Herr Dübell, ich hatte ja vor einiger Zeit das Vergnügen eine ihrer Lesungen zu besuchen. Mir gefällt, dass Sie dabei auch viele historische Dinge erläutern. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Die Fakten erarbeitet man sich während der Recherche oder hat sie vielleicht noch von anderen Buchprojekten parat; speziell wenn man, wie mit der Teufelsbibel-Trilogie, über mehrere Bücher hinweg weitestgehend in der gleichen Epoche bleibt. Glücklicherweise hält das Gedächtnis die Informationen noch eine Weile fest, so dass man dann bei Lesungen darüber sprechen kann. Nicht alles ist von vornherein präsent – manchmal braucht es das Gespräch mit dem Publikum und dessen Fragen, um das Wissen wieder „auszugraben“, weswegen ich immer besonders dankbar bin, wenn sich vor oder nach einer meiner Lesungen ein Dialog mit den Zuhörern entwickelt.
Ich komme zwar stets gut vorbereitet zu meinen Lesungen, lege gleichzeitig aber auch großen Wert auf Improvisation und Spontanität, deshalb habe ich an schriftlichen Unterlagen immer nur meinen Manuskripttext dabei. Alles andere ist freie Rede, so wie es sich mir gerade auf die Zunge drängt. Die Vorbereitung sieht so aus, dass ich zunächst den zu lesenden Text leicht einkürze. Verweise auf vorherige oder spätere Kapitel werden als überflüssig gestrichen, innere Monologe der Figuren gestrafft, manchmal ziehe ich auch zwei Kapitel, die durch einen „cliffhanger“ voneinander getrennt sind, für die Lesung zusammen. Ich lese auch nicht aus dem Originalbuch, sondern aus der letzten, mit dem Verlag abgestimmten Manuskriptversion, die ich auf DIN A 3-Bögen ausdrucke. Der Vorteil daran ist, dass sich so mehrere Seiten nebeneinander darstellen lassen und das häufige Umblättern der Buchseiten entfällt, und das wiederum gibt mir mehr Freiheit beim Lesen. Die verschiedenen Stimmen der handelnden Personen werden festgelegt und in Drehbuchmanier am Rand vor ihren Dialogzeilen vermerkt: „heiser“ oder „aufgeregt“ oder „knödelnd“ … was immer ich am passendsten für den jeweiligen Charakter empfinde. Außerdem veranstalte ich – das allerdings schon vor der Manuskriptabgabe bei Lübbe – zu Hause eine Lesung für meine Frau, die sowohl als erste Lektorin eine wichtige Rolle für mich spielt wie auch als Probepublikum für Lesungen. Mit Hilfe ihrer Hinweise überarbeite ich den Text so, dass er von vornherein gut vorgetragen werden kann, was ihm natürlich insgesamt ganz gut tut.
Treffen Sie gerne mit Ihren Lesern zusammen, d. h. mögen Sie Leserunden, Lesungen, Signierstunden usw.? 
Ja, sehr gerne. Tatsächlich hat man ja wenig Gelegenheiten, mit den Menschen zusammentreffen, für die man seine Bücher eigentlich schreibt, nämlich den Leserinnen und Lesern. Begegnungen auf Messen oder die genannten Lesungen und Signierstunden sind da eine willkommene Chance, Augenkontakt herzustellen. Leserunden in Internet-Foren ermöglichen zwar nicht den Direktkontakt, bieten aber gerade dadurch, dass die Teilnehmer sich auch mal trauen, negative Bemerkungen zu machen, eine unendlich wertvolle Möglichkeit, zu lernen und sich beim nächsten Buch zu verbessern. Insofern sind die Leserunden ein Geschenk an die begleitenden Autoren, und ich bin froh, immer wieder von verschiedenen Foren eingeladen zu werden und auch die Lesecommunity im Lübbe-Forum nutzen zu können.
Ich wüsste gern wie sie ausgerechnet zum historischen Roman und dann auch noch zu dem mit Kirchenbezug gekommen sind. Eine weitere Frage habe ich zum Titel „DIE TEUFELSBIBEL“ gab es hier gar keine Schwierigkeiten wegen des Titels, vielleicht mit Verlagen, oder Lesern die daran Anstoß genommen haben Teufel und Bibel in einem Wort zu verwenden?
