Wenn ich gerade nicht schreibe, räume ich das Zimmer meiner Kinder auf, oder treibe mich auf Spielplätzen herum, oder recherchiere für journalistische Beiträge, oder stehe im Supermarkt an der Schlange, oder entspanne mich (ja! wirklich!) beim Yoga…
Hallo Frau Hagedorn, als ich gelesen habe, dass sie auch Kinderbücher schrieben, stellte ich mich mir die Frage:

Wie schafft man es ein Buch wie „Mantramänner“ zu schreiben, wenn man Kinderbücher scheibt? Ich stelle mir das wahnsinnig schwer vor, erst in einer „Sprache“ für Kinder zu erzählen und dennoch Bücher für Erwachsene zu schreiben.
So schwer ist das gar nicht – wir alle ändern ja auch im Alltag unsere Sprache permanent, je nachdem, mit wem wir es zu tun haben. So wie ich mit meinen eigenen Kindern anders spreche als mit meinem Mann, schreibe ich anders, wenn ich für 8jährige Geschichten erfinde, als wenn ich 30jährigen etwas erzähle. Es hilft oft, eine imaginäre Leserin vor Augen zu haben, um sich auf eine bestimmte Ebene einzustellen. Im übrigen finde ich es oft deutlich schwieriger, für Kinder zu schreiben, weil man deutlich mehr erklären muss und weniger voraussetzen kann, dabei aber keinen belehrenden Ton anschlagen möchte.  
Für so unterschiedliches Lesepublikum braucht man sicher auch ein besonderes Einfühlungsvermögen. Müssen Sie für das eine oder andere in einer besonderen Stimmung sein oder können sie sich leicht in die unterschiedlichen Altersgruppen hineinversetzen?
Ich kann mich relativ leicht in die verschiedenen Altersgruppen hineinversetzen – und sei es, dass ich in mir selbst nachspüre, wie ich in dem jeweiligen Alter war. Auch „Mantramänner“ hat ja etwas von einem Zwiegespräch mit einem jüngeren Ich, die Figur hat durchaus Parallelen zu mir und meinem Lebensgefühl mit Ende 20, nur, dass diese Zeit bei mir schon ein bisschen zurückliegt ;-). Was die richtige Stimmung angeht, die kommt eher beim Schreiben selbst. Gerade im letzten Jahr habe ich an vier Buchprojekten gearbeitet, da kann man es sich nicht leisten, auf Stimmungen und Inspiration zu warten, wenn man Abgabetermine einzuhalten hat und nebenbei noch die ein oder andere Waschmaschine befüllen und Kindergartenbrote schmieren muss. 
Gibt es in „Mantramänner“ Personen, die Ihnen selbst nahe sind oder denen Sie Charakterzüge von Bekannten oder Freunden aus Ihrem nahen Umfeld verpasst haben? Bauen Sie in Ihre Bücher bewusst oder unbewusst Personen ein, die Sie kennen, Frau Hagedorn?
Es ist ein bisschen wie beim Bleigießen: Ich benutze meine Lebenswirklichkeit – also Schauplätze, Milieus, und natürlich auch reale Personen -, aber dazu schmelze ich die realen Formen zuerst ein, um aus dem Material dann neue zu schaffen. Es gibt also höchst selten Dialoge, Interieurs oder auch Personen, die eins zu eins der Realität nachempfunden sind, sie sind eher Mischwesen. Selbst wenn ich das ein oder andere Mal jemanden konkreten im Sinn habe, der reales Vorbild für eine Figur ist – in dem Moment, in dem die Figur ein Eigenleben bekommt, wird sie immer mehr zur eigenständigen Person und hat dann irgendwann gar nichts mehr mit dem Vorbild gemein. Einzige Ausnahme ist der depressive Wäschereimops, den gibt es wirklich, ich sehe ihn jeden Morgen auf dem Weg zum Kindergarten :-).
Was inspiriert Sie zu Ihren Buchideen und wie sind Sie überhaupt zum Schreiben gekommen?
Das Schreiben war schon immer da – ich habe als Kind schon gerne Geschichten erfunden, später über Jahre intensiv Tagebuch geführt und mit Anfang, Mitte 20 eine journalistische Ausbildung gemacht. Das literarische Schreiben kam dann später, eher mit Ende 20. Ich habe mich damals häufig auf Poetry Slams im 5-Minuten-Modus versucht, das war ein tolles Sprungbrett, hat mir aber irgendwann nicht mehr gereicht. Was mich inspiriert? Schwer zu sagen, das Leben selbst, vor allem aber Momente, in denen ich interessante Verbindungen zwischen Dingen entdecke, oder mich etwas interessiert, das mit unserer Zeit, unserer Gegenwart, unserem Leben im heute und hier zu tun hat. Aber natürlich funktioniert das nur, wenn ich dabei auch Figuren erfinden kann, die mich über einen langen Zeitraum interessieren. 
