Ich käme mir schäbig vor, mit dem Leid und dem Schmerz anderer mein Geld zu verdienen. Morde sind nun mal nicht lustig.
Liebe Petra Hammesfahr, ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mir und den Lesern meines Blogs Rede und Antwort zu stehen.
Sie schreiben seit Jahren einen Krimi/Thriller nach dem nächsten. Wie schwer fällt es Ihnen dabei, immer wieder mit neuen, überraschenden Ideen aufzuwarten? 
Das ist unterschiedlich. Manche Ideen kommen komplett – ungefähr so, als würde mir jemand die Geschichte erzählen. In solchen Fällen brauche ich nur mitzuschreiben. Was ich auch umgehend tue, dafür lasse ich alles andere liegen. Leider ist das nicht so oft der Fall, wie es mir lieb wäre.
Andere Ideen tauchen in Einzelszenen auf. Die trage ich oft jahrelang mit mir herum, ehe genug Stoff für einen Roman beisammen ist. Mir ein bestimmtes Thema vorzunehmen und daraus einen Roman zu entwickeln, habe ich noch nicht versucht. Bei der Methode kommen bei mir nur Drehbücher heraus, denen die Schauspieler dann Leben einhauchen müssen.
Wie kommen Sie zu den Namen ihrer „Helden“ und ganz speziell hier auf den Alex Junggeburt? Diesen Familiennamen finde ich sehr ungewöhnlich. Hat er eine spezielle Bedeutung für Sie?
Namen und Figuren gehören zusammen. Alex hieß schon Alexander Junggeburt, als mir „Die Schuldlosen“ zum ersten Mal mit der Friedhofsszene durch den Kopf geisterten. Eine Figur umzubenennen – auf Anraten des Literatur-Büros Düsseldorf – habe ich bisher erst einmal versucht und bin kläglich daran gescheitert.
Wie lange haben Sie an so einem umfangreichen Roman wie „Die Schuldlosen“ gearbeitet?
Insgesamt etwa zwei Jahre, allerdings nicht an einem Stück. „Die Schuldlosen“ sind über einen Zeitraum von sechs bis acht Jahren gewachsen, genau kann ich das nicht einmal mehr sagen. In diesem Zeitraum habe ich immer wieder daran gearbeitet, einzelne Szenen wie der Prolog, die geköpften Rosen und die wundersame Menschwerdung waren von Anfang an da. Der gesamte Rest kam nach und nach dazu. Und ganz zuletzt, als ich schon über 200 Seiten hatte, meldete sich Alex persönlich zu Wort mit seiner Haftentlassung. Da musste ich noch einmal von vorne anfangen.
Ich stelle es mir schwierig vor, immer neue Personenkreise zu „erfinden“, man fängt immer wieder von vorne an und hat nicht wie bei Serien einen festen Punkt an dem man sich orientiert. Ich stelle mir Ihre Art zu schreiben schwieriger vor. Wie sehen Sie das und warum haben Sie sich für Ihre Art des Schreibens entschieden?
Gerade das reizt mich. Ich fange mit jedem Roman bei null an. Zwar gibt es inzwischen auch bei mir Figuren, die schon mehrfach aufgetaucht sind wie Kriminalhauptkommissar Arno Klinkhammer, der in mittlerweile drei Romanen an den polizeilichen Ermittlungen beteiligt war. Die Strafverteidigerin Doktor Greta Brand hat auch schon mehr als einen Mandanten vor Gericht vertreten, mit Mädchennamen hieß sie übrigens Baresi.
Aber bei mir stehen die Opfer im Vordergrund einer Geschichte, da wäre es schwierig, eine Serienfigur realistisch darzustellen. Wie viel soll ich einem Menschen denn zumuten?
