Vielleicht sollte man mal eine Kurzkrimisammlung nur über Leuchttürme herausgegeben …
Liebe Elke Pistor, ich würde gerne wissen, woher Sie die Idee für das Buch hatten und ob dafür Recherchearbeit in einer Sekte notwendig war?
Die Idee zum „EIFLER ZORN“ (Leseprobe) kam mir buchstäblich im Vorbeifahren. Auf der Heimfahrt von einem Besuch in Gemünd fiel mir eine Abrissbaustelle auf, an der die letzten Grundmauern gerade niedergerissen wurden. An der Stelle hatte eine Art altes Herrenhaus gestanden. Der Gedanke „Da finden Sie jetzt eine Leiche!“ sprang mich wie aus dem Nichts an. Zuhause angekommen, habe ich mich gleich an die Recherche zur Geschichte dieses alten Hauses gesetzt. Meine Überraschung – und mein Entsetzen über die Dinge, die dort passiert sind, waren groß. Aber trotzdem war mir sehr schnell klar, dass das eine wunderbare Grundlage für den neuen Eifel-Krimi mit Ina Weinz sein würde.
Recherchen direkt in einer Sekte habe ich nicht durchgeführt. Natürlich habe ich mich kundig gemacht und mit Fachleuten gesprochen. Vor allem den Bereich des Schamanismus fand ich sehr interessant.
In den letzten Jahren konnten so viele schöne und spannende Regional-Krimis die Bücherregale erobern. Da drängt sich mir die Frage auf: Kann man als Autorin noch die Umgebung genießen, ohne dass die romantische Ecke im Park zum möglichen Leichen-Fundort, das altmodische Cafe am Marktplatz zum Treffpunkt der Verschwörer, der Bungalow am Ortsrand zum Wohnsitz des gar nicht so trauernden Witwers des Mordopfers wird?
Ja. Und nein. Es kommt immer darauf an …
… ob ich alleine oder mit anderen unterwegs bin und wer dann diese anderen sind. Alleine oder gar mit Krimikollegen wird es schlimm. Da lauert das Verbrechen hinter jedem Baum. Bei Ausflügen mit meiner Familie oder mit Freunden hingegen kann ich wunderbar die ‚pure‘ Landschaft genießen, weil dann meine Aufmerksamkeit bei ihnen ist.
Wann haben sie die besten Ideen die sie aufschreiben – tagsüber oder mitten in der Nacht?
Ich unterscheide da zwischen Initialzündung und Plotidee. Erstere kommt oft ‚wie angeflogen‘ in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen, die zweite ist harte Arbeit. Beim LUFTKURMORD, dem zweiten Band der Ina Weinz-Reihe, war die Initialzündung eine Lücke in einem alten Fotoalbum meines Großvaters und ein Kindergedicht. Bei meinem Mystery „Das Portal“ der Anblick eines beschädigten Steinengels am Portal des Kölner Doms, während ich auf jemanden wartete.
Die Plotideen arbeite ich regelrecht aus. Da kommt dann die Recherche ins Spiel, auf die ich sehr viel Wert lege.
Vor allem sind mir ‚stimmige‘ Figuren wichtig. Wenn ich einen Charakter entwerfe, seine Persönlichkeit und auch dessen Störungen, versuche ich, so real wie möglich zu sein. Meine alten, etwas verstaubten Kenntnisse aus dem Psychologiestudium frische ich dann mit Hilfe von Fachleuten auf.
Nachts finde ich manchmal Lösungen für Plotprobleme, die ich an bestimmten Stellen in der Geschichte habe. Dafür liegt ein Notizblock neben meinem Bett.
Frau Pistor, wie sind sie darauf gekommen einen Kurzkrimi zuschreiben der „Der Westerhever“ heißt und ja auch in Nordfriesland spielt. Haben Sie einen Bezug zum Norden?
Ich mag den Norden sehr. Er ist mir näher als die Berge – auch wenn das für eine geborene Eiflerin vielleicht ungewöhnlich ist. Ich mag den weiten Blick!
Dementsprechend zieht es mich im Urlaub gerne und oft dort hin. Auf den „Westerhever – Kurzkrimi“ bin ich durch den ausgeschriebenen Wettbewerb gekommen. Das Thema „Norden“ war vorgegeben und ich fand, dieser Leuchtturm sei doch eine wunderbare Kulisse für einen kleinen, aber feinen Mord. Leuchttürme haben für mich eine ganz besondere Atmosphäre. Vielleicht sollte man mal eine Kurzkrimisammlung nur über Leuchttürme herausgegeben …
Was ist das Schwierigste an einem Buch – der erste Satz oder der letzte?
Der erste, weil es bedeutet, dass ich wieder wochenlang abtauche, Familie und Freunde vernachlässige und manchmal sogar die Jahreszeiten vergesse (Hatten wir einen Sommer in diesem Jahr?)
Der letzte, weil es ein Abschied ist von etwas ist, mit dem ich mich sehr intensiv beschäftigt habe und das mir sehr wichtig geworden ist.