Die zweite Frage vorweg – ja, es gab den einen oder anderen Vorfall. So wurde ich mehr oder weniger in letzter Minute wieder von einer Lesung in einer katholischen Pfarrbücherei ausgeladen. Ich sollte zwar gar nicht aus der TEUFELSBIBEL lesen, aber den Veranstaltern war der Gedanke ein Graus, dass ein Buch mit diesem Titel evtl. auf dem Büchertisch liegen könnte. Wahrscheinlich war ihnen auch die Vorstellung schrecklich, dem Autor dieses Machwerks ins satanische Antlitz blicken zu müssen. Was den Titel betrifft, wurde ich von einer Buchhändlerin darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihn marktschreierisch und banal fände und das Buch daher nicht zu lesen beabsichtige; ja, wenn ich statt DIE TEUFELSBIBEL den wissenschaftlichen Namen verwendet hätte, also „Codex Gigas“, dann hätte die Geschichte sie interessiert … aber so …
Zu beidem ist zu sagen, dass es die Teufelsbibel tatsächlich gibt und dass sie seit fast achthundert Jahren so heißt. Sie stellt einen der größten Schätze der mittelalterlichen Kirchengeschichte dar. Aber das wusste der Pfarrgemeinderat des Ortes, aus dem man mich so schnöde verbannt hat, offensichtlich nicht, und man hatte wohl auch keinen Zugang zu meiner Homepage, die die geschichtlichen Zusammenhänge erklärt, oder zum nächsten Lexikon. Und die Sache mit dem Titel … was hätte Ihr Interesse mehr erregt? Ein Buch namens DIE TEUFELSBIBEL oder eines mit der Überschrift DER CODEX GIGAS?
Vielleicht ist an dieser Stelle ein kleiner Exkurs über die Teufelsbibel angebracht. Die Teufelsbibel (oder Codex Gigas) ist die größte Handschrift der Welt – und eines der großen Rätsel, die das Mittelalter uns hinterlassen hat. Der 1 m x 50 cm messende Kodex, der 75 kg wiegt und für dessen Pergament angeblich 160 Esel ihr Leben lassen mussten, entstand Anfang des 13. Jahrhunderts und war als Enzyklopädie gedacht. Zusätzlich zu den Schriften des Alten und Neuen Testaments enthält die Teufelsbibel weitere Texte, die in ihrer Gesamtheit all das umfassen, was ein gebildeter Mensch von damals wissen musste. Galt das Buch anfangs noch als achtes Weltwunder, geriet es jedoch bald in Verruf, denn wegen einiger auch heute noch ungeklärten Besonderheiten bildete sich die Legende, dass der Teufel es in einer einzigen Nacht für einen Mönch geschrieben habe, der dafür seine Seele verpfändete. Statt weiterhin für Studienzwecke zur Verfügung zu stehen, wurde die Teufelsbibel in diversen Klöstern versteckt, bis sie Ende des 16. Jahrhunderts in der „Wunderkammer“ von Kaiser Rudolf II. in Prag landete, wo sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges – wahrscheinlich im Auftrag der schwedischen Königin Kristina – von den schwedischen Besatzern geraubt und nach Stockholm gebracht wurde. Dort befindet sie sich heute noch.
Zum historischen Roman bin ich durch mein persönliches großes Interesse an der Geschichte gekommen, wobei das Mittelalter (keine große Überraschung, oder?) zu meinen Lieblingsepochen gehört. Wählt man diese Epoche aus, stellt sich der Kirchenbezug ganz automatisch ein, denn der Einfluss der Kirche auf die gesamte Kultur Europas war kaum jemals größer als im Mittelalter. Wenn man mit Figuren arbeiten will, die das Zeug dazu haben, über ihren Tellerrand hinaus zu blicken, kommt man nicht darum herum, auf Vertreter des Klerus zurückzugreifen. Tatsächlich ist die Differenziertheit der menschlichen Charaktere nirgendwo weiter gespannt als in den Mitgliedern der mittelalterlichen Kirche, auch wenn man heute nur ihren Fundamentalismus sieht. Dass die ersten modernen, auf den Schutz der Frauen ausgelegten Scheidungsgesetze von der Kirche im 12. und 13. Jahrhundert festgeschrieben wurden, wird gern unter den Tisch gekehrt, ebenso der Umstand, dass die meisten antiken Schriften und Philosophien nur gerettet wurden, weil Äbte und Bischöfe sie in ihre Bibliotheken aufnahmen.
