Mein Interesse ist primär ein historisches
Die Inhaltsbeschreibung von Blutsäule lässt bei mir gleich die Vermutung aufkommen, dass es sich hier um den Erstling einer Histo-Krimi-Reihe handeln könnte. Kann es sein, dass sie nach den letzten zwei in sich abgeschlossenen Romanen „Varus“ und „Pfaffenkönig“ wieder Lust auf einen Mehrteiler bekommen haben? Ist vielleicht schon ein weiterer Teil in Arbeit?
Keineswegs. „Die Blutsäule“ ist kein historischer Kriminalroman, auch wenn er Krimi-Elemente enthält, und es ist auch keine Fortsetzung geplant.
Mein erstes veröffentlichtes Projekt war der Einstiegsband in eine Trilogie, und auch die sollte keine lange Serie werden. Man muss wissen, wann man aufhört, wie lange eine Geschichte trägt, ab wann es nur noch eine episodische Aneinanderreihung ist. Sowohl als Leserin als auch als Autorin bevorzuge ich ohnehin einzelne abgeschlossene Romane – Ausnahmen bestätigen die Regel. 
Ihr Roman „Die Blutsäule“ spielt in Köln. Stehen Sie selbst in einer besonderen Verbindung zu dieser Stadt?
Ich bin am linken Niederrhein, genauer gesagt in Krefeld, aufgewachsen habe von 1981 bis Ende 1983 in Köln gelebt und dort mein Abitur abgelegt. Da meine Eltern kulturell sehr interessiert waren, habe ich Baudenkmäler wie den Kölner Dom, aber auch die berühmten Romanischen Kirchen Kölns schon als Kind kennengelernt. Nachdem ich in meiner Kölner Zeit auch noch am Eigelstein, d.h. in der Nähe des Doms gewohnt habe, dürfte es niemanden wundern, dass da eine persönliche Beziehung entstanden ist. 
Wie kommen Sie auf so unheimliche Titel wie „Die Blutsäule“?
Der Titel, der tatsächlich von mir stammt, bezieht sich auf ein sagenumwobenes Artefakt, das im Buch eine wichtige Rolle spielt und im Volksmund tatsächlich „Blutsäule“ genannt wird. Es handelt sich um eine Säule (heute ist es nur noch ein Fragment dieser Säule), die vom ursprünglichen Ovalbau von St. Gereon stammt. Um diese Säule ranken sich zwei Legenden; zum einen sollen an ihr die Patrone der Kirche, also die Märtyrer um den heiligen Gereon gegeißelt worden sein, zum anderen wird behauptet, die heilige Helena, Mutter Kaiser Konstantins des Großen und erste Archäologin der Weltgeschichte, habe diese Säule in Jerusalem gefunden, erkannt, dass an ihr Jesus Christus gegeißelt worden sei, und habe sie mit nach Köln gebracht, wo sie die Kirche Sankt Gereon habe erbauen lassen; bei diesem Bau habe die Säule Verwendung gefunden.
In jedem Fall galt die Säule als eine Art Reliquie, und man sagte ihr nach, sie könne Sünden oder Verbrechen strafen.
Das machte ein solches Artefakt natürlich interessant für die weltliche Gerichtsbarkeit, die in der uralten Tradition der Ordale („Gottesurteile“) trotz kirchlichem Verbot immer wieder auf solche „Wahrproben“ zurückgriff.
Wie lange haben Sie für Ihren Roman recherchiert?
Was die Recherche anbelangt, handelt es sich bei diesem Roman um ein umfangreiches Projekt. Allerdings gibt es für dieses spezielle regionalhistorische Gebiet sehr viel Fachliteratur, auf die man sich stützen kann. Das geht bis hin zu einer Art „Grundbuch“ des mittelalterlichen Köln, das – nebenbei bemerkt – hinter den bloßen Fakten eine Fülle an Anekdoten bereithält. Ich kann jetzt nicht sagen, wie lange die Recherche allein gedauert hat, weil sie auf früheren Kenntnissen aufbaut, dann zwar etwa ein Jahr einsetzte, ehe ich mit der Abfassung begann, aber die Arbeit am Text bis zuletzt begleitete.
 „Die Blutsäule“ hat ja ein ganz anderes Thema als Ihre anderen Romane. Wie sind Sie denn darauf gekommen?
Die Legende kenne ich schon seit Kindertagen, darauf musste ich nicht erst kommen. Es ist mir irgendwann einfach eingefallen, und aus der Recherche über die Zeit der Grundsteinlegung des Kölner Doms hat sich immer mehr entwickelt. 
Sind noch weitere Lesungen zu „Die Blutsäule“ geplant außer die mir bekannte am 12.02.201 in Köln im Restaurant PURiNO?
Der Verlag arbeitet natürlich daran, weitere Lesungen zu organisieren. Aber dafür müssen Buchhändler und andere Veranstalter erst einmal gewonnen werden. 
Wie bereiten Sie sich auf ihre Lesungen vor?
Sicher nicht anders als andere Autorinnen und Autoren: Man sucht geeignete Textstellen aus, entwickelt Zwischentexte, eine kurze Selbstvorstellung, baut aus dem Ganzen ein „Programm“. Natürlich sollte man auch fachlich gut vorbereitet sein. Denn ich bin immer wieder erstaunt, was für profunde Kenntnisse aus den Fragen der Zuhörer sprechen.
Wie gehen Sie bei der Recherche für Ihre Historischen Romane vor? Sind Sie persönlich auch an den geschichtlichen Vorkommnissen sehr interessiert?
Mein Interesse ist primär ein historisches. Ich möchte wissen, wie die Menschen früher dachten, fühlten, sprachen, handelten, wie sie lebten, ihren Alltag gestalteten, worin sie sich von uns unterschieden – und worin sie uns gleichen.
