Dühnfort ist für mich Dühnfort. Wir sind nicht per Du
Wie wurden Sie zur erfolgreichen Krimiautorin? War da schon immer ein Interesse am Verfassen und Fabulieren das in einen Berufswunsch endete, auf den gezielt hingearbeitet wurde oder hat sich das eher so ergeben, dass einem vielleicht eine Geschichte im Kopf rumspuckte, die man dann irgendwann zu Papier brachte und dann anderen ganz einfach gut gefiel?


Geschichten habe ich mir schon als Kind gerne ausgedacht, und meine Schulaufsätze waren legendär. Erlebnisaufsatz in der 5. oder 6. Klasse. Aufgabenstellung: Versetze dich in einen Gegenstand und schreibe aus seiner Perspektive. Tolles Thema, dachte ich und griff in die Vollen. Ich war das Auto, in dem John. F. Kennedy erschossen wurde.
Gezielt habe ich nicht auf den Beruf der Autorin hingearbeitet. Es hat sich einfach ergeben. Jahrelang war das Schreiben Hobby für mich. Die Initialzündung dafür hat ein Roman gegeben, der mir überhaupt nicht gefiel und den ich verärgert in die Ecke pfefferte. Das kann ich auch und das kann ich besser, dachte ich. Ich gebe zu: Für diesen – doch etwas überheblichen – Plan habe ich ganz schnell Abbitte geleistet. So einfach schreibt man keinen Roman. Mein erster Versuch scheiterte grandios in einem mehrhundertseitigen Desaster. Ich habe mir dann Fachbücher besorgt und Schreibworkshops besucht und dabei gelernt, wie man einen Roman schreibt. Kein Wunder, dass ich für den Erstling „Der Sünde Sold“ fünf Jahre gebraucht habe. Beim nächsten ging es schon flotter. Mit dem Konzept und einer umfassenden Leseprobe von Dühnforts zweitem Fall bin ich auf die Suche nach einem Agenten gegangen und schnell bei der Agentur Literatur, Gudrun Hebel in Berlin untergekommen. Und dann ging alles ganz schnell. Meine Agentin wollte den Erstling auch sehen, fand ihn toll und bot ihn an und so hat Dühnfort zu Ullstein gefunden.
Was fasziniert sie so an Kriminalromanen? Woher nehmen Sie Ihre Ideen?An Kriminalromanen fasziniert mich das Ausloten von Grenzen. Was bringt Menschen dazu, zu morden? Was muss geschehen, damit sie so weit gehen, und was geschieht mit ihnen, wenn sie so weit gegangen sind? Das sind die Themen die mich beschäftigen.
Am Anfang einer Buchidee steht bei mir immer irgendetwas, das die Initialzündung zum Grübeln gibt. Bei „Der Sünde Sold“ war das die Entdeckung einer Kapelle auf einer einsamen Waldlichtung. Bei „In weißer Stille“ ein Zeitungsartikel und bei „So unselig schön“ eine Entdeckung in einem Buch. Um diese Ausgangssituation herum spinne ich meine Gedanken, und Ideen docken an. Das Ganze wird komplexer. Ich beginne zu recherchieren. Figuren werden deutlicher und so nach und nach wird eine Geschichte daraus.
Ihr beruflicher Werdegang passt eigentlich so gar nicht zu einer Krimiautorin. Wie sind sie aufs Schreiben gekommen? Haben Sie schon immer gerne Krimis gelesen? Ich selbst bin immer fasziniert, wie es die Autoren schaffen eine so ins Detail ausgeklügelte Welt um einen Fall zusammenzustellen und kann mir nicht vorstellen so eine Welt zu erstellen.

