Natürlich hätte ich auch gern die Harry-Potter-Romane geschrieben, dann könnte ich mir endlich alle Schuhe und Handtaschen kaufen, die mir gefallen
Liebe Frau Schröder, bei Umzug ins Glück muss die Protagonistin Mia ja so einige Schwierigkeiten auf einmal meistern. Waren Sie selbst schon einmal in einer ähnlichen Situation, in der Sie gedacht haben, es bricht alles um Sie herum zusammen?
Vermutlich erlebt jeder mal sowas, wenn es an keiner Stelle so richtig rund läuft. Nur habe ich im Gegensatz zu Mia (zumindest am Anfang) einen Mann, der mich dann wieder erdet und mir hilft, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Denn ehrlich gesagt, könnte doch alles noch viel schlimmer sein – jedenfalls für Mia. Oder?
Wie viel „Ursula Schröder“ steckt in Ihren Büchern? Haben Sie die Begebenheiten aus dem Buch alle selbst erlebt oder handelt es sich um allg. Erlebnisse auch von anderen Personen?
Autobiografisch sind die Begebenheiten nicht. Es ist eher so, dass ich ein neugieriger Mensch bin, viel lese, andere beobachte und mich immer wieder frage: was wäre, wenn dem zu diesem Zeitpunkt das und das passiert… was könnte hier schief gehen und wie kommt man da wieder raus?
Was von mir in den Büchern steckt, ist vermutlich eher meine Denkweise, mein Geschmack, mein Art, an Dinge heranzugehen. Meine Freunde erkennen das wieder. In einer Kritik hat mal eine Leserin geschrieben „So redet kein Mensch“ – und der muss ich widersprechen, zumindest ich rede so. Ehrlich.
Wo finden Sie Ihre Inspiration?
Durch Beobachtungen, Erzählungen von anderen, Notizen in der Zeitung… da kommen viele Details her. Die große Linie entsteht eher aus einer Grundfrage, in diesem Fall etwa „Was passiert, wenn eine eher bewahrende, nicht besonders veränderungsfreudige Person durch Dinge in ihrem Leben zur Veränderung genötigt wird? Wenn sie das Horten von Dingen grundsätzlich in Frage stellen muss?“ Auslöser war eine Haushaltsauflösung in der Verwandtschaft. Da bin ich (eigentlich auch Sammler und Jäger) doch schwer ins Grübeln gekommen.
In der Kurzbiografie über Sie auf www.herzgedanke.de las ich, dass Sie Englisch und Geschichte studiert haben. Wie genau sind sie danach zum Schreiben gekommen? Hatten Sie schon immer ein „Händchen“ für Literatur und eine Leidenschaft fürs Schreiben oder kam diese mit der Beschäftigung mit der Sprache durch ihr Studium?
Ich glaube, dass die Liebe zur Sprache schon immer da war. Ich lese gern und viel, ich mag Sprachen, mir fällt es relativ leicht, sie zu lernen, ich kann auch ganz passabel Dialekte nachmachen, genau wie mein Vater (also wohl vererbt). Ich habe auch schon als Kind davon geträumt, einen Roman zu schreiben. Dass es trotzdem fast fünfzig Jahre gedauert hat, liegt vielleicht daran, dass ich lange gebraucht habe, um so ein zeitaufwändiges Projekt anzugehen. Ich denke, das war auch besser so. Frühere Ansätze finde ich heute ziemlich stümperhaft und nicht sehr originell. Aber irgendwann habe ich mir gesagt: „Wie lange willst du noch davon träumen?“ Und dann habe ich es versucht.
Sie arbeiten nun schon seit 11 Jahren als kreative Texterin der Text und Ideenwerkstatt. Ist es Ihnen immer gelungen, kreativ zu sein? Was tun Sie in wirklich schwierigen Fällen?
Ich halte viel von Brainstorming, ob mit anderen oder allein. Erst mal alles sammeln und nicht sofort bewerten. Dann damit herumspielen, ob dazu nicht irgendwas passiert – oft gibt es dann einen „Klick“, und es geht weiter, auch wenn das noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wenn gar nichts mehr hilft, gehe ich erst mal bügeln (der Vorteil der Selbstständigkeit mit Büro zuhause). Manches muss eine Zeit lang gären, bis es sich entwickelt. In der Textwerkstatt ist es allerdings häufig so, dass es nicht nur um Kreativität, sondern reines Handwerk geht: recherchieren, gliedern, sachlich schreiben. Ich verfasse da oft sehr technische Sachen. Da sehnt man sich manchmal regelrecht nach kreativeren Möglichkeiten. Eine totale Schreibblockade hatte ich noch nie.