Abgesehen davon finde ich Serienfiguren allenfalls in einem Tatort oder einer 45 minütigen Serienfolge im Fernsehen erträglich. In einem Roman langweilen sie mich. Mich interessieren weder die Beziehungsprobleme eines Kommissars noch die hausfrauliche Unzulänglichkeit einer Kommissarin. Meist sind das nur noch Klischees, weil eben alles schon mal da war. Und genau das – das etwas schon mal da war -, versuche ich zu vermeiden. Was natürlich mit gewissen Risiken verbunden ist.
Es kann passieren, dass der eine oder andere Roman nicht so gut bei den Lesern ankommt. Das nehme ich in Kauf. Es hat sich mal eine Dame nach einer Lesung verabschiedet mit dem Hinweis: „Ich kaufe kein Buch, bei dem ich mitdenken muss.“ Was sollte ich darauf erwidern?
Wenn sie eine Idee zu einem Buch haben, bekommt der Ablauf eine Eigendynamik, die man nicht vorhersehen kann?
Das ist mir bisher nur einmal passiert, im allerersten Taschenbuchkrimi, den ich sozusagen auf Bestellung schrieb. Ich hatte eine Szene im Kopf und habe im Gespräch mit einem Lektor rasch ein paar Bilder drum herum verteilt. Der Roman hatte schließlich mit der ursprünglichen Idee nichts mehr gemein. Ich hätte eben nicht so voreilig erzählen dürfen, wie es weitergehen könnte.
Mich würde sehr interessieren, was Sie inspiriert, Ihre Kriminalromane zu schreiben. Halten Sie sich an wahre Kriminalfälle oder konstruieren Sie die Geschichten alle selbst?
Die sind alle meinem Kopf entsprungen. An wahren Geschichten habe ich mich noch nie versucht. Mir sind zwar schon einige angeboten worden, aber ich käme mir schäbig vor, mit dem Leid und dem Schmerz anderer mein Geld zu verdienen. Morde sind nun mal nicht lustig.
Es ist doch relativ schwierig sich als Mensch ohne kriminelle Vergangenheit in die Psyche von Tätern zu versetzen. Wie schafft man es, trotz der Fülle von Krimis immer solch extravagante Bücher zu schreiben?
Extravagant nehme ich jetzt mal als Kompliment. Früher hieß das schlicht: „So wie Sie schreibt kein Mensch.“ Was mir in den zehn Jahren, in denen ich 159 Absagen gesammelt habe, nicht gerade zum Vorteil gereichte.
Mich in die Psyche von Tätern oder Opfern zu versetzen, fällt mir nicht schwer. Als ich mit 17 zu schreiben begann, hatte ich schon die ersten dicken Psychologie-Wälzer gelesen. Unser damaliger Hausarzt interessierte sich sehr für diese Thematik und gestattete mir, mich in seiner Bibliothek zu bedienen. Später kam ein bisschen Parapsychologie, sehr viel Kriminalpsychologie, Medizin, Forensik und etwas Jura hinzu.
Und als kleines Kind habe ich leidenschaftlich gerne Theater gespielt, da musste ich auch jedes Mal eine andere Person sein, mal das arme Aschenputtel und mal die böse Stiefmutter. Es hat auch Spaß gemacht, mal abgrundtief böse sein zu müssen.
Kann man Sie in nächster Zeit auf einer Ihrer Lesungen treffen?
17. April Hildesheim
18. April Celle
19. April Hannover
Das sind die nächsten Termine, die ich zurzeit kenne und auf Facebook noch genauer bekannt geben werde. Übers Jahr verteilt kommen sicher noch einige hinzu. Darum kümmert sich der Rowohlt Verlag.
Wollten sie schon immer Bücher schreiben oder hatten Sie eigentlich einen anderen Berufswunsch?
Wenn man vom Wunsch der Vierjährigen absieht, die unbedingt Theater spielen wollte, war Schreiben für mich ein unbedingtes Muss. Sonst wäre mir wahrscheinlich irgendwann der Kopf geplatzt vor lauter Geschichten.
Ich würde gerne wissen, wie ihr Arbeitsplatz aussieht.