Die vielen, vielen dazwischen, weil ich sie mit Herz und Hirn erdacht, bewegt, geändert, gedrechselt, verworfen, gestrichen, wieder aus dem Müll geholt, Leuten in den Mund gelegt und grandios oder unglaublich platt gefunden habe.
Könnten Sie sich auch vorstellen, ein Buch in Dialekt zu schreiben?
Nein. Ich bin zwar in der Eifel aufgewachsen, aber schon meine Familie sprach und spricht (leider) kein reines Eifelplatt. Auf dem Gymnasium wird man zwangsläufig mit einer Art Hochdeutsch konfrontiert – sogar in der Eifel. Das Studium und Leben in Köln und ein mehrjähriger Ausflug an den Niederrhein haben meine Dialektanwandlungen so vermischt, dass das nichts geben würde.
Für die Dialektpassagen in meinen Büchern habe ich einen kritischen Testleser.
Gefallen Ihnen eigentlich alle Bücher die Sie schreiben gleich gut? Oder haben Sie von sich ein Lieblingsbuch? Und wenn ja welches??
Immer das, an dem ich gerade arbeite. Mein Ziel ist es, mein Schreiben weiterzuentwickeln, mehr zu lernen und auch von Buch zu Buch neue Aspekte des Schreibens und der Dramaturgie für mich zu entdecken. Ich bin sehr neugierig auf neue Wissensgebiete und ein Lernjunkie. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ja an diesem Buch am nächsten dran bin, das kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall bemühe ich mich, immer das Beste abzuliefern, zu dem ich in diesem Moment in der Lage bin. Das bin ich meinen Lesern und mir schuldig.
Waren Sie als Kind eine Leseratte oder ein Bücherhasser?
Ich konnte lesen, bevor ich in die Schule kam. Es gibt eine Geschichte, dass ich mit ca. 4-5 ins Krankenhaus musste und wie damals üblich, Elternbesuche verboten waren. Also habe ich die Schwestern wohl genervt, sie sollten mir vorlesen. Weil die natürlich keine Zeit hatten, habe ich selbst laut vorgelesen. Zur Verblüffung aller wohl den richtigen Text.
Seit dem habe ich nie wieder aufgehört. Das erste „richtige“ Buch ohne Bilder war „Försters Pucki“ zu Beginn des ersten Schuljahres. Ich war stolz ohne Ende und bin abends um zehn zu meinen Eltern gegangen, um es zu verkünden. Dass ich eigentlich schlafen sollte, war nebensächlich.
Auch heute lese ich, anstatt zu schlafen. Oft drei Bücher parallel. Einen Krimi, ein Sachbuch und etwas ganz anderes.
Gerade „muss“ ich sogar extrem viel lesen, da ich in der Jury des Friedrich-Glauser-Preises in der Sparte Debut bin.
Mich würde interessieren, ob Sie Fanpost bekommen und ob Sie die Briefe alle persönlich beantworten? Gab es da vielleicht sogar besonders schöne oder witzige Briefe?
Ich bekomme Fanpost und beantworte sie auch selbst. Schön sind natürlich Rückmeldungen, wenn Leuten meine Bücher besonders gut gefallen haben. Oder wenn Menschen wegen meiner Bücher den Nationalpark Eifel gefahren sind, um auf den Spuren meiner Krimis zu wandeln. Witzig ist es, wenn die Leute auch auf die HerBerts, meine beiden schwarzen Kater, Bezug nehmen, die mittlerweile auch einen gewissen Berühmtheitsstatus erreicht haben.
Nachdem ich den umgekehrten Weg gezogen bin – von Köln in die Eifel – würde mich interessieren ob Sie die Ruhe und Beschaulichkeit nicht vermissen und vielleicht sogar noch einen zweiten Wohnsitz in der Eifel haben?
So ruhig und beschaulich ist es eigentlich gar nicht in der Eifel … Nein Spaß beiseite. Das Leben in Köln ist ein anderes, als das in der Eifel, obwohl ich auch hier in einem dörflichen Stadtteil lebe. Trotzdem bin ich oft in der Eifel und besuche meine Familie, gehe ins Gemünder Schwimmbad oder mache Ausflüge. Einen zweiten Wohnsitz habe ich nicht dort, aber eine feste Anlaufstelle.
Ob ich später wieder in die Eifel ziehe, weiß ich noch nicht. Manchmal ist ein gewisser Abstand zu dem, über das man schreibt, auch positiv zu sehen.
Eine fantastische Vorstellung: eine liebe Person schenkt Ihnen ein ganzes Jahr, was würden Sie mit der gewonnenen Zeit anfangen?
Zwei Bücher statt nur einem schreiben!
Liebe Elke, ich bedanke mich ganz herzlich – auch im Namen meiner Blogleser – für dieses Interview und deine ausführlichen Antworten!
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Melanie T.
Elke G.
Kerstin M.
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten”
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