Wie kommt man auf die Idee einen solchen Roman zu schreiben? 
Am Anfang stand die Absicht, die Person von Kaiser Rudolf II. dramaturgisch zu bearbeiten, einem der bizarrsten Männer auf dem Reichsthron. Auf der Suche nach einem Thema, das ich mit seiner Person verknüpfen konnte, stieß ich auf seine Wunderkammer in der Prager Burg, eine Sammlung von Kunstwerken, Kitsch und Fälschungen, so umfangreich und wertvoll, dass sie nach mehreren Plünderungen im Jahr 1648 immer noch genügend Kostbarkeiten enthielt, um den in schwedischen Diensten stehende General Königsmarck, der Prag im Sommer 1648 eroberte, durch seine Beute zu einem der vermögendsten Männer im Reich zu machen.
Im Inventar der Wunderkammer war auch die Teufelsbibel gelistet. Wenn man als Autor auf einen Artefakt mit so einem Namen stößt und auch noch feststellt, dass bislang keiner der Kollegen es dramaturgisch aufgegriffen hat, dann weiß man, dass man sein Thema gefunden hat. Dass Kaiser Rudolf II. am Ende nur noch eine Nebenrolle spielt, nahm ich dabei gerne in Kauf.
Ihre historischen Romane spielen an den unterschiedlichsten Orten (z.B. Krakau, Böhmen, Florenz) Sind Sie für ihre Recherchearbeit viel gereist? 
Ja. Ich halte überhaupt nichts davon, Lokalrecherchen mit Hilfe von GoogleEarth und ein paar Urlaubsprospekten vorzunehmen (lachen Sie nicht, so was gibt’s!). Man muss das – leider gibt es kein wirklich passendes deutsches Wort dafür – „feeling“ für den Ort bekommen, um darüber schreiben zu können, selbst wenn es nur ein paar Zeilen sind. Und das bekommt man nur, wenn man dort gewesen ist. Aber da ich Reisen zu einem meiner Hobbies zähle und sehr gerne andere Kulturen, andere Orte und vor allem andere Menschen kennenlerne, fühle ich mich durch diese Reisetätigkeit durchaus bereichert.
Sie beschreiben ja immer sehr anschaulich die Orte in Ihren Romanen. Wie recherchieren Sie da eigentlich, schauen Sie sich die Orte persönlich an und machen sich ein Bild oder eher über das Internet oder Bücher? Wieviel Zeit an Recherchen wird ungefähr für einen historischen Roman veranschlagt? Ist der Zeitaufwand für die Recherche größer als der für das eigentliche Schreiben eines Romans?
Grundsätzlich gehe ich so vor, dass ich einem Landstrich oder einer Stadt, die eine größere Rolle in meiner Geschichte spielen, zwei bis drei Tage widme. Einen Tag lang lasse ich mich nur treiben, beobachte, genieße, versuche das „feeling“ zu bekommen. Den zweiten Tag verbringe ich in vorher bereits terminlich festgelegten Gesprächen mit Archivaren, Museumsleitern, Stadtführern, vielleicht auch Lokaljournalisten. Am dritten Tag sehe ich mir all das genauer an, was ich am zweiten Tag erfahren habe. In Städten wie Krakau oder Florenz oder Venedig braucht es dazu noch einen vierten bzw. fünften Tag, nach Prag bin ich sogar zweimal gereist, während ich in Augsburg, das nicht gar so weit entfernt von meiner Heimat ist, mit insgesamt zwei Tagen ausgekommen bin.