Ganz unspektakulär: Schreibtisch, Aktenschränke und das große Bücherregal mit den Schätzen, die ich in den vergangenen Jahrzehnten gelesen und geschrieben habe.
Woher stammt Ihr Name? 
Den Vornamen haben mir meine Eltern gegeben, den Nachnamen habe ich von meinem Mann übernommen. 
Sie wohnen in der Nähe von Köln. Sind Sie Karnevalistin?
Ich mag Büttenreden, Karnevalsumzüge und fröhlich feiernde Menschen. Aber ich mag keine grölende, betrunkene Masse, deshalb halte ich mich lieber fern vom Trubel.
Wie sieht der Tagesablauf eines Autors aus? Haben Sie eine feste Zeit wie z.B. von 06.00 bis 11.00 Uhr und den restlichen Tag vergessen Sie sie Geschichte und die Personen oder ist es eher so, dass Sie die Geschichte und die Personen eine Zeitlang Ihres Lebens kontinuierlich begleiten? Und wenn ja, wie werden Sie diese nach Abschluss des Buches wieder los?
Wirklich los lassen die mich nie. Aber viele sind so rücksichtsvoll und stören nicht bei der Arbeit.
Von 10:30 bis 17:30 Uhr sitze ich am Schreibtisch. Dann schalte ich den Computer aus. Bei meinem Kopf ist mir das noch nie gelungen. Mein Mann hat einmal gesagt, er wüsste nie so genau, zu wem er abends heimkommt. Aber so bleibt eine Ehe auch nach 33 Jahren noch spannend. 
Ich hätte gern gewusst, welches Buch Ihr Lieblingsbuch ist.
Von meinen eigenen immer das, an dem ich gerade arbeite.
Von anderen Autoren nenne ich seit 30 Jahren immer noch „Das Mädchen auf der Schaukel“ von Richard Adams. Irgendwann habe ich das so oft erwähnt, dass es zu einer Neuauflage kommt.
Wenn Sie Lesungen oder Signierstunden (z. B. auf der Buchmesse) halten, sind Sie dann sehr aufgeregt? Falls ja, was ist aufregender: Lesung oder Signierstunde? Und was macht Ihnen mehr Spaß?
Aufgeregt bin ich nie, nervös würde ich nur, wenn das Publikum ausbliebe.
Bei einer Lesung genieße ich es, zu sehen, wie die Zuhörer reagieren und sich in die Geschichten hineinziehen lassen. Bei einer Signierstunde ergibt sich eher die Gelegenheit zu einem kurzen, persönlichen Plausch. 
Haben Sie Angst, dass Ihnen irgendwann die Ideen für Ihre Bücher ausgehen? Und wie würden Sie als Autorin damit umgehen?
Wenn mir irgendwann nichts Neues mehr einfällt, nehme ich mir den Ordner „Ideen“ auf der Festplatte vor, in dem ich seit 20 Jahren all die Szenen und Gedanken sammle, die mir frühmorgens oder abends unvermittelt in den Sinn kommen.
Das ist morgens sozusagen meine erste Amtshandlung, wenn mir etwas eingefallen ist, wird das notiert, ehe ich mich in den aktuellen Roman vertiefe.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit als Ausgleich zum Schreiben?
Viel Freizeit habe ich gar nicht. Ich nehme mir morgens eine Stunde frei für sportliche Aktivitäten. Deshalb sitze ich nicht mehr wie früher schon um acht am Schreibtisch. Allerdings sollte man nicht glauben, wie gut sich bei Kniebeugen und Situps mit Kurzhanteln oder auf dem Hometrainer diverse Fäden spinnen lassen.
Liebe Frau Hammesfahr, ich bedanke mich von Herzen – auch im Namen meiner Blogleser – für dieses ausführliche Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Tanja D.
Melanie T.
Christine H.
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten”

3 thoughts on “Interview mit Petra Hammesfahr

  1. Mit der letzten Antwort trifft die Autorin ins Schwarze. Denn beim Sport lässt es sich wunderbar überlegen und man hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

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