Kategorie: Rezensionen Belletristik

  • Andreas Izquierdo – Das Glücksbüro

    Albert Glück ist ein seltsamer Kauz. Er ist knapp über fünfzig, ein wenig trocken, penibel, und er arbeitet im Amt für Verwaltungsangelegenheiten. Formulare, Stempel, Dienstvorschriften sind seine Welt, in der er sich gut eingerichtet hat. Ganz wörtlich, denn Albert arbeitet nicht nur in dem Amt, er wohnt auch dort. Von allen unbemerkt hat er im Keller einen kleinen Raum bezogen und verbringt zufrieden seine Tage im immer gleichen Rhythmus. Doch eines Tages wird Alberts sorgsam eingehaltene Ordnung durcheinandergebracht. Auf seinem Schreibtisch landet ein Antrag, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, denn er beantragt nichts! Albert tut alles, um diesen unseligen Antrag loszuwerden, doch vergeblich: Immer wieder kehrt er auf seinen Schreibtisch zurück. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zum Antragsteller zu machen. So trifft Albert auf Anna Sugus, eine ziemlich wilde Künstlerin, die Alberts Welt ganz schön auf den Kopf stellt (Kurzbeschreibung laut amazon)
    Ich mag Bücher, die die Welt verändern. Dieses Buch ist so eines. Eigentlich ist die Welt heute nicht anders, als zu dem Zeitpunkt als ich das Buch noch nicht gelesen hatte und doch ist etwas geschehen.
    Albert Glück ist geschehen! Er hat sich einfach in mein Leben geschlichen. Zuerst ganz grau und immer nach denselben Regeln lebend und dann plötzlich immer bunter, offener und freier. Am Ende ist er sogar verliebt und hatte großartige Pläne im Kopf.
    Albert hat seine kleine Welt auf den Kopf gestellt. Einzig durch die magische Kraft der Liebe und eines Antrags, der eigentlich keiner ist.
    Ich hatte eigentlich nur eine nette Geschichte erwartet, denn was soll schon groß passieren in einem Amt? Aber Andreas Izquierdo hat mit „Das Glücksbüro“ einen magischen kleinen Kosmos entwickelt, der alles verändert. Nicht nur bei Albert!
    Izquierdo fordert seine Leser mit etwas „Magie“ auf die Dinge in Zukunft mit anderen Augen zu betrachten. Und vor allem die Menschen!
    Es ist schwer zu beschreiben wie er es schafft, aber es ist wohl die poetische und treffende Sprache, der Blick fürs Wesentliche und die bereits erwähnte Magie, die er seinen Lesern zuteilwerden lässt. Es ist schon verwunderlich wie viel Magie in so eine kleines Büchlein passt!
    Und während Albert für die ein oder anderen immer noch der langweilige Bürokrat ist, wird er für viele seiner Mitmenschen zum Superhelden, denn mit etwas Glück und Liebe ist alles zu schaffen.
    Das ist für mich die Botschaft des Buches und ich hoffe, dass „Das Glücksbüro“ seine Botschaft noch ganz viele Leser erreichen wird!
    © Ricarda Ohligschläger

  • Devan Sipher – Jeden Tag ein Happy End

    Gavin ist Hochzeitskolumnist bei einer großen New Yorker Zeitung und berichtet tagein, tagaus über das Fest der Liebe. Er selbst hat seine Braut aber noch nicht gefunden. Nach einem katastrophalen Silvesterabend schleppt ihn seine beste Freundin Hope zu einer Neujahrsparty. Schließlich müssen die verpassten Chancen der vergangenen Nacht nachgeholt werden! Verzweiflung liegt in der Luft und Gavin fragt sich, was er hier eigentlich soll. Da entdeckt er SIE. Sie heißt Melinda, ist klug und schön und hat Humor. Und im nächsten Augenblick ist sie – weg! Als er die Suche nach ihr endgültig aufgeben will, bekommt er eine zweite Chance: Er soll über Melindas Hochzeitsfeier berichten!
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Devan Sipher hat 5 Jahre lang eine Hochzeitskolumne geschrieben. Mit „Jeden Tag ein Happy End“ hat er seinen ersten Roman veröffentlicht.
    Als ich die Kurzbeschreibung des Romans in der Vorschau des DTV sah, wusste ich, dass dies ein Buch für mich sein wird und ich es unbedingt haben möchte. Die ersten Seiten habe ich demzufolge auch regelrecht verschlungen….aber dann.
    Sipher kann schreiben, dass muss man ihm lassen! Er schreibt über Familie, Brautpaare und über die Arbeit. Wie viel davon nun Fiktion und Realität ist, kann ich nicht abschätzen, aber er schreibt bildreich, nachvollziehbar und lebhaft.
    Teilweise sogar zu sehr, denn es geht in großen Teilen darum, was er mit Brautpaaren erlebt, die für er für seine Kolumne interviewt und über Umstrukturierungen im Job. Die eigentliche Geschichte wird kaum thematisiert, dabei hatte ich mir so einiges versprochen. Vor allen Dingen Emotionen.
    Die bleiben jedoch fast komplett auf der Strecke. Und gerade von einem Hochzeitskolumnisten hätte ich da ein wahres Feuerwerk erwartet!!
    So bleibt  mir nichts anderes übrig, als dieses Buch „am Thema vorbei“ zu bewerten. Vorbei an der Kurzbeschreibung, vorbei an allem was ich erwartet hatte…
    Denn Melinda bekommt nur wenige Szenen in Siphers Roman und die sind meiner Beurteilung nach unausgereift und oberflächlich. Spielte da Zeitdruck eine Rolle?
    Schade! Hier bleibt das Happy End auf der Strecke.
    © Ricarda Ohligschläger