Wie ich zum Schreiben gekommen bin, habe ich ja schon beschrieben. Zuerst war es Hobby, dann kam der Verlagsvertrag und das an meinem 50. Geburtstag. Ungelogen. Das Ullstein-Angebot kam wirklich an diesem Tag, den man ja schon irgendwie fürchtet. Geht es jetzt langsam bergab? Von wegen! Das war natürlich ein toller Plotpoint in meinem Leben.
Nun hatte ich einen Abgabetermin für Dühnforts zweiten Fall und musste „nebenbei“ meine Aufträge als selbständige Grafikerin bewältigen. Es folgte ein anstrengendes aber auch sehr schönes Jahr. In den letzten beiden Jahren konnte ich langsam das Gewicht vom Grafikerbein aufs Autorenbein verlagern, so dass ich mich jetzt beinahe ganz dem Schreiben widmen kann.
Was sagen Ihre Kinder zu den Büchern? Denken die ab und an auch mal drüber nach was Mama da so von sich gibt und ob das alles so normal ist? 😉Meine Kinder freuen sich über meinen Erfolg und haben sich längst an Dühnfort gewöhnt, der doch sehr häufig mit am Tisch sitzt. Auch die Fachbücher über Rechtsmedizin oder Kriminalistik am Tatort, wundern sie nicht mehr. Da gucken sie schon mal rein. Und das dürfen sie. Beide sind längst erwachsen.
Bauen Sie in Ihre Bücher bewusst oder unbewusst Personen ein, die Sie kennen, oder verwenden Sie ihre Charaktereigenschaften? Und wie reagieren Sie, wenn diese Menschen es bemerken und Sie darauf ansprechen?
In keinem meiner Romane gibt es bisher eine Figur, die ein Vorbild im wirklichen Leben hat und ich kann mir auch nicht vorstellen, jemals einen realen Menschen vollständig als Romanfigur zu übernehmen.
Natürlich fließt vieles von dem, was ich täglich beobachte, in meine Figuren ein.
Ich verfolge Ihre Postings bei Facebook sehr aufmerksam und Sie schreiben über Dühnfort, als wäre er real. Gibt es ein reales Vorbild oder ist er ein Kind Ihrer Phantasie?Für Dühnfort gibt es kein reales Vorbild. Er ist ganz und gar meiner Phantasie entsprungen. Für mich ist er tatsächlich sehr lebendig und begleitet mich oft durch den Tag wie ein guter Bekannter. Beim Schreiben entzieht er sich häufig und will nicht so sein, wie ich ihn gerne hätte. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Das kann ich nicht ändern. Da bleibt mir nur, mit ihm zu gehen.
 Sie reden Dühnfort nie mit Vornamen an, gibt es auch dafür einen Grund?
Stimmt. Dühnfort ist für mich Dühnfort. Wir sind nicht per Du. Ich könnte es ihm ja mal anbieten. Schließlich bin ich die Ältere von uns beiden. ;-).
Außerdem kocht er sehr gerne (ich bekomme beim Lesen regelmäßig Appetit *g*). Ist kochen auch eine Ihrer Leidenschaften?
In diesem Punkt kommt Dühnfort ganz nach mir. Ich koche gerne. Und gerne unaufwändig. Stundenlanges Hantieren in der Küche ist nicht so mein Ding.
Wenn Ihnen Dühnfort im wahren Leben begegnen würde, wäre er ganz nach Ihrem Geschmack?
Ich liebe Dühnfort. Allerdings nicht ganz uneingeschränkt. Wenn er mir im richtigen Leben begegnen würde, wäre es mir lieber, er wäre ein wenig spontaner und lebensfroher. Das würde ihm natürlich auch als Romanfigur gut tun.
Teilen Sie selbst Herrn Dühnforts leidenschaftliche Beziehung zu seinem Boot?
Nein. Ich kann nicht segeln und fühle mich auf Booten auch nicht besonders wohl.
Wie viele Fälle darf er noch lösen? Sind noch weitere Kommissar Dühnfort-Bücher geplant? Entscheiden Sie das spontan oder ist das schon von vorneherein vom Verlag festgelegt worden?
Zurzeit schreibe ich an Dühnforts viertem Fall und bin mit der Rohfassung bald fertig. Im Mai ist Manuskriptabgabe, im Dezember 2011 wird das Buch erscheinen.
Wenn es nach mir geht, darf Dühnfort noch eine Menge Fälle lösen. Die Ideen gehen mir nicht so schnell aus und ich weiß heute schon einige Begebenheiten, die im fünften Fall eine Rolle spielen könnten.
Von Verlagsseite gibt es keine Planung, die eine feste Anzahl von Dühnfort-Romanen umfasst. Man schätzt Dühnfort bei Ullstein sehr, und er erhält jede Menge Unterstützung. Ich bin also sehr zuversichtlich, dass er noch etliche Fälle lösen darf.
Liebe Frau Löhnig, was machen Sie, wenn Sie mal eine Schreibblockade haben, oder so einen Tag wo jede Lust, jede Motivation fehlt? Gibt es da einen bestimmten Ort oder eine besondere Person, die Ihnen dann hilft? Oder legen Sie einfach eine Pause ein, unternehmen etwas, trinken heißen Kakao? 🙂
