Bilodo, ein 27jähriger Briefträger aus Montreal, macht seit 5 Jahren seine Runde durch Saint – Janvier – des Ames, einem Arbeiterviertel.
Er geht in seinem Beruf vollkommen auf, und möchte mit niemandem tauschen – außer vielleicht einem anderen Briefträger. Aber Bilodo ist kein alltäglicher Briefträger, denn er ist neugierig.
Neugierig darauf, zu erfahren was die Briefe beinhalten, die nicht elektronisch verfasst sind.
Heimlich nimmt er diese also mit nach Hause und öffnet sie über Wasserdampf. Die Geschichten, die „seine“ Briefe erzählen, bereichern sein Leben, denn ohne diese Briefe wäre er manchmal sehr allein.
Da sind z.B. die Schwester, die Klatsch und Tratsch austauschen oder der Häftling Richard, der seinem kleinen Sohn Hugo schreibt.
Aber all diese Briefe sind nichts gegen die Briefe von Ségoléne an Gaston Grandpré. Sie ist Lehrerin und Grandpré ein Professor aus seinem Zustellbezirk.
Bilodo ist verliebt in Ségoléne. Ihr Foto steht, digitalisiert und ausgedruckt, in seiner Wohnung. Ihre Briefe an Grandpré beinhalten jedes Mal aufs Neue ein weißes Blatt beschrieben mit einem Gedicht, einem Haiku.
Eines Tages verunglückt Gaston Grandpré und für Bilodo bricht eine Welt zusammen, da ihm bewusst wird, dass er fortan ohne Ségolénes Briefe leben muss.
Doch in ihm reift eine Idee, die ihn nach und nach vollkommen beherrscht.
Denis Thériault hat einen ganz zauberhaften Roman geschrieben. Eine Liebesgeschichte, die von Distanz und Poesie lebt, von Leidenschaft und sich immer mehr steigender Sehnsucht.
Und zwischen dieser eigentlichen Geschichte, stehen immer wieder Haikus, die den Briefwechsel zwischen Ségoléne und Bilodo beschreiben. Beim Lesen habe ich die Gedichte, die sich später noch in Tankas ändern, überflogen, da ich wissen wollte wie es weitergeht mit dem verliebten Briefträger und seiner Lehrerin aus Guadeloupe.
Aber ich kann nur jedem ans Herz legen, sie im Nachhinein noch einmal zu lesen, denn sie sind poetisch, kunstvoll und sehr sinnlich.
Der Roman kommt mit wenigen Hauptfiguren aus, aber die füllen die Handlung mit ihrer Einzigartigkeit. Bilodo ist ein typischer Einzelgänger, der die Verkuppelungsversuche seines Freundes eher als nervig empfindet, statt sie willkommen zu heißen.
Und Tania, die Kellnerin, die ihm immer so nett zulächelt? Wird sie sein Herz erobern?
Ein bisschen hat mich das Buch an „Die Eleganz des Igels“ erinnert, welches ebenso schön von seiner Sprache war und auch einen kleinen Touch Japan beinhaltete.
Auch die Informationen über japanische Literatur hat Thériault gekonnt eingefügt.
Fazit: “Siebzehn Silben Ewigkeit“ klingt in der Seele nach. Der Roman vereint Sinnlichkeit und die Kunst der japanischen Poesie.
© Ricarda Ohligschläger