Es kommt immer auch ein bisschen auf die Geschichte an, die man erzählen will. Manchmal spielt der Lokalkolorit eine größere Rolle, manchmal dient er „nur“ als Basis für die Story. So habe ich z.B. für den Roman IM SCHATTEN DES KLOSTERS drei Tage zu Recherchezwecken in Köln verbracht und für DIE BRAUT DES FLORENTINERS, die mehr als doppelt so viele Seiten hat, nur einen Tag in der Umgebung von Bologna (für die in Florenz spielenden Szenen konnte ich auf meine Recherche zu dem früheren Roman EINE MESSE FÜR DIE MEDICI zurückgreifen). Aber bei IM SCHATTEN DES KLOSTERS hat das mittelalterliche Köln quasi die Rolle einer sehr wichtigen Nebenperson; in DIE BRAUT DES FLORENTINERS findet die Haupthandlung aus Gründen der historischen Realität um Bologna herum statt, der Ort dient aber weitestgehend nur der Atmosphäre.
Da viel Recherche während des Schreibens passiert (man kennt ja am Anfang eines Romans oder bei der Erstellung des Exposés noch nicht jedes Detail, über das man ggf. noch etwas in Erfahrung bringen muss), ist es schwer zu sagen, welchen Prozentsatz die Recherche überhaupt an der Gesamtarbeitszeit an einem Roman ausmacht. Sie ist extrem wichtig, so viel ist sicher, da die meisten Leser einen historischen Roman auch deswegen lesen, weil sie darin etwas über vergangene Epochen erfahren. Hier zu schlampen halte ich für ausgesprochen schlechten Stil. Sicherlich ist der Zeitaufwand nicht größer als der für das Schreiben des Manuskripts. Bei mir ist es eher so, dass die Arbeit am Exposé (20 – 30 Seiten) ungefähr genauso lange dauert wie die Arbeit am Roman selbst (600 – 800 Seiten). Mir ist die Schlüssigkeit der Handlungs- und Charakterentwicklungsbögen sehr wichtig, und daher verwende ich viel Sorgfalt auf das Exposé.
Haben sie eine Vorliebe für ein bestimmtes Zeitalter?
Ich mag die Epoche, die allgemein als Mittelalter bezeichnet wird, sehr gerne, mit einem dicken Renaissance obendrauf und gern dem einen oder anderen Ausflug in die Frühe Neuzeit. Der römischen oder griechischen Antike kann ich nicht so viel Begeisterung entgegenbringen, und alles, was ab Sonnenkönigs Zeiten folgt, macht mich auch nicht so besonders heiß. Das bedeutet aber nun nicht, dass ich die Chance, eine tolle Geschichte in einer dieser Epochen zu erzählen, nicht ergreifen würde, wenn Thema, Story und Charaktere unwiderstehlich wären.
Sie sind ein erfolgreicher Autor. Wie fühlt sich so etwas an? Wie sind sie darauf gekommen überhaupt Schriftsteller zu werden? Was hat Sie angetrieben?
Wenn ich die Chance bekomme, auf diese Fragen zu antworten, sage ich stets, dass ich den besten Beruf der Welt habe. Davon bin ich nach wie vor überzeugt und auch sehr dankbar. Ich weiß, dass ich viel Glück hatte. Natürlich steckt auch eine Unmenge disziplinierter Arbeit dahinter, aber wie schon Napoleon sagte: Es braucht Fortune. Insofern fühlt es sich wirklich, wirklich gut an, dieses Leben als Autor. Wäre ich fünftausend Jahre früher geboren, wäre ich wahrscheinlich der Typ, der am Feuer die Geschichten erzählt, während die Jäger und Sammler darum herum sitzen und mit großen Augen zuhören.
Es gibt in meinem Leben keinen Zeitpunkt, an dem ich den bewussten Vorsatz festmachen könnte, jetzt Autor zu werden. Eigentlich habe ich schon immer gern Geschichten geschrieben. Es gibt allerdings den Punkt, an dem ich mir vorgenommen hatte, statt meiner bisherigen Kurzgeschichten einmal einen richtig umfangreichen Roman zu schreiben. Das war letztlich der Beginn einer Laufbahn, die bis heute 13 Romane hervorgebracht hat und es mir ermöglicht, als freiberuflicher Autor zu leben.
