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Oliver Pötzsch

Rezensionen/ Rezensionen Historische Romane

Heike Koschyk und Alf Leue (Hrsg.) – Die vierte Zeugin

Wenn sich zwölf namhafte Autoren zusammentun, um einen historischen Roman zu schreiben, könnte das unter Umständen ein großes Chaos geben. Wenn diese zwölf Autoren ihren Schreibstil aber so gekonnt ineinanderfließen lassen wie in “Die vierte Zeugin“, dann wird es zu einem herausragenden Lesevergnügen.
In Köln wird 1534 die Tuchhändlerwitwe Agnes Imhoff angeklagt, den reichen Londoner Geschäftsmann Richard Charmann gemeinsam mit ihrem Ehemann Andreas betrogen zu haben.
Da ihr Ehemann aber unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, muss sie sich nun ganz allein dem Richter stellen. Die Beweislage ist erdrückend und Agnes Imhoff fürchtet um ihre Existenz.
Im Laufe des Prozesses fällt plötzlich ein ganz neues Licht auf ihren Ehemann, der ihr nichts als Schulden hinterlassen hat. So soll er Agnes bei geschäftlichen Angelegenheiten zur Unterschrift gezwungen und auch sonst nicht mit Schlägen und Drohungen halt gespart haben. Sogar als Trunkenbold war er in gewissen Kreisen bekannt.
Doch ist Agnes Imhoff wirklich unschuldig? Oder ist die bildschöne Frau, die nicht wenigen Männern den Kopf verdreht hat, ein gerissenes Weibsbild welches hinter ihrer makellosen Fassade eine Mörderin verbirgt? Und welche Rolle spielt Richard Charmann in diesem sich zum politischen Intrigenstück entwickelnden Prozess?
Bereits der Prolog hat mich durch seine faszinierende Weise in den Bann gezogen und ich fühlte mich binnen weniger Augenblicke mitten im Geschehen. Im Stile eines Kölner Stadtschreibers werden die wichtigsten Figuren kurz vorgestellt, um sie später in den einzelnen Kapiteln genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Fokus des Romans steht die Frage, ob man die Ehefrau für die Schulden ihres verstorbenen Mannes haftbar machen kann, wenn laut römischen Rechts ihre Unterschrift auf Geschäftspapieren keine Gültigkeit hat. Das wiederum gibt dem Leser einen interessanten Einblick in das Rechtssystem des 16. Jahrhundert.
An Agnes Imhoff sollte ein Präzedenzfall statuiert werden, der seine Kreise bis in die Königshäuser zog. Grundlage ist ein historisches Dokument, welches beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs schwer beschädigt wurde. Jeder der zwölf Autoren übernahm zwei Kapitel und hatte so die Möglichkeit dem Leser verschiedene Sichtweisen zu präsentieren.
Hätte man mir diesen Roman als “Einzeltäterwerk” vorgelegt, ich hätte ihn auch so angenommen, denn an keiner Stelle spürt man einen Riss oder eine Veränderung des Schreibstils. Nahtlos gehen die Kapitel in sich über und zeugen so vom Können der beteiligten Autoren.
Autoren wie Martina André, Heike Koschyk, Lena Falkenhagen und Peter Prange haben sich auf ein literarisches Experiment eingelassen und es mit Glamour gemeistert!
© Ricarda Ohligschläger
Weitere Gemeinschaftswerke aus dem Autorenkreis “Quo Vadis”
Die sieben Häupter
Der Zwölfte Tag
Die fünfte Nacht
Das dritte Schwert
 

Rezensionen/ Rezensionen Historische Romane

Oliver Pötzsch – Die Henkerstochter

Kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg wird in der bayerischen Stadt Schongau ein sterbender Junge aus dem Lech gezogen. Eine Tätowierung deutet auf Hexenwerk hin und sofort beschuldigen die Schongauer die Hebamme des Ortes. Der Henker Jakob Kuisl soll ihr unter Folter ein Geständnis entlocken, doch er ist überzeugt: die alte Frau ist unschuldig. Unterstützt von seiner Tochter Magdalena und dem jungen Stadtmedicus macht er sich auf die Suche nach dem Täter.
Ein toter Junge mit Hexenmal, eine Hebamme mit Kräuterkenntnissen und angeblichen Zauberkräften, deren Besucher u.a. dieser Junge war. Eigentlich steht die Schuld der Hebamme fest, zumindest für die meisten im Dorf. Doch es gibt auch Zweifler an der Schuld der Hebamme und diese setzen alles daran, den wahren Mörder zu finden.
Die Grundidee des Buches – der Henker wird zum Retter – begeistert.
Die kurzen Kapitel lesen sich sehr flüssig. Schon im Prolog ist man gefangen von der Handlung und es fällt schwer dieses Buch aus der Hand zu legen. Während viele Autoren historischer Romane Frauen als Hauptfiguren wählen sind hier die Männer die Helden der Handlung. Die Hexenverfolgung und die damit verbundene Angst und Hysterie der Dörfler ist realistisch und nachvollziehbar beschrieben. Die Hauptfiguren Henker und Medicus sind facettenreich ausgearbeitet. Hart aber trotzdem sehr emotional wird der Henker dargestellt. Er ist sehr belesen und wird vom jungen Medicus bewundert. Dieser liebt die Tochter des Henkers. Diese Verbindung jedoch wird im Dorf als nicht standesgemäß verurteilt aber dies schweißt alle nur noch mehr zusammen.
Der Titel des Buches ist etwas irreführend, da “Die Henkerstochter” in meinen Augen nicht die Hauptfigur darstellt. Die Gestaltung des Covers jedoch ist sehr ansprechend und auch deswegen fiel es mir in die Hände. Kurzum ein fantastisches Buch für Fans historischer Romane. Lesenswert bis zum Schluss.
Fortsetzungen:
Die Henkerstochte und der schwarze Mönch” und “Die Henkerstochter und der König der Bettler
Anmerkung:
Oliver Pötzsch ist ein Nachfahre der berühmten Henker – Dynastie Bayerns
© Ricarda Ohligschläger