Wie war das Gefühl, als Sie Ihr erstes Buch veröffentlicht haben und ein positives Feedback der Öffentlichkeit erhielten?
Schwer zu beschreiben. Natürlich war ich stolz, aber dann wieder war mir die Aufmerksamkeit fast peinlich. Allerdings hält sich das auch sehr in Grenzen. Selbst als bei dtv veröffentlichte Autorin ist man noch nicht prominent, vielen Leuten bedeutet das nichts. Und meine Familie sorgt schon dafür, dass ich auf dem Teppich bleibe.
Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der ebenfalls als Autor/in Erfolg haben möchte?
Zum Schreiben: erst mal viel lesen, immer wieder der Sprache der anderen Autoren nachspüren: warum gefällt mir das (nicht), wie wirkt das? Würde ich das auch so beschreiben? Was finde ich daran toll, was stört mich? Bin ich eher ein ausschweifender Erzähler oder ein sehr sachlicher? Hat meine Geschichte einen spannenden Anfang, eine zunehmende Entwicklung, eine zufriedenstellende Auflösung?
Meine Empfehlung ist auch immer, über das zu schreiben, was einem persönlich naheliegt – also nicht über schottische Adlige oder bolivianische Drogenhändler, es sei denn, man kennt tatsächlich welche. Und immer wieder kritisch drübergehen und sich nicht nur auf das Lob der besten Freundin verlassen.
Was das Veröffentlichen angeht: ich habe gute Erfahrungen mit der Vermarktung über eine Agentur gemacht. Wer direkt an Verlage herangeht, muss entweder lange warten und bangen, ob irgendwann jemand die Zeit findet, das Manuskript zu prüfen. Oder er gerät an Zuschussverlage, die ihm Geld abnehmen wollen statt welches zu zahlen. Davon halte ich nichts, es sei denn, man tut das ganz bewusst, weil man seine Lebenserinnerungen für Freunde und Familie drucken lassen möchte. Aber selbst das kann man vermutlich billiger haben. Also: Finger weg von den Kleinanzeigen, die Autoren suchen!
Hatten Sie selbst schon Ihren persönlichen „Umzug ins Glück“?
Das klingt jetzt vielleicht etwas rührselig, aber als ich vor über dreißig Jahren mit meinem Mann in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen bin, das war schon so was. Zum Glück lebt er noch, deshalb bin ich nie in Mias Lage gekommen.
Mussten Sie schon oft umziehen?
Zweimal mit meinen Eltern und dreimal mit meiner eigenen Familie – aber immer innerhalb desselben Ortes. Ich glaube, das nennt man bodenständig. Ach ja, und jede Menge natürlich als Helferin mit Freunden und Verwandten. Da erlebt man auch so allerhand.
Was bedeutet für Sie Glück?
Schwierige Frage. In erster Linie vermutlich, dass man weiß, wo man hingehört. Ich bin in vieler Hinsicht ein privilegierter Mensch: intakte Ehe und Familie, es geht uns wirtschaftlich gut, ich kann meine Stärken und Fähigkeiten beruflich und privat ausleben, ich habe (durch die Bodenständigkeit) viele langjährige und intensive Freundschaften, ich engagiere mich in dem Sozialen Bürgerzentrum unserer Stadt und sehe, dass ich da etwas bewegen kann. Und als aktives Mitglied einer evangelischen Freikirche weiß ich auch hinsichtlich meines Glaubens, wo ich richtig bin – einschließlich einer unerschütterlichen Jenseitshoffnung. Das heißt nicht, dass ich immer glücklich bin. Ich lasse mich ziemlich oft durch einzelne Dinge runterziehen, leider.
Mia richtet sich in Ihrem Roman ihr Traumhaus ein. Wie würde Ihr Traumhaus ausschauen?
Vor zwanzig Jahren hatten wir unser Traumhaus gefunden: eine alte Villa mit großem Garten und viel Platz für die Familie, mitten in einer tollen Nachbarschaft. Inzwischen träume ich eher von etwas Kleinerem, Modernem. Es müsste energiesparend und seniorengerecht gebaut sein, damit wir unser restliches Leben darin verbringen können. Möblieren würde ich es sehr schlicht und reduziert, nur meine Bücherregale müssten darin Platz finden, am besten in der Nähe des Kamins mit einem gemütlichen Sofa. Und eine neue Küche wäre nicht schlecht, mit Dampfgarer und einem riesigen Kühlschrank.
Haben Sie, ähnlich wie die Hauptperson Mia eine Sammelleidenschaft und wenn ja, was sammeln Sie?