Manchmal muss ich auch an einen Ausspruch denken, den ich in einem amerikanischen Creative-Writing-Buch gefunden haben: „Writers are readers who have spilled over“, also: Schriftsteller sind Leser, die übergeflossen sind. Was ich meine: Auch das eigene Lesen ist sehr inspirierend für das eigene Schreiben. 
Wie intensiv recherchieren Sie, bevor sie anfangen zu schreiben? Reicht Ihnen, eine ungefähre Idee von der Zeit und den Verhältnissen zu haben, oder möchten Sie es ganz genau wissen?
Ich würde nicht über etwas schreiben, von dem ich überhaupt keine Ahnung habe. Ich muss die Milieus wenigstens ein bisschen kennen, wissen, wie Menschen in einem bestimmten Lebens- und Arbeitszusammenhang ticken, wie sie reden. Deshalb würden für mich z.B. historische Stoffe von vorne herein ausfallen, sondern ich suche mir bewusst Settings, mit denen ich einigermaßen vertraut bin. In dem Fall die Yogaszene, aber auch Büroalltag, Frauencliquen etc. Dann recherchiere ich eher Details dazu oder lasse mich weiter inspirieren, im Fall der Mantramänner vor allem, in dem ich verschiedene Formen ausprobiert und mal zu einem Yogawochenende in einen „echten“ Ashram gefahren bin. 
Ich würde gern wissen, ob einem als Autorin die Namen für verschiedene Charaktertypen immer sofort einfallen. Ist es so, dass man eine Person „kreiert“ und sofort weiß, dass das ein oder eine XY sein muss? Oder wie besetzt man seine Figuren sonst mit Namen?
Tolle Frage! Tatsächlich gibt es manche Namen, die sind einfach sofort da – Evke, weil ich mal ein Kind mit diesem Namen kannte und dachte, das ist der perfekte Name für eine Frau, die gleichzeitig weiblich und burschikos ist und vielleicht ein bisschen naiv, und das Nordische passt auch zu meiner Romanfigur. Andere werden immer und immer wieder umbenannt. Zum Beispiel hieß Nadine über lange Zeit Sandra, aber etwas an diesem Namen war mir zu behäbig, zu wenig passend zu der Sexbombe mit dem großen Männerverschleiß. Gut, dass es die Suche/Ersetze-Funktion im Word gibt…. 
Haben Sie all die fernöstlichen Yoga-Techniken, die in „Mantramänner“ vorkommen, auch selbst ausprobiert? Welche ist Ihr Favorit?
Alles bis auf Luna Yoga, davon hat mir meine Nachbarin an einem sehr lustigen Abend erzählt, aber diese Richtung kommt auch nur auf einer halben Seite vor. Grundsätzlich mag ich eher Hatha Yoga, und gerade in letzter Zeit habe ich Jivamukti-Yoga für mich entdeckt, das ein bisschen sportlicher und dynamischer daherkommt, aber auf den klassischen Hatha-Yoga-Positionen beruht.
Hatten Sie bei der Covergestaltung Mitspracherecht?
Ich finde das Cover sehr schön, so wie es der Verlag mir gezeigt hat, hatte aber erst meine Zweifel, ob man mit diesem Cover gleich die richtige Assoziation verbindet („unterhaltsamer Frauenroman mit Yoga-Thema“). Nachdem aber alle Verlagsmitarbeiter so begeistert davon waren, habe ich mich der Mehrheitsmeinung angeschlossen und glaube, das war auch ganz gut so. 
Unter ihrem Pseudonym Janna Hagedorn haben Sie nun den Roman „Mantramänner“ veröffentlicht. Zuvor haben Sie unter Ihrem richtigen Namen veröffentlicht. Wie ist es zu diesem Pseudonym gekommen? Haben Sie geplant, dass Sie unter verschiedenen Pseudonymen schreiben wollen oder ist diese Idee nach und nach entstanden?
Ach, das ist gleichzeitig einfach und kompliziert. Geboren bin ich unter dem Namen Verena Carl, wobei Janna mein zweiter Vorname ist. Nachdem ich vor einigen Jahren geheiratet habe, heiße ich nun eigentlich Verena Hagedorn, habe aber weiterhin unter Verena Carl geschrieben, weil es problematisch ist, als Autorin seinen Namen einfach so zu ändern – das versteht ja niemand, dass es sich um die gleiche Person handelt. Im Fall der „Mantramänner“ hatte sich Eichborn (mein „Hauptverlag“) ein Pseudonym gewünscht, damit ich mir nicht selbst Konkurrenz mache, wenn demnächst dort ein neuer Roman unter Verena Carl erscheint. Also habe ich einfach meinen zweiten Vornamen und meinen echten, neuen Nachnamen benutzt – fertig war Autorenname Nummer zwei. 
