Frau Hooge, wie sind sie auf die Idee gekommen genau diesen Roman zu schreiben, wo sie doch Lebensmittelallergiker sind und viele der beschrieben Mahlzeiten leider nicht essen können bzw. dürfen?
Von selbst wäre ich in der Tat nie auf die Idee gekommen, ausgerechnet einen Roman über das Essen zu schreiben. Ich hatte meinem Agenten eine Geschichte vorgeschlagen, die in einem ganz anderen Milieu spielt, und er meinte: Toll soweit, aber verlagern wir das Ganze doch in die Welt des Kochens und des Genießens. Da ich weder kochen und wegen meiner Allergien auch längst nicht alles genießen kann, habe ich erst gezögert und mich zunächst sehr schwer getan. Als ich dann mittendrin auch noch schwanger wurde und vor lauter Übelkeit kaum noch etwas bei mir behalten konnte, war ich kurz davor, das ganze Projekt zu kippen. Paradoxerweise bekam ich dann aber erst richtig Zugang zu der Geschichte, die plötzlich auf eine neue Kernidee zulief: Was macht eine Restaurant-Testerin, die vor lauter Schwangerschaftsübelkeit kaum noch geradeaus gucken kann, aber ständig vor gefüllten Tellern sitzt? Da meine Tochter untrennbar mit dem Roman verbunden ist, liegt mir das Buch, das ich in dieser Form erst gar nicht schreiben wollte, heute besonders am Herzen.
Wie kommt man eigentlich als Lebensmittelallergikerin auf die Idee, die Hauptperson eines Romans Restaurant-Kritikerin sein zu lassen? Woher nimmt man da die Erfahrung und den Hintergrund?
Restaurant-Kritiker sind ja letzten Endes nichts anderes als Journalisten, die von Berufs wegen essen. Da ich selbst Journalistin bin, habe ich mich auf diesem Terrain etwas sicherer gefühlt, als wenn ich zum Beispiel über das Liebesleben einer Köchin hätte schreiben müssen. Eine Kollegin von mir arbeitet tatsächlich als Restaurant-Kritikerin und hat viele meiner Fragen beantwortet. Für die Recherche habe ich zudem zahlreiche Bücher bekannter und unbekannter Gourmet-Experten und natürlich jede Menge Restaurant-Kritiken gelesen. Das hatte den schönen Nebeneffekt, dass ich viel über die Gastronomie-Szene meiner Wahl-Heimat Frankfurt erfahren habe – wenn ich mich als Jung-Mutter derzeit auch nicht besonders oft in Restaurants rumtreiben kann…
Naschen Sie gerne beim Schreiben und wenn ja, was am liebsten?
Studentenfutter, und zwar schüsselweise. Ich liebe Trockenobst, denn damit kann ich meine Lust auf Süßes unfallfrei befriedigen. Und Paranüsse sind für mich ein Must-have, am liebsten täglich.
Welche Lebensmittel verabscheuen Sie über alle Maßen, selbst wenn Sie sie essen dürften?
Ich hab’s wirklich nicht so mit Meeresfrüchten, schon bei dem Geruch wird mir ganz anders. Und Milch mochte ich noch nie – deshalb werfe ich mir auch keine Laktase-Tabletten ein, um trotz Laktose-Unverträglichkeit doch noch eine Quarkspeise verputzen zu können. Aber so richtig verabscheuen tue ich eigentlich nichts: Gerade weil ich mich beim Essen oft einschränken muss, bin ich neugierig auf das, was andere Leute auf dem Teller haben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten probiere ich auch relativ viel Neues aus, damit es nicht zu monoton wird auf dem Speiseplan.
Wie wichtig ist Essen in ihrem Leben und was ist für sie selbst ein „gutes Essen“?
Es ist sicherlich so, dass ich relativ viel über die nächste Mahlzeit nachdenke – insbesondere, wenn sie außerhalb stattfindet, zum Beispiel im Job. Da kreisen dann Fragen wie „Was ist drin?“, „Wird man davon auch satt?“ und „Warum erst so spät, verdammt noch mal?“ durch meinen Kopf. Ein „gutes Essen“ muss für mich in erster Linie idiotensicher sein, was die Zubereitung betrifft – zum Beispiel Kürbis-Gnocchi aus dem Biomarkt mit Zucchini und Karotten. Einfach in die geölte Pfanne werfen, Salz, Pfeffer, lecker. Das krieg sogar ich hin.
Gibt es ein Gericht, welches Sie gerne erfunden hätten und wenn, aus welchem Grund?
