Sie sind ja nach Spanien ausgewandert. Wie ist dieser Wunsch in Ihnen entstanden? Verbinden Sie mit diesem Land familiäre Bande?
Mit zwölf Jahren war ich mit meinen Eltern zum ersten Mal an der Costa Brava. Das Meer, der weite Himmel, dieses ganz besondere Licht, die Sonne, die Menschen, die Sprache – alles dort hat mich so sehr begeistert, dass ich gleich wusste: Hier gehörst du hin! Ab da war mein ganzes Tun und Streben darauf ausgerichtet, „irgendwann“ am Mittelmeer zu leben – und dieses „irgendwann“ sollte nicht erst im Rentenalter sein. Nach meinem Studium habe ich den „Sprung in kalte Wasser“ gewagt, der dann gar nicht mal kalt wurde. Da ich „in weiser Voraussicht“ schon mit siebzehn angefangen habe, Spanisch zu lernen, hatte ich dann auch keine Probleme, mich dort einzugliedern. Familie hatte ich damals dort keine; heute aber habe ich hier meine eigene kleine Familie – und Freunde, die mir so nahe stehen, als seien sie meine Familie.
Ich habe gelesen, dass ihr Mann aus Frankreich stammt. Da haben Sie ja die seltene Möglichkeit ihre Kinder nun dreisprachig (deutsch, französisch, spanisch) aufwachsen zu lassen. Versuchen Sie das?
Ehrlich gesagt wachsen meine „armen“ Kinder nicht drei, sondern viersprachig auf. 😉 In der Schule und mit ihren Freunden sprechen sie Katalanisch und Spanisch und das sind zugleich auch die Sprachen, die sie auch schriftlich perfekt beherrschen. Mein Mann redet mit den Kindern Französisch – und ich Deutsch.
Für ihr neues Buch die Maurin waren sicherlich einige historische Recherchen erforderlich. Wie sind Sie da vorgegangen? Wie intensiv recherchieren Sie, bevor sie anfangen zu schreiben? Reicht Ihnen, eine ungefähre Idee von der Zeit und den Verhältnissen zu haben, oder möchten Sie es ganz genau wissen?
Dies schon vornweg: Ich will es ganz genau wissen! 😉 Und deswegen recherchiere ich sehr viel, lange und gründlich. Zunächst lese ich Geschichtsbücher und andere Sachbücher, Reisebeschreibungen, Sekundärliteratur aus der Epoche, historische Romane mit ähnlichen Themen, etc. Darüber hinaus benötigt man oft spezifisches Fachwissen: Bei meinem ersten historischen Roman „Der Nonne mit dem Schwert“ musste ich mir zum Beispiel Wissen über die Schifffahrt im 17. Jahrhundert aneignen und wie die Indios unter der Herrschaft der Spanier lebten. Für „Die Maurin“ habe mir Wissen über die Reconquista, die Mauren, ihren Lebensalltag, ihre Religion, ihre Konflikte mit den Christen und vieles, vieles mehr aneignen müssen. Außer in Büchern findet man heute auch im Internet eine reichliche Fülle von Informationen. Außerdem gehe ich natürlich auch in Museen und besuche die entsprechenden Handlungsorte mitsamt ihren Burgen und Palästen. Aber so gut man sich auch vorbereitet: Beim Schreiben tauchen immer noch zahllose neue Fragen auf. Bei „Die Maurin“ hatte ich das große Glück, dass ein Freund von uns Arabistikprofessor an einer spanischen Universität ist – und er und seine Frau, die ebenfalls „vom Fach“ ist, eine endlose Geduld hatten, mir all die Fragen zu beantworten, auf die ich trotz meiner eigenen Recherche keine Antworten hatte finden können.
Besuchen Sie zur Recherche auch Archive? Oder reisen Sie zu den Handlungsorten, sofern es sie noch gibt? Gab es besondere Details, auf die Sie während der Recherche gestoßen sind?