  • Ivonne Keller – Hirngespenster

    Drei Frauen. Silvie, ihre Schwester Anna und Sabina. Ein Unfall, der ihr Leben verändert.
    Während Silvie vor der Entscheidung für ihren Liebhaber Jens und gegen ihren Mann Johannes steht, kämpft ihre Schwester Anna um ihren
    Verstand. Nur mit Pillen schafft sie es, den Alltag mit ihren drei Kindern einigermaßen zu überstehen. Silvie ist hin- und hergerissen: Soll sie Anna beistehen oder sich um ihr eigenes Glück kümmern? Das Schicksal kommt ihr zuvor und reißt sie mitten aus dem Leben. Als sie zu sich kommt, ist nichts mehr, wie es war. Warum kümmert sich Sabina, die Jugendliebe ihres Mannes Johannes, so liebevoll um sie? Warum kommen ihre Schwester Anna oder ihre Eltern niemals zu Besuch? Ist Anna etwa tot? Oder im Gefängnis? Und was ist aus Jens geworden?
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Dieses Buch hat alles was eine spannende und emotionsgeladene Geschichte ausmacht und ich frage mich wann mich eine Story das letzte Mal so gefesselt hat – abgesehen von Thrillern, die ich in der letzten Zeit las.
    „Hirngespenster“ ist jedenfalls kein Thriller, sondern eine an Dramatik kaum zu übertreffende Geschichte dreier Frauen, die auf ganz besondere Weise verbunden sind.
    Silvie und Anna sind Schwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Doch in beiden Ehen bröckelt es hinter der Fassade. Während Annas Welt nach und nach durch ihre Tablettensucht hinter einem Schleier verschwindet, sucht Silvie Zuflucht in den Armen eines anderen Mannes.
    Die Geschichte der Schwestern plus die einer dritten Person, die eine wichtige Rolle spielt, wird abwechselnd erzählt und zwar auf so spannende Weise, dass ich nur noch durch die Seiten geflogen bin. Der Spannungsbogen war jederzeit(!) bis zum Zerreißen gespannt und hielt mich auf vielfältige Art in seinem Bann. Was wird aus Silvies Ehe? Und kann Anna ihre Sucht bekämpfen? Was verbergen die anderen Figuren für Geheimnisse? All diese Fragen tauchten beim Lesen immer wieder auf, wie ein Popup – Fenster, das sich nicht schließen lassen wollte.
    Und ganz besonders beschäftigte mich die Frage wer wohl hinter dem in kursiver Schrift verfassten Text – der Gegenwart – steckt. Ihr werdet mich besser verstehen, wenn ihr das Buch selbst lest. Ich kann leider nicht mehr verraten, ohne zu viel vorweg zu nehmen. Ich kann nur so viel verraten, dass ich so viel spekuliert habe während des Lesens, mir einiges seltsam vorkam und ich viele Fragen im Kopf durchgegangen bin, aber auf das tatsächliche Ende war ich trotz allem SO nicht vorbereitet. Ich habe letzten Endes sogar geweint, weil es so schön, traurig und auch anrührend war.
    Hirngespenster“ ist für mich die Überraschung des Winters. Intelligent, verworren und voller Dramatik. Chapeau, Ivonne Keller!
    © Ricarda Ohligschläger

