Vorab möchte ich eines loswerden, bevor ich versuche die Gedanken der letzten Tage in diese Rezension einfließen zu lassen, die eh keine typische Rezension wird, weil mich ehrlich gesagt ausnahmsweise nicht interessiert wie der Schreibstil etc. ist, denn  vielmehr geht es mir darum WAS in dem Buch steht:
Ich bin weder politisch besonders engagiert, noch „persönlich betroffen“ von den Bundeswehr – Einsätzen in Afghanistan und Syrien.
Mein Mann kommt jeden Tag pünktlich und unversehrt nach Hause und in meinem engsten Umfeld kenne ich eigentlich niemanden, der „mitreden“ kann.
Vielleicht ist das genau der Grund, warum ich recht „jungfräulich“ an dieses Buch herangehen konnte. Erschreckend ist jedoch, wie es mich trotz meiner Distanz zum Thema berührt hat und ich bin mir sicher, dass es vielen so gehen wird / würde, wenn sie das Buch lesen! Sie würden vieles mit anderen Augen sehen und aus diesem Grund möchte ich meine Meinung zum Buch hier mit euch teilen.
Nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches „Ein schöner Tag zum Sterben“ erhielt Heike Groos zahlreiche E-Mails von ehemaligen Kameraden, Ehefrauen, Müttern von Soldaten und diese Zeilen bestätigten ihre Meinung, dass der Großteil von ihnen mit ihren schlimmen Erlebnissen (nach den Auslandseinsätzen) allein blieben. Die Idee zu „Das ist auch euer Krieg“ war geboren. Die Betroffenen sollten selbst zu Wort kommen. Doch etliche derer, die ihr vorher geschrieben hatten waren nun ängstlich mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.
„Ich konnte sie gut verstehen, ich befürchte, die Angst ist berechtigt. Mit der Meinungsfreiheit scheint es nicht mehr so weit her zu sein in unserem Land.“ (Zitat Seite 29)
Glücklicherweise fanden sich letzten Endes genug Mutige, die trotz Angst von ihren Erfahrungen berichteten, denn sonst würde ich immer noch unwissend und blauäugig an das Gute im Menschen glauben. Besonders wenn es um eine lückenlose Berichterstattung in den Medien geht.
Wie oben bereits erwähnt habe ich mich bisher noch nie im Leben mit dem Thema auseinander gesetzt und zu der Lektüre kam ich eher durch Zufall. Derjenige, der mir die Bücher in die Hand drückte, empfahl mir Taschentücher griffbereit zu halten.
Ich bin bisher immer skeptisch bei solchen Äußerungen gewesen, denn  war es doch immer so, dass ich dann völlig beim Lesen verkrampfte und ich regelrecht auf die traurigen Szenen wartete und mich ständig fragte, wann ich denn „endlich“ heulen muss. Ich fieberte den herzzerreißenden Momenten entgegen, wartete auf den Tod der Hauptfigur und schob das Ende gerne durch Lesepausen vor mir her.
Diese Sammlung von Erfahrungsberichten ist jedoch kein fiktiver Roman und ich gestehe offen: „Ja, ich habe geheult!“ Kurz, aber heftig. Danach überwog die Erschütterung und eine ganz große Wut. Diese Wut möchte ich eigentlich seit Tagen aus mir herausschreien und euch sagen: „Lest dieses Buch, denn es ist auch euer Krieg!“
Ich bin geschockt wie wenig Aufklärung Soldaten der Bundeswehr vor ihren Einsätzen erhalten, wie groß die Defizite bezüglich der Ausrüstung sind und wie gering die Anerkennung für den geleisteten Dienst ist. Das bereitet mir wahrlich Magenschmerzen – und ich betone noch einmal, dass ich nicht persönlich betroffen bin!
„Wir hatten jeden Tag Angst auf den Straßen Kabuls.“ (Seite 53)
„Zurück in Deutschland hat man dann für seinen Einsatz eher Spott und Verachtung geerntet.“ (Seite 54)
In „Das ist auch euer Krieg!“ kommen – wie schon erwähnt – nicht nur Soldaten zu Wort, sondern auch Ehefrauen und Mütter. Eine beschreibt mit erschreckender Nüchternheit, dass es vor dem Einsatz ihres Sohnes keinerlei klare Ansagen darüber gab, was ihren Sohn erwarten würde und auch später sparte man mit den für sie wichtigen Informationen.
Im Juni 2002 wurde der Sohn verabschiedet. Im November 2002 erhielt sie einen Anruf der Bundeswehr, dass ihr Sohn verletzt ist und ausgeflogen wird. Keine weitere Information folgte! Wie kann das sein? Warum lässt man Angehörige so dermaßen im Stich?
„Es wurden mir gegenüber keine weiteren Erläuterungen gemacht.“ (Seite 133)
Auch der Sohn kommt zu Wort. Er berichtet von seinen Depressionen, von Alkoholproblemen, Panikattacken, Klinikaufenthalten und Suizidgedanken. Und ja, mir kam beim Lesen schon der Gedanke, dass für Mörder und andere Straftäter in Deutschland  mehr Therapieplätze bereitstehen als für diejenigen, die „das Land verteidigen“. Viel schlimmer noch ist es in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei nicht um Einzelschicksale handelt, sondern um einen Großteil der (ehemaligen) Soldaten, die verzweifelt versuchen sich in therapeutischen Sitzungen Gehör zu verschaffen!
Die Nachbetreuung eines Hauptfeldwebels betrug glatte 15 Minuten bei einer zivilen Ärztin, wenn man mal von dem Würstchen-und-Bier-Treffen nach dem Einsatz absieht, das für die Verantwortlichen unter „psychologische Nachbereitung“ lief. Das macht mich schlicht und ergreifend  sprachlos.
Des weiteren ist immer wieder ist die Rede von mangelnder Ausrüstung (der fehlende Schlafsack ist dabei das geringste Übel), Planlosigkeit und Unwissen der Vorgesetzten, die manche Situation völlig falsch einschätzen! Eine deutsche schusssichere Splitterschutzwesten gab es beispielsweise erst nach 2000(?). Dass man sich diese bei den NATO – Verbündeten auslieh ist kein Witz. Die Prüfungen der vor Ort hängenden Feuerlöscher wurde jedoch von einem eigens eingeflogenen Hauptmann vorgenommen – man muss halt Prioritäten setzen.
Mir fehlen angesichts der vielen negativen Beispiele die Worte und ich weiß, dass ich dem Buch definitiv nicht gerecht werde. Heike Groos will mit Sicherheit nicht provozieren, aber aufrütteln. Das ist ihr bei mir nachhaltig gelungen. Ich habe durch ihre Arbeit viele neue Erkenntnisse gewonnen. Leider keine positiven, aber ich sehe jetzt viele Dinge mit anderen Augen. Ich bin ihr dankbar für diese Art von Aufklärung, die ich durch die Medien leider nicht erfahre….
© Ricarda Ohligschläger
 
 
 

3 thoughts on “Heike Groos – Das ist auch euer Krieg

  1. Ich bin sprachlos, zumal der Sohn einer sehr guten Freundin sich gerade voller Begeisterung auf seinen Auslandseinsatz vorbereitet.Ichhoffe, das er unversehrt an Körper und Seele zurückkehrt!

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