Auch auf Archive greife ich manchmal zurück, ja. Zum Beispiel auf Listen von dem Gut, was Schiffe befördert haben, auf Testamente oder auf die jährliche Einkaufsliste der Katholischen Könige (sehr interessant! ;-)). Daraus kann man sehr gut ersehen, wer was besessen hat, was einem z.B. auch ein Bild darüber vermittelt, wie die Häuser eingerichtet waren. Aber dies ist nur ein sehr kleiner Teil meiner Recherchearbeit. Und die Reisen zu den Handlungsorten sind natürlich auch ein wichtiger Punkt. Für „die Maurin“ war ich in zwei Mal in Granada, wo es auch eine sehr gute Fachbibliothek zum Thema der Mauren gibt. Außerdem habe ich mir dort natürlich die Alhambra und vieles mehr angesehen und bin auch im Hinterland herumgereist, da dort wichtige Kämpfe stattgefunden haben. Auch Boabdils letzten Zufluchtsort habe ich mir angesehen und war erstaunt, wie unscheinbar dieses Haus war, denn zuvor hatte er in Almeria in einem großen Palast gelebt. Und ebenso war ich auch in Malaga, Sevilla und Cordoba, die ebenfalls eine reiche maurische Vergangenheit haben.
Besondere Details auf der Recherchereise … Da ist so vieles, was einem auffällt und was einen bewegt. Mich hat vor allem betroffen gemacht, wie eifrig die Katholischen Könige und ihre Nachfolger sich bemüht haben, alles zu vernichten, was an die maurische Vergangenheit erinnerte. Moscheen wurden zu Kirchen „umgebaut“, es kam zu Bücherverbrennungen in schier unglaublichem Ausmaß, und ein paar Jahrzehnte später durften die Mauren, die nach dem Ende der Reconquista Morisken genannt wurden, noch nicht einmal mehr ihre Sprache sprechen, ihre Kleidung tragen, ihre Religion ausüben …
Welchen Einfluss hatten Sie auf das Buchcover zu „Die Maurin“?
Wie immer: gar keinen! 😉 Die Gestaltung des Buchcover ist allein Verlagssache; als Autor hat man noch nicht einmal ein Widerspruchsrecht. Aber ich muss sagen, mir gefällt das Cover der Maurin sehr gut.
Erscheinen ihre Bücher auch in spanischer Sprache?
Bisher noch nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden! 😉 Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen, denn die meisten unserer Freunde sind Katalanen oder Spanier und sie würden zu gern einmal lesen, was ich schreibe.
Mich würde interessieren, wie man zum Schreiben historischer Romane kommt. Durch die Liebe zur Kultur des Landes in dem man lebt, dem Interesse mehr darüber zu erfahren? Oder kommt dies durch die Arbeit, vielleicht auch einer Mischung aus vielen Faktoren?
Ich habe mich schon immer sehr für Geschichte interessiert und am liebsten historische Romane gelesen. Ich finde es herrlich, dank eines historischen Romans in vergangene Zeiten „abtauchen“ zu können, weil man dabei nicht nur Wissen über diese Zeiten anhäuft, sondern für eine Weile wirklich in dieser Zeit lebt. Und wenn ich meine historischen Romane schreibe, geht mir das genauso.
Hinzu kommt, dass die spanische Geschichte dadurch, dass ich in diesem Umfeld lebe, einen besonderen Reiz für mich hat – und die Reconquista ist eine Zeit, die mich regelrecht fasziniert: Die Geschichte Kastiliens zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert und speziell die Epoche der sogenannten Katholischen Könige ist nämlich eine sehr spannende und unglaublich bewegte Zeit. Mein Roman spielt während der Regierungszeit von eben diesem Königspaar, das den muslimischen Mauren und überhaupt allen Andersgläubigen, den Kampf angesagt hatte. Sie wollten Spanien „säubern“, es von den Heiden „befreien“ – und die Mauren verteidigten natürlich den Grund und Boden, auf dem sie und ihre Vorfahren inzwischen seit 800 Jahren lebten.
Ich habe eine Figur gesucht, die ich in diese Zeit setzen konnte, die das, was damals geschah, für den Leser erlebbar machen könnte. So entstand Zahra. Sie ist ebenso fiktiv wie ihre Familie, aber doch so „real“, dass alles, was sie erlebt, damals wirklich so gewesen sein könnte. Der Roman erzählt Zahras eigene, ganz persönliche Geschichte, eine Geschichte, in der es um Liebe und Verzweiflung geht, um Vertrauen und Verrat, um Würde und Verachtung, um die eigene Wahrheit und die der anderen …
Einen zusätzlichen Reiz an dem Roman hat für mich ausgemacht, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Muslimen und den Christen heute ein ebenso „heißes“ Thema sind wie damals. Es ist überhaupt ein wundersames Ding, wie brandaktuell Geschichte sein kann.