Mein Antrieb ist ähnlich dem eines Komponisten – wenn ich mehr von Musik verstehen würde, wäre ich wahrscheinlich tatsächlich Komponist geworden. Wie mit der Musik auch, kann man mit dem Erzählen von Geschichten die Menschen erreichen und ihr Inneres berühren. Ich möchte Gefühle wecken, möchte die Leserinnen und Leser zum Lachen und zum Weinen bringen und sie mitnehmen auf die emotionale und intellektuelle Reise, die ich selbst beim Schreiben des Manuskripts erleben durfte.
Herr Dübell, Sie haben nun schon einige Bücher geschrieben und mich würde interessieren wann für Sie der Moment gekommen war zu sagen, dass sie nur noch hauptberuflich schreiben?
Ich bin Familienvater mit zwei kleinen Söhnen (und einer Katze, aber die mag mich nicht), und diese Verantwortung hat mich lange Zeit zögern lassen, meinen bürgerlichen Beruf an den Nagel zu hängen und mich auf die Muse des Schreibens zu verlassen. Anfang des neuen Jahrtausends aber sah ich ein, dass ich die Belastung, einem Vollzeitberuf als Führungskraft in einem mittelständischen Unternehmen nachzugehen und gleichzeitig noch Ehemann, Papa und Autor zu sein, der jedes Jahr einen siebenhundert-Seiten-Roman schreibt, nicht mehr lange würde verkraften können. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich doch beschloss, mein Glück mit der Muse zu versuchen. Bis jetzt hat sie mir dankenswerter Weise die Treue gehalten.
Woher beziehen Sie Ihre Inspiration? 
Aus der Historie selbst, aus den Werken der Autoren, die ich verehre, aus Zeitungsberichten, aus Musik und durchaus auch aus Filmen. Zuweilen werden mir auch Ideen geschenkt – von Freunden, von Lesern, von meinem Verlag. Wenn es nicht zu prätentiös klänge, würde ich sagen, das Leben an sich inspiriert mich.
Wollten Sie schon immer Autor werden? Falls nicht, was war als Kind Ihr Berufswunsch?
Ähem. Als Junge wollte ich unbedingt Düsenjägerpilot werden. Dass ich doch eher für Maus und Tastatur geschaffen bin statt für den Steuerknüppel eines Tornado, stellte ich im Teenageralter fest, als ich begann, mit meinen Geschichten und Grafiken im Science-Fiction-Fandom Fuß zu fassen. Von da an wurde ich vom Pfad zum Autorenleben eigentlich nur durch die Tatsache abgelenkt, dass ich einen Beruf erlernen und das nötige Kleingeld verdienen musste.
Wie verbinden Sie das Schreiben mit ihrer Familie? Nehmen Sie sich für beide Bereiche bestimmte Zeiten?
Grundsätzlich versuche ich, feste Schreibzeiten einzuhalten, die sich mit den kreativen Hochphasen meines Tages decken. In der restlichen Zeit widme ich mich meiner Familie, und wenn dann noch ein paar Minuten übrig sind, mir selbst ;-). Man kann das ganz gut eintakten. Sollte mich die Muse einmal unberechenbarer Weise zu einer Tageszeit küssen, an der ich nicht am PC sitze, versuche ich mir die Eingebung entweder zu merken oder sie kurz aufzuschreiben, oder ich verabschiede mich halt doch für eine Weile an den Schreibtisch. So flexibel muss die Gemeinsamkeit innerhalb einer Familie schon sein, und meine Kinder und meine Frau sind in dieser Hinsicht auch sehr pflegeleicht.
Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, ein erfolgreicher Schriftsteller zu sein? Hat es sich direkt nach der Veröffentlichung Ihres ersten Romans eingestellt?