Gelbe Götterspeise, ein vom Aussterben bedrohtes Kulturgut. Warum sieht man immer nur grüne und rote im Kühlregal? Wer hat die Zeit, sich das Zeug ständig selber anzurühren? Sollte sich Dr. Oetker wirklich mal Gedanken drüber machen. Welches Essen ist für sie „Heimat“ oder „Familie“? Die selbst gebackenen Weihnachtskekse meiner Mutter. Die versetzen mich jedes Jahr mit nur einem Biss in meine Kindheit zurück. Für mich gibt es außerdem immer ein Christmas-Special: In Rum gebadete Trockenaprikosen, mit Marzipan und einer blanchierten Mandel gefüllt. Könnt ich mich reinlegen.
In welchem Land möchten Sie aus kulinarischen Gründen um nichts in der Welt leben? Auf die Gefahr hin, sämtliche Gourmets dieses Landes gegen mich aufzubringen: Frankreich steht bei mir in kulinarischer Hinsicht auf der roten Liste. Zuviel Käse, Austern und Weißbrot. Da hat mein Magen-Darm-Trakt wirklich nichts verloren.
Was darf es denn sein, liebe Lena? Der Besuch zu zweit im Edelrestaurant, ein Besuch mit der Familie im Schnellimbiss, ein romantisches Candlelight-Dinner am einsamen Strand oder doch das Picknick oder die Grillfete?
Als Ruhrpott-Kind mag ich es ja eher bodenständig: Currywurst mit Pommes und Gewürzketchup. Gerne auch an einer Autobahnraststätte oder an einem spärlich überdachten Stehimbiss im Regen. Da bin ich völlig schmerzfrei, solange die Portion ein entsprechendes Format hat. Ist Facebook für Sie ein Segen oder doch eher ein Fluch? Inspirieren Sie die Kommentare und Erlebnisse Ihrer Facebookfreunde/-bekanntschaften zu weiteren Buchprojekten?
Mein Bruder, ein Gegner sozialer Netzwerke, hat sich nach der Lektüre meines neuen Romans darüber beschwert, dass ich Facebook mindestens drei Mal erwähnt hätte. Das war mir gar nicht so bewusst, aber seit Facebook zu meiner Lebenswirklichkeit gehört, schummelt es sich immer öfter auch in die Handlung meiner Geschichten. Aus Autorensicht ist es jedenfalls ein Segen: Nicht nur, weil man für seine Bücher werben kann, sondern vor allem, um in Kontakt mit seinen Leserinnen und Lesern zu treten. Das Feedback, das ich hier erhalte, ist extrem hilfreich, und es beeindruckt mich immer wieder, worauf die Leser alles achten. Einige Anregungen setze ich beim Schreiben auch durchaus um. Ein Beispiel: Nach dem Erscheinen meines ersten Romans „Abgeferkelt“ haben viele Facebook-Freunde kritisiert, das Ende des Buches sei ihnen zu rosarot gewesen. Das ist bei Liebesromanen zwar tendenziell immer so, aber ich habe jetzt beim zweiten Buch versucht, am Schluss wenigstens eine Frage offen zu lassen.
Haben Sie ein absolutes Lieblingsbuch? Und was ist beim Lesen Ihr Beuteschema?
„Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen – für mich der beste Liebesroman überhaupt, vereint er doch Romantik, Ironie und Gesellschaftskritik. Was das Beuteschema betrifft: Ich mag klassisch erzählte Geschichten jedes Genres, die nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben sind. Insbesondere beim Liebesroman stört es mich, als Leserin durch die Ich-Perspektive der Autorin oder der Hauptfigur eingeschränkt zu werden – schließlich will ich auch wissen, was in den Köpfen der übrigen Charaktere vorgeht.
Gibt es Orte, Umstände oder Zeiten, die auf Sie besonders inspirierend wirken und in denen Ihnen das Schreiben besonders leicht fällt?
Bis vor kurzem hätte ich auf diese Frage geantwortet: Am liebsten schreibe ich morgens nach dem Aufstehen bei einer Tasse Tee. Berufsbedingt fand das bisher immer nur am Wochenende oder im Urlaub statt. Seit meine Tochter auf der Welt ist, verlagern sich meine Schreibaktivitäten auf die Nachtstunden, mit durchwachsenem Erfolg. Vom Biorhythmus her bin ich eigentlich ein Morgenmensch – mal sehen, wie sich das demnächst einpendelt.
Wie sieht Ihr „Schreiballtag“ aus? Gibt es z.B. einen Terminplan, wann Sie schreiben, Mails beantworten etc.? Im Moment schaffe ich es nicht, vor 22 Uhr am Computer zu sitzen. Mails und Facebook checke ich dann bewusst nicht, das würde mich zu sehr ablenken. Je nach Kondition und Müdigkeit verbringe ich dann zwei bis vier Stunden damit, den Text zum meinem neuen Buch „Schnucken gucken“ zu überarbeiten oder aber das Exposé für meinen darauf folgenden Roman zu vervollständigen. Das mache ich allerdings nicht täglich, sonst würde ich mein Baby irgendwann vor lauter Übernächtigung in der Straßenbahn vergessen.