Was tun Sie, wenn Sie grade nicht schreiben? Haben Sie bestimmte Schreibrituale?
Wenn ich gerade nicht schreibe, räume ich das Zimmer meiner Kinder auf, oder treibe mich auf Spielplätzen herum, oder recherchiere für journalistische Beiträge, oder stehe im Supermarkt an der Schlange, oder entspanne mich (ja! wirklich!) beim Yoga, oder nehme mir vor, meine einzige weiße Bluse zu bügeln, oder versuche, irgendwo in Hamburg-Ottensen in Ruhe einen Kaffee zu trinken, was selten gelingt. Ich verstehe genau, was Sie mit Schreibritualen meinen, aber die Wirklichkeit ist bei mir ziemlich prosaisch: Wenn es gut läuft, komme ich nach dem Kindergartenbringdienst morgens an den Schreibtisch und werde auch nicht um elf wieder angerufen, weil ein Kind Bauchweh hat. Dann schaffe ich fünf Seiten Rohfassung, bis ich um drei wieder los muss. Ein ritueller Milchkaffee dann und wann tut dabei allerdings ziemlich gut…. 
Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum? Gibt es ein Genre das Sie bevorzugen?
Viele, aber vielleicht doch eines besonders: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, von Milan Kundera. Weil der Autor es schafft, Philosophie und erzählte Geschichte, lebendige Menschen und das Handwerk des Schreibens gleichzeitig zum Thema zu machen, und weil es wenig Bücher gibt, die Weiseres zum Thema Männer und Frauen mitzuteilen haben. Weil ich  es immer wieder lesen kann und weil es mir in jedem Lebensalter etwas vollkommen neues über die Welt erzählt.  Was die Genres angeht: Ich mag am liebsten Bücher, die sprachlichen Anspruch und elegante Handlung miteinander verknüpfen – und davon gibt es leider nicht allzu viele.  
Welches Buch sollte Ihrer Meinung nach auf der Bestsellerliste stehen?
Dort stehen ja immer die Titel aus den aktuellen Programmen – und für das beste Buch, das ich in den letzten Wochen und Monaten gelesen habe, muss ich mir den Bestsellerplatz gar nicht wünschen, das hat ihn schon. Arno Geigers „Der alte König in seinem Exil“, ein ungemein berührendes erzählendes Sachbuch zum Thema Alzheimer, aber auch zu den viel größeren Fragen nach dem Wert des Lebens und dem Zusammenhalt menschlicher Beziehungen. 
Haben Sie literarische Vorbilder? Wenn ja welche?
Bei dieser Frage lande ich immer wieder bei amerikanischen Autoren – etwa Paul Auster, der es schafft, erzählte Geschichten und philosophische Fragestellungen meisterhaft zu verknüpfen. Wiederum: ein Vorbild wäre er für mich ja nur dann, wenn ich versuchen würde, ihm nachzueifern – und das ist nicht der Fall. Vielleicht könnte man es so sagen: Es sind eher einzelne Aspekte des Schreibens, die mich an anderen Autoren interessieren und denen ich ein wenig nacheifere, ohne deshalb meinen eigenen Stil verleugnen zu wollen. Etwa Judith Hermann für die Treffsicherheit, mit der sie sprechende Details auswählt, oder Jonathan Franzen für seine perfekte Verbindung von Familien- und Weltgeschichte. Aber genauso habe ich großen Respekt für Autoren, die genau den richtigen Ton zur richtigen Zeit treffen – etwa Unterhaltungs-Klassikern wie Eva Heller mit „Beim nächsten Mann wird alles anders.“
Arbeiten Sie schon an neuen Buchprojekten?
Ich bin in der letzten Überarbeitungsphase meines neuen Romans, der Ende des Jahres bei Eichborn erscheinen wird. Danach geht es weiter mit einem neuen Projekt für Diana – wieder ein unterhaltsamer Frauentitel, über den ich schon ziemlich viel weiß, von dem ich aber noch keine Zeile geschrieben habe.
Liebe Frau Hagedorn, ich danke Ihnen im Namen der Leser/innen für dieses ausführliche Interview und wünsche Ihnen für alle weiteren Buchprojekte alles Gute!
Die Bücher aus der Verlosung gingen bereits an
Anastasia T
Rebecca R.
Verena S.
 Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten“
Autorenfoto (c) Miriam Breig