Da kommt jetzt die interessante Frage auf, wie man den Erfolg definiert. In Auflagezahlen? In verkauften Filmrechten? In guten Kritiken? In der Begeisterung der Leserinnen und Leser? In der Befriedigung, die Geschichte so gut erzählt zu haben, wie man nur konnte, und sie selbst gelungen zu finden?
Nach der Veröffentlichung meines ersten Romans, DER TUCHHÄNDLER, waren innerhalb weniger Wochen alle Lizenzrechte verkauft (Taschenbuch, Reader’s Digest, Filmrechte), und der Roman ging beinahe sofort in die zweite und dritte Auflage. Heute liegt er in vielen unterschiedlichen Hardcover- und Taschenbuchversionen vor, die wiederum alle mehrere Auflagen geschafft haben. Dieser Erfolg blieb mir bislang in fast allen meinen Büchern treu. Es scheint, dass ich etwas richtig gemacht habe. Ich könnte aber nicht behaupten, dass ich mich jemals hingesetzt und geseufzt habe: Ha, jetzt bin ich ein erfolgreicher Autor! Vielmehr habe ich mir gedacht: Hoffentlich kann ich die Erwartungen meiner Leserinnen und Leser mit dem nächsten Projekt wieder genauso erfüllen und sie trotzdem noch überraschen.
Ich kann mittlerweile vom Schreiben leben – dafür bin ich sehr dankbar. Ich erfahre viel Zuspruch von meinen Lesern, meinem Verlag und den Kritikern – das freut mich. Ich bin dank meiner Familie und guter Freunde mit den Füßen auf dem Boden geblieben – das erleichtert mich. Leute erzählen mir bei Signierstunden, dass sie sich in die eine oder andere meiner Figuren verliebt hätten – das macht mich ein bisschen stolz. Ich weiß, dass meine Bücher in fast zwanzig Ländern auf der Welt gelesen werden – das macht mich ebenfalls stolz. Und ich erhalte die Gelegenheit so wie hier in diesem Interview, meine Gedanken mit Ihnen zu teilen – das fordert mich heraus und inspiriert mich. Ist das das Gefühl, ein erfolgreicher Autor zu sein?
Was machen Sie, wenn Sie eine Schreibblockade haben?  
Ich hatte Gott sei Dank noch nie eine, also kann ich hier nur theoretisch antworten. Ich würde einfach mit einem anderen Projekt beginnen, oder, wenn schreibtechnisch überhaupt nichts mehr geht, meinem Verlag frühzeitig Bescheid geben (es könnten ja fest vereinbarte Veröffentlichungstermine in Gefahr geraten) und dann eine Weile Auszeit nehmen. Ich versuche stets meine Hobbies immer ein bisschen am Leben zu halten, also würde ich mich eine Weile mit der Malerei, mit Fotografie oder mit Sport befassen. Vielleicht würde ich auch ein paar Tage allein Urlaub machen. Auf jeden Fall würde ich viel lesen. Hilft das weiter?
Warum schreiben Sie gerade historische Romane? Was reizt Sie an dem historischen Genre? 
Ich darf hier auf eine ähnliche Frage und meine Antwort dazu weiter oben verweisen, möchte aber noch hinzufügen, dass ich ein überzeugter Anhänger der Philosophie bin, derzufolge man seine Zukunft nicht gestalten kann, wenn man seine Vergangenheit nicht kennt. Historische Romane zu schreiben macht außerdem einen Riesenspaß! Man lernt ständig etwas Neues darüber, woher unsere heutige Gesellschaft kommt, und es ist eine interessante intellektuelle Herausforderung, durchaus modern scheinende Themen, die einen interessieren, schlüssig und ohne Anachronismen in die Vergangenheit zu transportieren. Dass dies immer wieder gelingt, ist übrigens ein schöner Beweis dafür, wie nahe wir unseren Altvorderen und deren Ängsten, Hoffnungen und Begierden tatsächlich noch sind.
Schreiben Sie auf dem PC oder per Schreibmaschine oder vielleicht noch per Hand?
