IMG_2746Ich bin ja durch die letzten Lesungen – bis auf wenige Ausnahmen – mittlerweile einiges gewohnt und auf etliches gefasst gewesen, was den gestrigen Abend angeht. Die Vorfreude war riesig, aber irgendwo hatte ich unterschwellig Angst so abgefertigt zu werden wie bei Hape Kerkeling oder so gelangweilt wie bei Domian. Allerdings konnte ich mir das so richtig nicht vorstellen, aber ihr kennt sicher diese leisen Zweifel, die doch immer mal wieder an die Oberfläche wollen, oder?
Was mich dann erwartete war der wohl abwechslungsreichste (Lesungs)Abend des Jahres! Ich habe Tränen gelacht, geweint und bin mit vielen leisen nachdenklich Untertönen nach Hause gefahren.
Jenke von Wilmsdorff brauchte keine Anmoderation. Der Abend begann mit einer kurzen Diashow von Bildern seiner Reportagen. Im Flüchtlingsboot, im australischen Dschungel, mit Joey Kelly oder als Rico Diamond.
Rico Diamond? Ja! Als angehender Schlagersänger wollte Jenke nämlich 2006 wissen, ob man mit mittelmäßiger Performance und ebenso schlechtem Gesang zu DSDS schaffen könnte und kehrte rotzfrech bei Dieter Bohlen in die Garderobe ein, um sein Glück zu versuchen. Das Experiment wurde als Opening eingespielt und der Saal war prompt am Jubeln und Lachen. Als Jenke von Wilmsdorff dann jedoch  mit dem Mikrofon in der Hand und einer – sagen wir mal – extravaganten Tanzeinlage die Bühne betrat und seinen Song live vortrug tobte das Publikum. Ich habe Tränen gelacht, im wahrsten Sinne des Wortes.

Natürlich berichtete er im Anschluss an diesen einprägsamen Auftritt wie es dazu kam und was der Hintergedanke war, und somit begann ein Abend, der mir letztendlich offenbarte, dass nicht alles was bei RTL läuft Blödsinn ist! Nicht umsonst wurde Jenke bereits für den EMMY nominiert.
Jenke von Wilmsdorff berichtete von Ängsten, von Träumen, von Erfahrungen, die ihn verändert haben und ich bin mir sicher, dass er durch seine Arbeit sehr viel für sich selbst lernt und daraus die Kraft zieht, solche Reportagen zu machen wie er sie eben macht. RTL möchte gerne mehr davon. Acht bis zehn im Jahr! Jenke nur vier bis fünf, denn es ist nicht nur körperlich, sondern auch seelisch eine enorme Belastung die Erfahrungen zu verarbeiten, sagt er. So beispielsweise die Woche im Hospiz, in der er die Angst vor dem Tod etwas verringern konnte. Die Angst WIE er stirbt ist allerdings immer noch da, und ich glaube die haben wir alle, oder? Nicht, dass man stirbt, sondern WIE.
Der Tod war gestern Abend mehrfach ein Thema. In Form eines Interviews mit einem Auftragskiller, das als Einspieler gezeigt wurde oder als schlechteste Option für die Flüchtlinge, die Jenke im Flüchtlingsboot von der Lybischen Grenze zur italienischen Insel Lampedusa begleitete. Jedoch war dieser Abend keineswegs traurig, sondern es wurde auch sehr viel gelacht!! Es ist wie im wahren Leben: Lachen und Weinen liegt oftmals sehr nah beieinander…
Ich bin danach sehr nachdenklich ins Bett gegangen, denn viele seiner Worte haben mich tief im Innersten getroffen. Ein Satz hat mich sogar ganz spontan zu Tränen gerührt. Und ein Zitat hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil es den Nagel auf den Kopf trifft:
„Jede Ausrede, sogar jene, die uns selbst überzeugt, ist eine Chance weniger.“ Franz Simon
In diesem Sinne werde ich von diesem Lesungsabend mehr mitnehmen als die Erinnerung an Rico Diamond. Nämlich, dass wir nur diese eine Chance haben hier zu sein und die sollte genutzt werden. Wer wagt, gewinnt!
© Ricarda Ohligschläger
 
 

3 thoughts on “Lesung von Jenke von Wilmsdorff in Köln

  1. Danke für diesen ausführlichen Bericht! Schade, das ich nicht dabei sein konnte!!!

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