Es gibt eine verbreitete Ansicht, nach der Fortschritt immer ein Fortschreiten zum Besseren ist. Die Geschichte lehrt ständig, dass das ein fataler Irrtum ist.
Eine weitere, meiner Meinung nach irrige Ansicht ist die, dass man die früheren Zeiten ohnehin nicht verstehen könnte. Mal ganz abgesehen davon, dass dieser Gedanke für alle „anderen“ Kulturen gelten muss und was er von daher für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen bedeutet, widerspricht dem, dass wir auch heute noch mit Genuss die frühesten Texte lesen und verstehen können – vielleicht nicht mehr in allen Details, aber wir verstehen sie.
Neben den bloßen historischen Fakten interessiert mich von daher vor allem die sogenannte Geistesgeschichte. Wenn man über Thomas von Aquin und Albertus Magnus schreibt, dann sollte man zumindest einen Gutteil ihrer Texte kennen, am besten im Original lesen können, Fachliteratur über diese Leute studiert haben usw.
Daneben kommt natürlich die gesamte Sachkultur zum Tragen.
Aus alledem bildet sich eine Vorstellung, wie das Leben damals gewesen sein könnte – man sollte aber immer wachsam bleiben, denn so manches Mal stellt sich heraus, dass ein Detail falsch ist. Wobei mich das (auch als Leserin) bei einer wenig bedeutsamen Personenverwechslung weniger stört, als wenn die Leute modern denken oder handeln.
 Welche Ihrer Figuren ist Ihr Lieblingscharakter, und warum?
Ganz klar: Thomas von Aquin. Nicht nur dass ich ihn für einen der klügsten Köpfe der Weltgeschichte halte (dafür muss man nicht jedem Jota zustimmen), auch seine eigene Lebensgeschichte, sein Werdegang ist sehr spannend.
Im Grunde hat er eine Biographie, die zeigt, dass man seinem Herzen folgen muss, wenn ein Leben gelingen soll, und nicht dem, was alle so sagen oder was andere von einem wollen.
Und ein paar Jahre in dieser Biographie versuche ich in dem Roman auch zu beleuchten. 
Mich würde interessieren, ob Sie ein Mitspracherecht bei der Covergestaltung haben und wie so etwas abläuft. Bekommen Sie mehrere Vorschläge und dürfen dann wählen?
In diesem Falle habe ich mich auf den Verlag, ganz besonders auf meinen Lektor Andreas Paschedag verlassen. D.h. ich habe irgendwann den endgültigen Entwurf gesehen und war damit einverstanden. Wenn es etwas denkbar Unpassendes gewesen wäre, hätte ich mich sicherlich beim Verlag gemeldet. Man kann als Autor durchaus etwas bewegen, wenn man erst einmal anerkennt, dass es verlagsintern nun einmal Vorgaben zur Einbandgestaltung gibt. 
Sie sind auch in der Anthologie „Die 13. Stunde“ mit einer Geschichte vertreten. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Haben sie den Text extra für diese Sammlung geschrieben?  Und  lernen sich die verschiedenen Autoren auch persönlich kennen?
Ich wurde von einem der Herausgeber, Frank Stefan Becker, dazu eingeladen, und der Text basiert zwar auf einer früheren Idee, ist aber tatsächlich für diese Geschichtensammlung geschrieben. Einige der Autoren kenne ich persönlich, aber anders als bei den Gemeinschaftsromanen gab es keine Zusammenarbeit der Autoren untereinander. 
Können Sie sich vorstellen ein ganz anderes Genre zu betreten und nicht ausschließlich historische Romane zu schreiben? Vielleicht eine Mischung mit Thriller oder Fantasyelementen?
Leider muss ich gestehen, dass ich mit Thrillern und Fantasyromanen gar nichts anfangen kann, wenn man mal von ein paar Klassikern wie Tolkien und Lewis oder LeCarré und Forsyth absieht. Das ist einfach nicht meine Welt.
Inzwischen hoffe ich, den Weg in den zeitgenössischen Roman zu finden, was nicht ganz einfach ist. Man wird als Genreautor auf bestimmte Themen festgenagelt. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. 
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich nehme sie zur Kenntnis, erwäge, was daran begründet ist, was ich für mich und meine Arbeit annehmen kann. Im Guten wie im Schlechten.
Was negative Kritik angeht: Man kann es niemals jedem recht machen. Es gibt sicher sehr viele Liebhaber historischer Romane, die mit meinem Mittelalterbild überhaupt nichts anfangen können. Dann gilt der Grundsatz des „agree to disagree“.
Welche Autoren historischer Romane lesen Sie selber gerne?
Was aktuelle Autoren angeht, möchte ich lieber keine persönliche Wertung abgeben, weil das allzu leicht elitär oder kumpelhaft klingt. Ohnehin bevorzuge ich Klassiker wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, aber auch Umberto Eco, was aber nicht heißt, dass ich nicht auch mal einen vorwiegend unterhaltsamen Roman lese. Allerdings spielt das historische Genre bei meinen Lesevorlieben mehr eine untergeordnete Rolle. 
Ich würde gerne wissen, wie ihr nächstes Buch heißen wird. Ist da schon etwas in Planung?
Derzeit genehmige ich mir eine Auszeit und experimentiere. Allerdings ist es ziemlich sicher, dass auf absehbare Zeit kein historischer Roman von mir erscheinen wird. Ich möchte einfach mal etwas ganz anderes machen.
Vielen Dank für dieses Interview, Frau Kammerer.
Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten“
Die Bücher aus der Verlosung gehen in den nächsten Tagen an
Malin L.
Angela H.
Iris G.
Herzlichen Glückwunsch!
Autorenfoto (c) 2010 K. Kammerer