Ich schreibe so gut wie alles auf dem PC. Wenn ich aber das Gefühl habe, vor allem wichtige Dialoge nicht so pointiert hinzubekommen, wie ich gerne möchte, weiche auf den Füller und ein Blatt Papier aus. Man glaubt gar nicht, wie straff man auf einmal formulieren kann, wenn einem die Pfote schon wehtut vom Schreiben.
Sie haben ja schon einige historische  Romane veröffentlicht, spielt das Mittelalter auch außerhalb Ihrer Romane für Sie eine große Rolle?
 Es spielt insofern eine Rolle, als dass ich freundschaftliche Beziehungen zu einer historischen Musikgruppe habe (die sich allerdings von Musik und Gewand her im Dreißigjährigen Krieg bewegen) und einer der Mitwirkenden der Festspiele zur Landshuter Fürstenhochzeit bin, die (original) im Jahr 1475 stattfand und alle vier Jahre in meiner Heimatstadt gefeiert wird – das nächste Mal im Jahr 2013. Meine Rolle ist die des historischen Chronisten und Hilfspfarrers Veit Arnpeck, einer der wichtigsten bayerischen Geschichtsschreiber und Wegbereiter für Aventinus. Dann rasiere ich mir den Bart ab, lasse meine Haare noch länger wachsen als üblich und schlüpfe für vier Wochenenden in meine Soutane, mit dem Gänsekiel und dem Tintenfass in der schwarzgefleckten Hand und ständig auf der Suche nach möglichst originalgetreuem mittelalterlichem Papier.
Das Mittelalter spielt übrigens für uns alle eine große Rolle, was m.E. auch der Grund für die Faszination mit dieser Epoche ist. Unsere gesamte europäische Kultur, das Nationalbewusstsein und unser christlicher Glaube, ob evangelisch oder katholisch, ist im Mittelalter „entwickelt“ und manifestiert worden. Wir sind, nach fünfhundert Jahren, eigentlich immer noch im Mittelalter – und ich meine das durchaus positiv.
 Hören Sie, während Sie schreiben Musik? Wenn ja, welche Musikrichtung sagt Ihnen am meisten zu?
 Nicht immer, aber doch oft. Meine Vorliebe geht dann zu klassischer Filmmusik und zu Komponisten wie Jerry Goldsmith, John Williams, James Horner, Hans Zimmer usw. Zur Entspannung höre ich gern guten alten Rock, kann aber auch mit Frank Sinatra was anfangen. Da ich lange Rock’n Roll getanzt habe, schalte ich auch bei den alten Elvis-Sachen nicht gleich das Radio aus, und ein Freund von mir versucht seit Jahren erfolgreich, mich für Blues-Rock zu begeistern.
Lesen Sie selbst gerne und haben Sie eine/n Lieblingsautor/in? Haben Sie einen literarischen Geheimtipp, für die Blogleser/innen?
 Einen Dauerplatz auf meiner Lieblingsliste haben Autoren wie Terry Pratchett, Stephen King, Raymond Chandler, George MacDonald Fraser, Martin Cruz Smith und Giovanni Guareschi. Ansonsten geht es mir wie allen anderen – die Begeisterung wechselt immer wieder mal, und aus der Verehrung für den einen oder anderen wächst man einfach heraus, was nichts mit der Qualität von deren Büchern zu tun hat, sondern mit der eigenen Entwicklung.
Einen literarischen Geheimtipp … hmmm … diejenigen, die STEIN UND FLÖTE von Hans Bemmann noch nicht kennen, seien darauf hingewiesen. Es ist die Geschichte, die SIDDHARTA hätte werden können, wenn Hermann Hesse nicht sein eigenes schriftstellerisches Ego in die Quere gekommen wäre. Wer’s gern fantastisch mag: Ray Bradbury und Roald Dahl. Wer ein interessantes literarisches, wenn auch dramaturgisch nicht hundertprozentiges stimmiges Experiment lesen will: DER BLAUE KAMMERHERR von Wolfgang von Niebelschütz.
Welche neuen Projekte sind derzeit in Planung? 
