Auch heute noch ist die Mauer in den Köpfen der Menschen nicht verschwunden. Das erfährt Anja Goerz in ihrer täglichen Rundfunkarbeit. Deshalb wollte sie es genauer wissen: Warum fühlen sich im Osten sozialisierte Menschen oft so ungerecht behandelt? Stimmen die Behauptungen über das Verdrängen der Ossis von den Spitzen der Universitäten, Gerichte und Kliniken? Waren die Ossifrauen wirklich so viel emanzipierter? Haben die Wessis einfach alles plattgemacht und nach ihren Regeln umgebaut? Anja Goerz stellt ganz unterschiedliche Menschen aus der ehemaligen DDR vor. In die Porträts ist viel Biografisches eingeflossen, erzählt wird aber auch von Motivationen und Haltungen, Verletzungen und Chancen. Und es gibt auch den umgekehrten Blick von West nach Ost. So unterschiedlich die Erinnerungen sind, so haben sie doch die DDR-Herkunft als starkes Identitätsmerkmal gemein. »Ossi-Sein«, so zeigt sich, ist keine Generationen-Frage und keine Frage des Berufes, sehr wohl aber eine des Gefühls. (Kurzbeschreibung laut amazon)
„DER OSTEN IST EIN GEFÜHL“ – das klingt erst einmal etwas seltsam und trotzdem hat Anja Goerz Recht, denn es gibt Dinge, die versteht man nur unter „Ossis“. Eigentlich mag ich dieses Wort überhaupt nicht, da es heute noch Deutsche in zwei Klassen teilt. Leider! Und ich musste auch mit Erschrecken feststellen, dass Vorurteile immer noch viel zu sehr in den Köpfen verankert sind.
In ihrem Buch finde ich für mich persönlich so viele Zitate, dass ich es zu einer Art „Seelenbuch“ für mich gemacht habe. Ein Buch, welches einem aus dem Herzen und aus der Seele spricht – eines bei dem man ständig denkt: „Ja, genau so ist / war es!“
Die Mauer fiel als ich 14 war und ich habe mich als Kind durchaus wohl „im Osten“ gefühlt. Natürlich kann ich nicht nachvollziehen, wie es war als Erwachsener durch die politische Situation drangsaliert zu werden. Aber auch wir Schüler hatten unsere sozialistische Pflicht zu leisten, wenn es beispielsweise am 1.Mai antreten zum Marschieren hieß. Für uns war das Normalität. Und ich lasse mich ungern dafür als Mensch zweiter Klasse hinstellen, nur weil ich versucht habe in diesem System meinen Platz zu finden.
Genau so kann ich den Satz: „Ihr hattet ja nichts!“ nicht mehr hören.
Eines der Zitate hat mich in diesem Zusammenhang sehr berührt:
„Der Osten gilt vielen als uninteressant und erledigt. Und immer noch fühle ich mich dann verpflichtet, für mein untergegangenes Land zu werben.“ (Seite 22)
Anja Goerz Interviewpartner zeugen von der Motivation aus dem Stempel „Ossi“ das Beste zu machen und ich bin mir sicher, dass sie alle dazu beitragen die Mauer in den Köpfen weiter abzutragen.
Wenn dieses Buch Pflichtlektüre im Geschichtsunterricht werden würde, dann könnte man in den nachfolgenden Generationen meiner Meinung nach Vorurteile direkt im Keim ersticken!
© Ricarda Ohligschläger
Hallo Ricarda,
danke für die Rezi, dieses Buch gehört auch noch zu meinen MUSS-ich-haben-Büchern. Ich bin wirklich gespannt…
Ich war 21 als die Mauer fiel… auch ich habe als Kind oder Jugendlicher nicht „gelitten“, war aber vor kurzem in der Staasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen und denke seit diesen schrecklichen Eindrücken ein wenig anders über die DDR… wie ich sie empfunden habe, als Kind und Jugendliche…
Und solange es zwei Lohnsysteme gibt, im Osten und im Westen, solange wird das Thema immer präsent sein. Als ob das Brot in Dresden billiger wäre als in München… da krieg ich echt HALS!
Liebe Grüße
Claudia
Hallo Rici,
an die Autorin kann ich mich noch erinnern, da sie auf Deinem Blog ja bereits vor längerer Zeit vorgestellt wurde. Nun also ein vollkommen anderes Buch – mit einigen eigenen Erfahrungen, insofern sehr persönlich. Meine Schwiegermutter stammte auch aus dem Osten, flüchtete aber bereits vor dem Mauerbau zusammen mit einer Tante, während die Verwandten im Osten blieben.