Wie entscheidet man sich als Schriftsteller für ein Genre?
Wahrscheinlich sind die eigenen Lese-Vorlieben ein bisschen mitverantwortlich für das, was man später selber schreibt. Ich habe mir schon als Zwölfjährige die Liebesromane meiner Oma stibitzt und heimlich unter der Bettdecke gelesen. Als Studentin hatte ich dann eine Phase, in der ich auf der Judith Hermann-Welle schwimmen und ein paar melancholische Kurzgeschichten in die Welt setzen wollte, aber das passte eigentlich nicht zu mir und war auch nicht von Erfolg gekrönt. Erst, als ich unfreiwillig arbeitslos wurde und zusehen musste, wie ich mich irgendwie über Wasser halte, kam mir der Gedanke, es selbst mal mit einem Liebesroman zu versuchen. Zwei Jahre lang habe ich dann Heftromane geschrieben, eine harte Schule. Bis zur Veröffentlichung meines ersten „richtigen“ Romans bei Droemer Knaur hat es dann noch neun weitere Jahre gedauert.
Sie schreiben auch unter dem Namen Andrea Hackenberg – wie kam es zu dem Pseudonym, obwohl ja der Verlag der gleiche ist?
Für das Pseudonym haben wir uns entschieden, um den Roman „Bauchgefühle“ inhaltlich von meinen Heidegeschichten abzugrenzen, die eine etwas andere, stellenweise etwas robustere Tonart haben. Unter dem Namen Lena Hooge lebe ich meine gefühlvollere, ernstere Seite aus, während bei Andrea Hackenberg schon mal eine Leiche umgetopft wird. Ich bin gespannt, wie das neue Konzept bei den Leserinnen ankommt.
Ich habe noch nie ein Buch von Ihnen gelesen. Warum sollte ich Ihrer Meinung eins von Ihnen lesen? Was ist das Besondere an Ihren Büchern?
Hm. Ich schaffe es FAST immer, ein possierliches Tierchen in der Handlung unterzubringen. „Bauchgefühle“ ist da leider eine unrühmliche Ausnahme, aber im dazugehörigen Mini-eBook „Appetithappen“ mache ich dieses Manko wieder wett. Vom biologisch-dynamischen Turbo-Schwein über die Heidschnucke mit Profilneurose bis hin zum scheintoten Hund in der Prada-Tüte hatte ich jedenfalls schon alles dabei. In meinem nächsten Roman „Schnucken gucken“ gehen gekidnappte Hermeline und ausgebüxte Füchse an den Start. Eigentlich fehlt nur noch die Steinlaus in meiner Sammlung. Aber da arbeite ich dran.
Liebe Lena, ich wünsche dir, dass die Steinlaus nicht mehr lange auf sich warten lässt und für alle weiteren Projekte alles Gute!
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Yag Mur
Heidi
Anastasia T.
Rebecca Kiwitz
Julia Mohr
Marie Lanfermann
Melanie Truhöl
Stephanie Weibel – Wallner
Nadja Schettler
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten”
4 thoughts on “Interview mit Lena Hooge”
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Hallo Rici,
wieder ein schönes Interview das ich sehr gerne gelesen habe und ich freue mich auch riesig das ich unter den Gewinnern bin, mein Leseherbst ist gerettet.
Viele Grüße und vielen Dank
Rebecca
Ach, so ein schönes Interview. Vielleicht kommt die Autorin doch noch auf den Geschmack und kocht häufiger, denn sicherlich wollen einige Facebook-Freunde und Leser sie dazu verführen.
Facebook-Gegner war ich auch mal – aber hey, es liegt doch an einem selbst, wieviel man von sich selbst preisgibt. Und nach einiger Zeit kann ich sagen, dass Facebook „gar nicht so Schlimm“ ist, sondern man dort auch nette Kontakte knüpfen kann. Und Spinner gibt es überall – auch im wahren Leben.
ABGEFERKELT habe ich zwar nicht gelesen, erinnere mich aber an das sße Cover. Dass Autoren in verschiedenen Genre und unter verschiedenen Namen schreiben, das ist eher üblich. Sonst würde es heißen: „Aber der Autor A schreibt doch nur Krimis, also lese ich das neue Buch von ihm nicht!“ – Daher gibt es oft ein Pseudonym, was ich auch nicht schlimm finde.
Übrigens ziehe ich auch die rustikale Location einem Sternerestaurant vor. Statt Hummer (dessen Verzehr ich ablehne) doch lieber die Grillwurst mit Kartoffelsalat – in lockerer Atmosphäre.
Tiere in Büchern mag ich übrigens auch gerne. Und selbst eine Schwangerschaftsübelkeit kann sich also inspirierend auswirken.
Danke an die Losfee, ich freue mich über die BAUCHGEFÜHLE.
LG,
Heidi, die Cappuccino-Mama