schreibstil aus Nebensächlichkeiten etwas ganz besonderes, aufregendes und schönes.
    Die Spannung trägt sich dadurch fast wie von selbst durch das ganze Buch. Mitreißende Wendungen steigern sie noch zusätzlich.
    Zeitweise verspürte ich den Wunsch mich in den wunderschönen Wortspielen der Autorin zu verlieren, die Augen zu schließen und Sprache einfach nur Worte, Zeilen und Sätze sein zu lassen. Ich kann das gar nicht ausdrücken, wie sehr sie mich berührt haben.
    Das Buch ist eines der schönsten, welches ich in der letzten Zeit gelesen habe. So recht kann ich nicht beschreiben, was es eigentlich ausmacht. Ist es die Story, der Schreibstil oder sind es die Figuren?
    Vielleicht ist es auch die stille Aufforderung die Liebe zu nutzen und nicht sie zu vergeuden.
    Fazit: In jedem Fall ist es ein Buch, was gelesen werden muss!
    © Ricarda Ohligschläger

  • Silke Schütze – Erdbeerkönigin

    „Erdbeerkönigin“ regt zum Nachdenken an. Über das eigene Leben, verpasste Chancen und längst vergessene Sehnsüchte.
    Vor 20 Jahren wurde Eva in ihrem Heimatdorf zur Erdbeerkönigin gekürt und traf in Hamburg für ein paar Stunden den attraktiven Daniel. Sie hat ihn nie vergessen – und erfährt nun, dass er gestorben ist und sie zu seiner Grabrednerin bestimmt hat. Aber warum? Für Eva beginnt eine Spurensuche voller unerwarteter Entdeckungen …
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Schon viel zu lange stehen die Bücher von Silke Schütze ungelesen in meinem Buchregal. Pünktlich zum Erscheinungstermin der „Erdbeerkönigin“ war meine Neugier jedoch nicht mehr zu bändigen.
    Erzählt wird die Geschichte von Eva Brandt. Einer Frau Mitte 40, die sich nicht nur gefühlsmäßig in einer Tretmühle wiederfindet. Ihre Ehe steckt in der Krise, ihr Sohn in der Pubertät und sie selbst fragt sich, ob sie in einer Zeitschleife gefangen ist.
    Neben ihrer guten Laune vermisst Eva ihre Mutter, die vor drei Monaten starb, und ihre beste Freundin Alissa. Trotzdem fehlt ihr der Elan sie anzurufen. Eva fragt sich einmal mehr wo eigentlich ihr Problem liegt.
    An einem Morgen, der chaotischer nicht hätte sein können, ereilt die frustrierte Ehefrau ein Einschreiben. Der verstorbene Galerist Daniel Eisenthuer hat in seinem letzten Testament den Wunsch ausgesprochen, dass sie – Eva – seine Grabrede hält.
    Eva überlegt kurz. Und plötzlich ist er wieder da: Daniel. Direkt vor ihren Augen! Der Daniel, der die junge Eva an einem Sommertag an die Hand nahm und ihr zurief: „Lass uns abhauen.“
    Silke Schütze hat mit „Erdbeerkönigin“ nicht nur einen wundervoll unterhaltsamen Roman geschrieben, sondern gleichzeitig eine Aufforderung das Leben zu genießen und seine Chancen zu nutzen.
    Ihre Hauptfigur Eva kehrt nämlich durch Daniel nicht nur an die Orte ihrer Jugend zurück. Nein, sie entdeckt ihre Träume und Sehnsüchte wieder. Mit viel Tiefgang lässt sie Eva längst vergessene Talente neu entfachen. Eva beginnt aufs Neue mit dem Joggen, macht Zukunftspläne, stellt sich ihren Ängsten und findet zurück zu ihrer besten Freundin Alissa.
    Jedes einzelne Kapitel beginnt mit einer Frage aus dem Spiel „Gesprächsstoff: Original“
    Beispielsweise: „Wovon bräuchte die Welt mehr und wovon weniger?“
    Die Welt braucht auf alle Fälle mehr Autorinnen wie Silke Schütze, die mich auf zauberhafte Weise nach Hamburg entführt hat. Ihr Schreibstil wechselte dabei von melancholisch, über humorvoll und gefühlvoll.
    Buchtrailer
    „Erdbeerkönigin“ regt zum Nachdenken an. Über das eigene Leben, verpasste Chancen und längst vergessene Sehnsüchte. Es schreit regelrecht: „Macht was draus!“ Das macht dieses Buch zu einem kostbaren Schatz, den ich gerne weiter empfehle!
    © Ricarda Ohligschläger
    Cover © www.droemer-knaur.de

  • Maximilian Buddenbohm – Marmelade im Zonenrandgebiet

    Die Strandjugend liegt hinter ihm, und nun sieht sich Maximilian Buddenbohm nicht nur mit dem Leben in einer trostlosen norddeutschen Vorstadtsiedlung, sondern auch mit dem Erwachsenwerden konfrontiert. In seinem Kosmos zwischen antiquarischen Büchern, Büroarbeit, selbstgekochter Marmelade und Treppenputzdienst macht er plötzlich ganz neue Erfahrungen. Er begegnet skurrilen Mitmenschen, einer sehr schönen Frau und versucht, auch in den absurdesten Situationen seine Würde zu bewahren. Witzig, anrührend und unwiderstehlich.
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Geschichten über das Erwachsenwerden hat wohl jeder von uns erlebt. Maximilian Buddenbohm hat sie jedoch zusätzlich aufgeschrieben und das ist auch gut so! Denn was er zwischen Abitur und Scheidung erlebt hat liest sich teils witzig, manchmal eher nachdenklich, und erinnert zuweilen an die eigene Zeit zwischen Jugend und dem dreißigsten Geburtstag.
    Die einzelnen Kapitel fügen sich nahtlos zu einem wunderbaren (Lebens)Bild zusammen und berichten über seltsame Begebenheiten, unfreiwillige Wanderungen und Gefühlschaos. Es ist fast schon tröstlich zu wissen, dass man nicht alleine dasteht bzw. dastand mit den Alltagssorgen, der Joborientierung oder komplizierten Beziehungen.
    Buddenbohms Erzählstil ist flüssig, unkompliziert und erfrischend ehrlich. Da macht es Spaß zu lesen, weil man sich fühlt wie bei einem guten Gespräch unter Freunden: Gut aufgehoben und noch besser unterhalten!
    © Ricarda Ohligschläger
    Cover © www.rowohlt.de