  • Rebecca Martin – Die verlorene Geschichte

    Ein altes Haus, eine geheime Liebe, ein düsteres Geheimnis
    Jahrelang wusste Lea fast nichts über ihre Familie, nun steht überraschend ihre tot geglaubte Großmutter vor der Tür. Claire hat ein altes Weingut erworben, dort hat sie die schönste Zeit ihres Lebens verbracht. Doch das »Haus der Schwestern« ist auch der Ort, an dem das verhängnisvolle Schicksal der Familie vor langer Zeit seinen Anfang nahm. Als ihr Briefe und Erinnerungen von damals in die Hände fallen, beginnt Lea diese lang vergessene Geschichte wie ein Puzzle zusammenzusetzen. Es ist die Wahrheit über eine große, alle Hindernisse überwindende Liebe und das Geheimnis eines erschütternden Todes.
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Die verlorene Geschichte“ lässt mich sehr zwiespältig zurück und ich finde die Bezeichnung „unbefriedigt“ in diesem Zusammenhang mehr als passend.
    Einerseits schafft es Rebecca Martin mich mit ihrem Schreibstil recht schnell in die Geschichte hineinzuziehen und zu begeistern, auf der anderen Seite sind mir die Zeitsprünge und die wechselnden Perspektiven viel zu groß, um Spannung aufkommen zu lassen.
    Ich hatte das Gefühl immer wieder aus der Geschichte und aus dem Zusammenhang katapultiert zu werden.
    Perspektivwechsel sind ein tolles Mittel, um Dramatik und spannende Momente in einem Buch aufrechtzuerhalten, doch hier ist das (meiner Meinung nach!) absolut nicht gelungen.
    Dabei bietet die Familiensaga so viel Potenzial und sie glänzt auch an einigen Stellen durch Tragik und Emotionen, aber insgesamt betrachtet reicht es nicht, um mich vollends zu überzeugen.
    © Ricarda Ohligschläger

  • Julie Cohen – Mit den Augen meiner Schwester

    Eine unvergessliche Schwesterngeschichte vom Weglaufen und Nach-Hause-Finden
    Als Kind konnte Liza Haven es kaum erwarten, ihrem beschaulichen Heimatort Stoneguard zu entfliehen. Lange war sie schon nicht mehr dort – seit jenem schrecklichen Weihnachtsfest, als die Mutter Lizas Schwester Lee zu ihrer Nachfolgerin in der familieneigenen Eiscreme-Manufaktur bestimmte. Als Liza nun nach Jahren in Amerika nach England zurückkehrt, muss sie feststellen, dass ihre scheinbar perfekte Schwester sich aus dem Staub gemacht hat. Unbeabsichtigt schlüpft sie in Lees Rolle und erkennt, dass deren Leben nicht so leicht und sorgenfrei ist, wie sie immer angenommen hatte. Ihren kleinen Heimatort hingegen findet sie gar nicht mehr so übel – Lees festen Freund Will übrigens auch nicht …
    (Kurzbeschreibung laut www.amazon.de)
    Habt ihr je darüber nachgedacht euer Leben tauschen zu können bzw. das Leben eines anderen zu leben? Was wäre wenn ihr die Möglichkeit dazu bekommen würdet? Würdet ihr dann euer altes Leben behalten wollen und es vielleicht mit anderen Augen sehen?
    Liza Haven bekommt so eine Chance. Als Kind konnte sie es gar nicht erwarten, dem beschaulichen Stoneguard zu entfliehen und seit dem schrecklichen Weihnachtsfest an dem ihre brave Schwester Lee (Emily) zur Nachfolgerin der Eiscreme – Manufaktur ernannt wurde, hat sie sich noch mehr in ihr eigenes Leben zurück gezogen.
    Niemand weiß, dass dieses Leben nicht mehr so ist wie es einmal war, denn Liza ist nicht mehr die erfolgreiche Stuntfrau, sondern schlichtweg arbeitslos. Nach einem selbstverschuldeten Unfall bei dem sie neben Brandnarben auch seelische Wunden davon trug, sucht Liza verzweifelt einen neuen Job. Da dieser auf sich warten lässt, kommt ihr die Einladung ihrer Schwester Lee zur Wohltätigkeitsdisco gerade richtig.
    Lee taucht jedoch nicht auf! Die scheinbar perfekte Schwester hat sich mit einem gestohlenen Wagen aus dem Staub gemacht und ehe sich Liza versieht lebt sie ein Leben was sie bisher aus völlig anderen Augen betrachtet hat.
    Julie Cohens Geschichte um die Schwestern Liza und Lee ist eines der Bücher die man sehr schwer aus der Hand legen kann. Die beiden Hauptfiguren sind realistisch und nachvollziehbar beschrieben und überzeugen auf ganzer Linie. Jede der Schwester mit ihren Platz im Leben erst finden und bis dahin benötigt es Zeit, die Cohen mit vielerlei Emotionen spickt.
    Sehr berührend erkennt Liza nach und nach ihren Platz an der Seite der Mutter, deren Alzheimererkrankung eine wichtige Rolle im Buch spielt, sich aber nicht in den Vordergrund schiebt.
    Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen und ist weit weg von trivialer Familiengeschichte. Ganz im Gegenteil! Cohen überzeugt nicht nur durch die Story zwischen den Schwestern, sondern auch durch die einfühlsame Handlung zwischen Mutter und Tochter. Sie lässt hier besonders Lizas Schmerz und Enttäuschung einen eigenen Raum.
    Die 500 Seiten empfand ich als durchaus angenehm zu lesen, da die Geschichte an keiner Stelle langweilig erschien und durch humorvolle Dialoge und der richtigen Prise Romantik abgerundet wurde.
    Mit den Augen meiner Schwester“ ist unvergesslich. Das Buch wird mich noch lange beschäftigen und ich empfehle es allen, die auf der Suche nach einer gefühlvollen mitreißenden Familiengeschichte sind.
    © Ricarda Ohligschläger