Im Frühjahr 2011, rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse, wird mein nächstes Buch erscheinen, das derzeit den Arbeitstitel DIE PFORTEN DER EWIGKEIT trägt und die Leserinnen und Leser mit ins 13. Jahrhundert nimmt, zu einer eigenwilligen Zisterziensernonne, ihrem ganz persönlichen Traum von der Liebe und in eine Zeit, in der die Menschen überzeugt waren, dass jeden Tag das Jüngste Gericht anbrechen konnte. Daneben habe ich ein Jugendbuchprojekt entwickelt, das seine Basis selbstverständlich auch in der Historie hat, für das aber noch keine genauen Erscheinungstermine feststehen. Nicht zuletzt schreibe ich seit einiger Zeit mit großer Freude Artikel für P.M. History, und auch was diese Tätigkeit betrifft, hoffe ich für die nächsten Jahre noch Pläne machen zu dürfen.
Finden wir in Ihren Büchern auch ein Stück Ihrer eigenen Person wieder? 
Ich glaube, in den Figuren aller Autoren finden wir irgendwo Teile ihrer Persönlichkeit wieder. Das ist in Ordnung, solange es nicht übertrieben wird; es soll ja Autoren geben, die ihre Hauptfiguren sogar noch rein äußerlich ihnen selbst ähneln lassen, oder – was ich persönlich für absolut pubertär halte – die sich selbst als Figuren in die Handlung schreiben. Wer Clive Cussler gelesen hat, weiß, was ich meine. Was mich betrifft, steckt natürlich ein bisschen was vom Dübell in Peter Bernward, oder in Philipp Truchseß, oder in Raymond le Railleur, oder in Wenzel von Langenfels und all den anderen. Aber die autobiografischen Züge sind ganz fein dosiert. Eher schon finden sich Freunde in der einen oder anderen Figur wieder, und ich freue mich immer diebisch, wenn dieses Freunde dann mit argwöhnischem Gesicht ankommen und fragen: „Sag mal, die und die Figur – soll das etwa … ich … sein?“ Es versteht sich von selbst, dass das immer nur positive Charaktere sind.
Interessanterweise wird man als Autor, der auch Gewaltszenen als das beschreibt, was sie sind, nämlich brutal und hässlich, gerne gefragt, wie stark denn die eigene dunkle Seite ausgeprägt sein müsse, damit man so etwas schreiben könne. Das ist natürlich Unfug. Man wäre sein Geld als Autor nicht wert, wenn man sich nicht in Gedankengänge und Handlungsweisen hineinversetzen könnte, die einem selbst fremd sind. Komisch ist, dass man das nie im Zusammenhang mit den erotischen Szenen gefragt wird, die man geschrieben hat … 😉
Was glauben Sie, wer ist glücklicher – Menschen, die sich immer anpassen oder Menschen, die immer ihr eigenes Ding durchziehen? 
Glück ist etwas sehr persönliches, und es soll Leute geben, die glücklich sind, wenn sie von allen anderen in Ruhe gelassen werden. Insofern lässt sich die Frage schwer beantworten. Ich denke, der Mensch ist glücklich, der es geschafft hat, genau das bekommen zu haben, was er nötig hatte, und das erreicht hat, wozu er auf der Welt ist. Ich weiß, das klingt wie der Pfarrer in der Kirche. Aber es muss ja auch nicht jede Predigt falsch sein, oder?
Lieber Richard, ich bin begeistert von diesem tollen Interview!! Vielen, vielen Dank für ihre Zeit. Ich wünsche Ihnen für ihre weiteren Projekte von Herzen alles Gute und mir mindestens noch eine Lesung mit Ihnen. 😉Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Karoline A.
Michaela G.
Lena B.
Herzlichen Glückwunsch
© Ricarda Ohligschläger

2 thoughts on “Interview mit Richard Dübell

  1. Ich hab gewonnen???
    Ohhhhhhhhhh vielen Dank! *freu*
    Ich freu mich schon total auf dieses Buch!
    Und den beiden anderen Gewinnerinnen natürlich auch Herzlichen Glückwunsch!
    Ein tolles Interview, eine tolle Verlosung, ein toller Gewinn :o))
    LG Ela

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