Eine richtige Schreibblockade hatte ich noch nie. Gott sei Dank! Es gibt immer wieder Tage, an denen es mit dem Schreiben zäh voran geht. Dann lese ich erst einmal den Text, den ich am Vortag geschrieben habe und überarbeite ihn. So finde ich wieder in die Geschichte hinein. Oder ich koche mit eine Kanne Tee oder braue mir einen Cappuccino, surfe ein wenig im Internet und starte dann einen neuen Versuch.  
Ich konnte bei vorablesen.de schon eine Leseprobe aus „So unselig schön“ lesen  und würde gerne wissen, wie Sie auf das Thema Urban Exploring aufmerksam wurden?
Durch einen Artikel im SPIEGEL vor etlichen Jahren. Den habe ich mir gleich ausgeschnitten und in meiner Sammlung mit interessanten Menschen abgeheftet.
Empfehlen Sie ihren Lesern die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen oder kann man auch mit dem zweiten oder dritten Band ihrer Kriminalromane beginnen?
Da jeder Roman in sich abgeschlossen ist, kann man die Bücher in beliebiger Reihenfolge lesen. Ich bemühe mich in jedem Band, die nötigen Zusammenhänge zum vorherigen knapp zu erklären, so dass kein Leser rätseln muss, wie die Figuren zueinander stehen, was sie verbindet oder trennt. 
Mich würde interessieren, ob sie für Ihre Bücher auch direkt vor Ort recherchieren, um Plätze, Orte etc. genau beschreiben zu können?
Ich recherchiere sowohl vor Ort als auch im Internet. Seit es Google Maps und Google Streetview gibt, ist die Internetrecherche viel leichter und anschaulicher geworden. Das Web nutze ich oft zum Nachrecherchieren oder für Nebenschauplätze.
Ich wüsste gerne ob Krimis/Thriller das einzige Schreibgenre ist, was sie begeistert oder ob z. B. auch aus anderen Bereichen Romane für Sie vorstellbar wären?
Da ich gerne Familienromane lese, reizt mich dieses Genre schon sehr. Mal gucken, vielleicht wird es irgendwann einmal einen derartigen Roman von mir geben.
Ist es einfacher einen Krimi für Erwachsene oder für Kinder zu schreiben? Oder einfach nur anders? Wie kam es, dass Sie von Krimis für Erwachsene auf Jugendbuch gewechselt sind?
Inzwischen habe ich zwei Jugendthriller geschrieben (der zweite erscheint im Sommer 2011) und denke, dass es tatsächlich nicht leichter und nicht schwerer ist, sondern einfach eine andere Herangehensweise erfordert.
Wie ich dazu gekommen bin, plötzlich Jugendthriller zu schreiben, das ist eigentlich eine lustige Geschichte. Im Sommer 2009 hatte ich gerade Dühnforts dritten Fall fertig geschrieben und im Verlag abgegeben. Was schreibe ich nun?, habe ich mich gefragt. Am nächsten Fall für Dühnfort zu arbeiten war nicht sinnvoll. Während ich noch überlegte, mal eine Schreibpause zu machen, flatterte eine Mail von einer Lektorin des Arena-Verlags in mein Postfach. Sie hatte den ersten Dühnfortkrimi gelesen und war auf der Suche nach einer neuen Autorin für die Jugendthriller-Reihe des Verlags und fragte, ob ich Lust hätte einen Mädchentriller zu schreiben. Und ob ich hatte.
Haben Sie Einfluss auf die Erstellung der Buchtrailer zu ihren Büchern gehabt?
Beim Trailer für „So unselig schön“ habe ich am Storyboard mitgearbeitet und war an der Auswahl der Bilder und Videoclips beteiligt.
Sind Sie auf der Leipziger Buchmesse anwesend?
Auf der Leipziger Buchmesse bin ich 2011 nicht anzutreffen. Jedenfalls ist im Moment kein Besuch geplant. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja noch.
Liebe Frau Löhnig, es würde mich sehr freuen Sie dort zu treffen!
Ich bedanke mich für dieses Interview und wünsche Ihnen und Dühnfort weiterhin viel Erfolg.
Die Bücher aus der Verlosung gingen bereits an
Petra H. aus D.
Claudia H. aus H.
Claudia V. aus B.
Regina A. aus M.
Melanie S. aus D.
 Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten“

2 thoughts on “Interview mit Inge Löhnig

  1. Ein tolles Interview…
    Danke Ricarda für die Mühe und Danke an Frau Löhnig für die Antworten. Es ist interessant mal hinter die Kulissen zu blicken, Autoren und Figuren so noch besser kennenzulernen.
    Danke auch für das wundervolle Buch, ich freue mich riesig und versuche auch rasch eine Rezension zu schreiben.

  2. Ich bedanke mich auch recht herzlich für das Buch. Bei dir, Ricarda und natürlich bei Frau Löhnig.
    Habe schon zu lesen begonnen und bin gespannt, es ist mein erster ‚Dühnfort‘:)

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