Gestört hat mich nach dem Fall der Mauer, der extreme Kommando-Ton damals (da machte man sich gleich so seine Gedanken), den manche emanzipierten Ost-Frauen am Leibe hatten – zum Glück war das jedoch die Minderheit. Das musste ich damals im Beruf mehrfach feststellen. Andere Frauen hingegen verhielten sich kollegial, so dass die Zusammenarbeit wirklich sehr angenehm war und die Zeit wie im Fluge verging.
Aber auch Jahrzehnte zuvor, gab es das Problem bereits mit den Kriegsflüchtlingen, die sich erst einmal einen Platz in der Gesellschaft suchen mussten. Auch wenn die Mauer längst Vergangenheit ist, so fiel sie in den Köpfen noch lange nicht. Doch mit jeder weiteren Generation wird die Mauer in den Köpfen mehr fallen – da bin ich mir sicher.
Mein Mann erzählt immer wieder mal von seinen Erlebnissen, während der Besuche in Thüringen.Die Wende haben wir damals bewusst miterlebt – auch die Schattenseiten. Wir waren damals auf Wohnungssuche und plötzlich war da die Rede von gigantischen Wartezeiten – und das bei uns auf dem Land. Autohändler machten den großen Reibach, weil sie meinten, die Leute aus dem Osten würden jede Karre für viel Geld kaufen, weil diese ja nur Trabant und Wartburg kannten.
Im Gegenzug lernte man auch nette Leute kennen, die man sonst nie kennengelernt hätte. Das Reisen wurde plötzlich unkompliziert, zuvor war es immer ein großer Aufwand, wenn die Oma meines Mannes zu Besuch kam, jetzt war es einfach. Meine Tochter gehört nun zu der Generation, in der sich Ost und West scheinbar unbefangen begegnen – und so hat sie einige Freunde aus den sogenannten neuen Bundesländern. Man kann also hoffen, dass in nicht all zu ferner Zeit auch die Mauer in den Köpfen weg sein wird.
LG,
Heidi, die Cappuccino-Mama
Liebe Rici!
Du bist der beste Beweis dafür, das viel Gutes aus dem „Osten“ kam und kommt!
Ich habe jahrelang eine Brieffreundin in der ehemaligen DDR gehabt und sie auch mal mit 14 in Ost-Berlin getroffen. Es war ein einschneidendes Erlebnis damals für mich und hat auch meine Meinung stark beeinflusst.
Es wird wirklich Zeit dieses Denken aus den Köpfen zu kriegen!!!
Heike
Hallo Rici,
die Vorurteile gibt es und werden wohl leider auch nie ganz aus den Köpfen verschwinden. Wobei es solche Personen auch im Westen gibt.
Mir fällt da immer ein wie die Tochter von bekannten gestorben ist und der Schwiegersohn ist eben ein ehemaliger „Ossi“, gut er hat sich auch nicht richtig verhalten aber die ganze Familie hat ihn dann beschimpft wenn sie nicht ihn aus dem Osten genommen hätte dann wäre das nie passiert und man muss bedenken das war erst vor 3 Jahren also die Mauer in den Köpfen der Menschen gibt es leider immer noch.
Ich kann mich aber auch noch daran erinnern das erste Weihnachten 1989 nach der „Wende“, meine Mutter ist mit einer Busreise mit mir zum Nürnberger Weihnachtsmarkt gefahren damit ich das auch mal gesehen habe und wir „Wessis“ wurden wie Aussätzige behandelt. Man sieht es kann auch anders gehen.
Wir waren inzwischen schon viel im „Osten“ unterwegs und haben schon viele Städte und auch Städtchen gesehen, wohlgefühlt haben wir uns bis auf einmal immer und bei diesem einen Mal waren wir im Harz unterwegs und auf der ganzen Straße eines Ortes kamen uns Rechte entgegen da haben wir es mit der Angst zu tun bekommen.
Seit wir nun an der Nordsee leben waren wir schon öfters in Wismar denn diese Stadt hat sich seit dem Mauerfall zu einem Schmuckstück verwandelt und es ist so schön dies zu sehen.
Wusstest du das in Wismar damals das Kaufhaus Karstadt gegründet wurde und es auch heute noch das Gebäude gibt und das es der einzige nicht jüdische Kaufmann war zur damaligen Zeit also eben nicht wie Wertheim und die anderen.
Solche Dinge lernt man eben nur wenn man die Orte besucht.
Eine schöne Rezension und ich werde das Buch bestimmt mal lesen.
Viele Grüße
Rebecca