Es gab eine Zeit, da konnten mein Mann und ich an keinem Trödler, keinem Flohmarkt und keinem Antiquitätengeschäft vorbeigehen, ohne nach kleinen Holzkästchen zu suchen. Inzwischen stehen viel zu viele davon bei uns herum. Wir versuchen uns insgesamt von Sachen zu trennen, damit unsere Kinder nicht irgendwann das alles in den Container werfen müssen. Man kann auch mit weniger Zeug glücklich sein.
Leider habe ich noch eine andere Leidenschaft, und das hat mit Nähen, Stricken und Schmuckbasteln zu tun. So sehr ich mich bemühe, meine Vorräte überschaubar zu halten, irgendwie wachsen sie immer wieder nach. Ich kann es auch nicht erklären.
Sind die Personen über die Sie schreiben wirklich „typische Sauerländer“ oder könnten diese nicht auch in einer anderen Region Deutschlands beheimatet sein?
Schwer zu sagen. Gibt es in der heutigen Zeit hoher Mobilität und intensiver Kommunikation auf allen möglichen Wegen überhaupt noch Menschen, die für eine Region typisch sind, oder vermischt sich das alles? Ich kenne schon ganz unterschiedliche Sauerländer. Aber ich versuche das Lebensgefühl in einer Kleinstadt wie bei uns zu beschreiben. Das ist schon anders als in Hamburg oder München. Wenn sich da auch ein Ostfriese oder ein Thüringer wiedererkennt, ist das ja nicht schlimm.
„Umzug ins Glück“ lässt den Eindruck entstehen, dass gerade unvorhergesehene oder eher unerwünschte Situationen (man denke an Mias Konfrontation mit Nick) zum Glück führen können. Haben Sie selbst schon einmal eine solche Situation erfahren?
Meine Theorie ist, dass immer dann etwas passiert, wenn man denkt, es wäre alles stabil. Das sind vielleicht nicht immer so dramatische Ereignisse wie Tante Paulas Unfall, aber im Leben verändert sich doch ständig etwas. Dann kommt es darauf an, was man daraus macht. In der Rückschau sehe ich jedenfalls in meinem Leben so einige Dinge, die ich mir sicher nicht so ausgesucht hätte, die aber langfristig Vieles zum Positiven beeinflusst haben, an denen ich ein Stück erwachsen geworden bin. Das ist nicht immer lustig, wenn man mittendrin steckt, aber wenn man auf Dauer so ein „Paris-Hilton-Luxusleben“ führen würde, dann gäbe es wohl keine Reifungsprozesse.
Welches Buch hätten Sie gerne selbst geschrieben?
Darf ich mehrere nennen? „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen ist für mich das absolute Lieblingsbuch. „Die Zürcher Verlobung“ von Barbara Noack ist seit meiner Kindheit meine Steilvorlage für lustige, lesenswerte Unterhaltung. Und alles von Jennifer Cruise und Marian Keyes, die mancherorts völlig zu Unrecht in eine sehr seichte Ecke gestellt werden – vielleicht hat das mit den blödsinnigen Titeln zu tun, die ihre deutschen Bücher haben. Sie sehen, das sind alles eher witzige Romane mit Happyend. Ich hoffe, dass man irgendwann nicht nur Bücher mit trostlosem Inhalt für anspruchsvolle Literatur hält. Mich führen die meistens in eine depressive Verstimmung.
Nachsatz: Natürlich hätte ich auch gern die Harry-Potter-Romane geschrieben, dann könnte ich mir endlich alle Schuhe und Handtaschen kaufen, die mir gefallen. Aber ich wollte ja nichts mehr sammeln.
Steht schon ein neues Buchprojekt an und können Sie darüber etwas verraten?
Nächstes Jahr im Sommer gibt es einen neuen Roman bei dtv, dessen Titel uns leider noch nicht eingefallen ist. Aber es geht um eine Frau jenseits der Fünfzig, die nach einer neuen Aufgabe sucht, nachdem ihre Kinder aus dem Haus sind. Eher unfreiwillig gerät sie dabei in eine Familie im Hartz-IV-Milieu und muss feststellen, dass ihre Versuche, dort zu helfen, nicht immer von Erfolg gekrönt sind. Weitere Ideen sind in Arbeit, aber noch nicht durchgegart und abgeschmeckt.
Liebe Frau Schröder, ich danke Ihnen – auch im Namen der Leser – von Herzen für dieses ausführliche und spannende Interview.
Die Bücher aus der Verlosung gehen
Miriam K.
Tanja R.
Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten“