Ich finde, ein guter Frauenroman sollte moderne, intelligente, selbstständig handelnde und denkende Frauen beschreiben, deren Erwartungen und Selbstzweifeln mit der Realität kollidieren.
Liebe Henriette, zuerst einmal freue ich mich sehr, dass Sie an meiner Aktion teilnehmen. Wie sind Sie auf die Idee mit diesem Buch gekommen?
Ein Freund erzählte mir, dass er eine Frau kennengelernt habe, die alleinerziehende Mutter eines Kindes war, und wie schwer er sich getan habe, sie tatsächlich anzusprechen, da er davon ausgegangen war, dass zu dem Kind nicht nur ein Vater, sondern auch zu der Frau ein Mann gehört.
Dieses Bild hat angefangen, sich in meinem Kopf zu drehen, Funken geschlagen, und zusammen mit anderen Beobachtungen hat  es sich plötzlich zu einer eigenen Geschichte geformt. Jener Mann war allerdings nicht sehr begeistert davon, als literarische Figur durch mein Buch zu geistern; obwohl er absolut nicht wieder zu erkennen ist, so ist diese Freundschaft leider zu einem Kollateralschaden der Veröffentlichung geworden.
Da er auch Autor ist habe ihm als Versöhnungsangebot vorgeschlagen, eine empörte Kolumne über das Thema „Romanfigur wider Willen“ zu schreiben, aber da war es schon zu spät.
Männer in Serie“ ist ja ihr erster Roman, was gefällt Ihnen persönlich an dem Genre?
Für mich war es anfangs sehr schwer zu sehen, wie stark meine Idee für ein Genre formatiert wurde – Ricarda hat ja auch schon in ihrer Rezension Aussehen und Titel bemängelt.
Aber große Verlage funktionieren nun einmal mit Kategorisierungen, und ich habe mich entschieden, meinem Verlag  vertrauen. Außerdem davon mag ich einige so genannte Frauenromane sehr, sehr gerne, da die Perspektive – eine Geschichte aus Sicht einer Frau zu erzählen – bei guten Autorinnen dazu führt, dass etwas Wahrhaftiges und Modernes über Frauen erzählt wird.
Bridget Jones ist für mich ein überragendes Beispiel, in dem ein Lebensgefühl auf ehrliche, kluge, berührende und sehr, sehr witzige
Weise aufgegriffen wird. „Eat, pray, love“ ist ein anderer Weg, und steht wieder für einen sehr zeitgemäßen Frauentypus. „Something borrowed“ von Emily Griffin hat mich ebenfalls überzeugt, weil die Konkurrenzsituation einer Frauenfreundschaft sehr glaubwürdig beschrieben wurde, die vermeintlich dadurch entsteht, wenn eine Frau viel besser aussieht als die andere.
Das ist ein sehr amerikanischer Gedanke und ohnehin eine sehr amerikanische Geschichte, aber ich habe beim Lesen gemerkt, dass die Autorin – eine ehemalige Rechtsanwältin – Ahnung von vielen Dingen hat, einen gute Sprache und ihre Protagonistinnen sehr ernst nimmt. Manchmal werde ich aber auch wütend beim Lesen; wenn Frauen nur noch Männern beschäftigt sind und keinen anderen Gedanken mehr fassen können,
ich denke da an Paige Toon. Ich finde, ein guter Frauenroman sollte moderne, intelligente, selbstständig handelnde und denkende Frauen beschreiben, deren Erwartungen und Selbstzweifeln mit der Realität kollidieren.
Planen Sie noch weitere Frauenromane zu schreiben?
Ich hoffe schon, allerdings würde ich beim nächsten Buch eine andere Perspektive zu wählen als die einer Ich-Erzählerin.
Ihre Hauptfigur Kika wird nach einem One-Night-Stand schwanger. Wie hätten Sie in dieser Situation reagiert?
Das habe ich mich natürlich auch gefragt; ich denke, dass ich tatsächlich sehr ähnlich wie Kika reagiert hätte; ich hätte mich umgedreht
und wäre losgegangen, um die Sache alleine hinzukriegen. Kika hat ja auch sofort Unterstützung gefunden in Form ihrer Freundinnen und Kolleginnen und dann versucht, so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen.
Wenn man schon für verschiedene Verlag bzw. Zeitschriften schreibt, ist es dann sehr schwer an einem Buch zu arbeiten, ohne die Familie zu vernachlässigen?
Während ich das Buch geschrieben habe, habe ich fast gar keine journalistischen Aufträge mehr angenommen. Einige Monate lang bin ich
jeden Tag statt ins Büro in die Bibliothek gegangen, um dort an meinem Buch zu arbeiten; und da ich auch nicht länger als fünf Stunden am Stück schreiben kann (das ist eh schon eher viel), bin ich dann nachmittags wieder nach Hause gegangen und habe meinen Sohn von der Krippe abgeholt. Im Grunde war das viel entspannender als meine journalistische Arbeit, wo inhaltliche Vorgaben und Deadlines zu einem eher fremdbestimmten Arbeitsstil führen. Es ist mir ein Rätsel, wie Autoren es schaffen „nebenbei“ einen Roman zu schreiben; ich war
mit dem Schreiben – und meiner Familie – wirklich völlig ausgelastet.
Mich würde interessieren, was in Ihnen vorging, als Sie Ihr erstes Buch in den Händen hielten?
Ich erinnere ich mich noch ganz genau, wie ich meinen Erzählband „Milchmädchenrechnung“ aus dem Briefkasten geholt habe. Als ich das
Päckchen öffnete, war ich so sauer, dass mir fast die Tränen gekommen sind. Der Verlag hatte hinter meinem Rücken einen furchtbaren Klappentext geschrieben, der die Worte „frech und forsch“ beinhaltete, zusammen mit dem versautesten Satz aus dem ganzen Buch. Mit letzterem hätte ich gerade noch leben können (ich hab’s ja schließlich so geschrieben), aber „frech und forsch“ war für mich ein
Grund, den Verlag zu wechseln.
Was lesen Sie selber gerne und welchen Roman sollte jeder einmal gelesen haben?
Ich lese eigentlich andauernd, Belletristik und Sachbücher, oft vieles durcheinander und parallel. Wer auf „Frauenliteratur“ steht, sollte
m.E. auf jeden Fall mal die „Sturmhöhe“ von Emily Brontë gelesen haben; wer noch nicht genug hat, kann dann mit „Jane Eyre“
weitermachen, das sind tolle Frauenfiguren, die völlig aus ihrer Zeit herausfallen.
Was können Sie überhaupt nicht ausstehen, und was macht Sie glücklich?

  1. Spielplätze  und Facebook – ständig muss man soziale Entscheidungen treffen, das ist nichts für mich.
  2. Menschen mit übergroßen Egos und Plastikmüll am Strand.
  3. Wenn Beschwerden mit „Sagen Sie den anderen Mütter bitte auch, dass …“ beginnen. Als ob die Kinder keine Väter hätten.
  4. Autofahren. Macht mich nervös, früher war das nicht so. Besonders wenn ich im Stau stehe, stelle ich dann gerne mein gesamtes Leben in Frage. Außerdem verfahre ich mich extrem leicht, dann bin ich noch gestresster.
  5. Das Ehegattensplitting. Wenn ich Hausfrauenehen subventionieren und gleichzeitig unendlich viel Geld in Kinderbetreuung investieren muss, wundert es mich nicht, dass die Frauen in Deutschland keine Lust auf Kinder haben.

1. Unterhaltungen wie diese:
Artur (vom Rücksitz): „Maaaamaaaa. Ich hab Popel!“ Ich: „Schatz, ich kann jetzt nicht, ich fahre Auto.“ Artur: „Dann stecke ich ihn wieder in die Nase zurück, okay?“
2. Durch den Englischen Garten zu laufen – wenn ich schon früher gewusst hätte, was Sport bewirken kann, hätte ich mir damit nicht 33
Jahre Zeit gelassen.
3. Und mit Artur zusammen Fahrrad fahren und dabei laut „Ein Fräulein stand am Meere“ brüllen. Ich bin da ganz bei Heine „Ein kleines
bisschen Bildung ziert den ganzen Menschen“, das gilt auch für Zweijährige.
4. Telefonate mit meinen Freundinnen. Im Ernst, ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte.
5. Richtige rote Tomaten pflücken – und ohnehin: im Süden sein. 33 Grad, im Schatten sitzen und mit meinem Mann portugiesischen Weißwein
trinken. Unschlagbar.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie sähen diese aus?
Kann ich nicht verraten –
Welche Tipps haben Sie für Neuautoren?
1. Schreiben, schreiben, schreiben.
2. Texte einreichen: bei Wettbewerben, Verlagen, Agenturen, Redaktionen.
3. Weiterschreiben.
4. Andere Autoren kennen lernen, Texte rausgeben, Texte von Kollegen lesen.
5. Tapfer sein.
6. Und das ganze wieder von vorne.
Welche Fragen würden Sie jetzt gerne beantworten, fehlt aber in diesem Interview?
Frage: Finden Sie, das „Frauenliteratur“ oder „Chick Lit“ ein abschätziger Begriff ist, der gerne dazu genutzt wird, um Literatur, die
auf hauptsächlich Frauen zugeschnitten ist, nicht ernst nehmen zu müssen?
Antwort: Könnte Ricarda als Expertin diese Frage bitte beantworten?
Antwort von Ricarda: Ich wusste bisher noch gar nicht, dass ich auf diesem Gebiet eine Expertin bin, aber es stimmt schon: ich lese vorzugsweise „Chick Lit“ und „Frauenliteratur“. 🙂
Frauenliteratur; ich finde diesen Begriff absolut nicht abwertend. Sie kann so vielfältig sein.  Sinnlich, romantisch, gefühlvoll und zauberhaft. Und es gehört schon viel Talent dazu, all diese Facetten abzudecken und damit ein Leserinnenherz zu erobern. Wer diese Literatur nicht ernst nimmt, verpasst sehr viel guten Lesestoff.
Anschließend ergänzen Sie bitten diesen Satz: Schreiben ist wie
… 
Lieben. Manchmal sehr anstrengend, aber immer die Sache wert.
Liebe Henriette Kuhrt, ich danke Ihnen herzlichst – auch im Namen der Leser – für die Teilnahme an meiner Aktion und für die Zeit.
Die Bücher aus der Verlosung gingen bereits an
Rebecca K.
Kerstin S.
Sabine R.
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten
(Autorenfoto © by Paul Schirnhofer)

1 thought on “Interview mit Henriette Kuhrt

  1. Hallo Rici,
    ich wollte mich auf diesem Weg für das Buch bedanken. Es kam schon hier an und wartet nur noch darauf gelesen zu werden.
    Gruß
    Rebecca

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