Lesen Sie selbst gerne und falls ja, sind es dann auch eher historische Romane oder Bücher aus einem ganz anderen Genre?
Ich lese sogar sehr, sehr gerne! Da ich derzeit vor allem im historischen Romangenre arbeite, ist meine Lektüre natürlich an diese Arbeit angepasst. Auf meinem Schreibtisch, neben meinem Bett, dem Sofa, in der Strandtasche und in den Regalen türmen sich historische Romane und Berge von Fachliteratur. Aber ich lese auch sehr gern Psychothriller – weil sie mich in eine ganz andere Welt entführen.
Haben Sie schon ein neues Buchprojekt in Vorbereitung und falls ja, können Sie davon schon etwas verraten?
Derzeit liebäugele ich mein zwei Projekten: Zum einen würde ich gern einen weiteren historischen Roman zur Maurenzeit schreiben – und zum anderen würde mich ein Psychothriller reizen. Bei beiden Büchern sitze ich derzeit an den Vorbereitungen und finde das eine so spannend wie das andere.
Schreiben Sie hauptberuflich oder gibt es noch einen „Brotjob“?
Ich schreibe hauptberuflich. Früher habe ich auch noch viel für Zeitschriften geschrieben und Übersetzungen gemacht, aber seit ein paar Jahren fehlt mir dafür die Zeit. Historische Romane sind sehr umfangreich, man muss am Thema dran bleiben, wenn man keine wichtigen Details vergessen will. Und ich liebe diese Arbeit!
Wie unterstützt ihre Familie Sie bei ihrer Arbeit?
Wirklich unterstützen können sie mich nicht – außer mich, wenn ich mitten in der Arbeit bin, „in Ruhe“ zu lassen. 😉 Ich versuche natürlich, ein Gleichgewicht zwischen meiner Familie und meiner Arbeit zu schaffen, aber manchmal, vor allem vor der Buchabgabe, muss auch einmal die Arbeit vorgehen. Und Gott sei Dank haben sie dafür auch Verständnis!
Sie nutzen Twitter und Facebook. Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zu Lesern und anderen Autoren in Deutschland?
Sehr, sehr wichtig – und genau aus diesem Grund habe ich überhaupt angefangen, mich auf Facebook und Twitter „umzusehen“. Kontakt zu anderen Autoren hatte ich auch vorher schon dank dreier Autorenvereinigungen, in denen ich schon lange Mitglied bin (Quo vadis, Montsegur und Delia) – aber den Kontakt zu den Lesern kann ich von Spanien aus schlecht aufbauen, so dass ich es wirklich genieße, jetzt über Facebook mit ihnen reden zu können. Ich freue mich über jede Frage, biete auf meiner „Fanseite“ auch ständig neue Bilder, historische Informationen oder auch einfach mal Unterhaltendes an, um mit ihnen in Kontakt zu kommen. Und die Reaktionen sind mehr als positiv, was mich sehr freut!
Sind für 2010 Lesungen geplant oder trifft man Sie auf der Buchmesse?
Lesungen sind für die Zukunft zwar „angeplant“, aber es ist eben immer ein bisschen schwer zu organisieren, zumal meine Kinder noch in die Schule gehen und dann rundherum alles „stimmen“ muss. Leider haben wir ja keine Omas oder Opas um die Ecke wohnen und seine Freunde will man ja auch nicht überstrapazieren. 😉 Aber einige Lesungen wird es dieses Jahr sicher im deutschsprachigen Raum geben – und die Buchmesse … Mal sehen!
Liebe Lea, ich danke Ihnen herzlichst für die Beantwortung der Fragen und wünsche weiterhin viel Erfolg bei deiner Arbeit und freue mich schon auf die gemeinsame Leserunde!!
Das signierte Buch geht an Sandra S.
Herzlichen Glückwunsch © Ricarda Ohligschläger
2 thoughts on “Interview mit Lea Korte”
Comments are closed.
ein Klasse Interview und man erfährt so einiges.
Danke dir!! Und danke auch an der Stelle an die immer zahlreichen Fragensteller, die diesen Blog und die Interviews so bereichern.