Hallo Herr Fitzek, schön, dass Sie sich trotz Lesereise Zeit für diese Aktion nehmen. Ihr neuer Roman „Der Augensammler“ ist gerade erst erschienen. Gönnen Sie sich nach diesem weiteren Erfolg erst mal eine Atempause vom Schreiben? 
Nein, das geht leider nicht. Ich hab noch einen Monat, dann beginnt der zweite Teil meiner Lesereise und ich bin wieder vier Wochen auf Achse. Den August muss ich also nutzen, um mein nächstes Buch vorzubereiten.
Wie kommt man auf einen Titel wie „Der Augensammler“? War das Ihre Idee?
Ja, der Titel ist auf meinem Mist gewachsen. Er war irgendwann einfach in meinem Kopf. Das ist genau so, wie mit den Ideen für meine Thriller. Leider kann ich meistens nicht genau erklären, wie ich auf sie komme. Genau genommen auch umgekehrt: die Ideen kommen zu mir.
Ist es schwierig, nach einem so guten Besteller beim folgenden Buch dann so erfolgreich anzuknüpfen. Ich kann mir gut vorstellen, dass da schon einiger Druck dahinter steht (wenn man sich den Druck vielleicht auch nur selber macht als Autor).
Als ich anfing zu schreiben, hatte ich nur ein einziges Motiv: Ich wollte eine Geschichte zu Papier bringen, die ich selber gerne lesen würde. Wann immer ich jetzt so etwas wie Druck spüre (Abgabe-, Auflagen-, Erfolgsdruck), dann erinnere ich mich daran, wie alles begann und schon geht’s mir wieder gut.
In einigen Ihrer Bücher kommen übernatürliche Szenen vor. In Ihrem aktuellen Buch „Der Augensammler“ behauptet eine Frau durch bloße Berührung in die Vergangenheit eines jeden sehen zu können. Wie stehen Sie privat zu diesem Thema? Glauben Sie an das Übersinnliche? 
Ich bin ein skeptischer Realist und denke, dass die meisten übernatürlichen Beobachtungen eine ganz logische Erklärung haben. Und für den Rest, der uns scheinbar unerklärlich erscheint, werden wir sicher irgendwann eine Antwort finden. Uns Menschen gibt es ja erst seit sehr kurzer Zeit auf diesem Planeten (einige hunderttausend Jahre), während es die Erde schon mehrere Milliarden Jahre gibt. Logisch, dass wir in dieser Zeit noch nicht alle Naturgesetze entschlüsselt haben.
Ihre Romane beschäftigen sich auch sehr mit Themen, die psychologischen Tiefgang haben. Wie recherchieren Sie dafür? 
Ich fürchte, das ist völlig unspektakulär. Ich treffe mich mit Experten, gehe in die Bibliothek und befrage das Internet. Viel Hilfe bekomme ich übrigens von meinen Lesern. Jüngst zum Augensammler, wo mir via Twitter, Facebook und Email zahlreiche Blinde Rede und Antwort standen.
Warum haben Sie sich nach abgeschlossenem Studium gegen eine Arbeit als Jurist entschieden und wie sind Sie dann zum Schreiben gekommen?
Man kann sich nicht für oder gegen das Schreiben entscheiden. Autor ist (zum Glück) kein herkömmlicher Beruf. Es ist eine Berufung, die einem keine Wahl lässt. Wenn man diesen inneren Drang in sich hat, Geschichten erzählen zu wollen, dann muss man das einfach tun. Auch aus diesem Grund gibt es jedes Jahr ein Buch von mir. Sobald mich eine Idee heimsucht, die mich elektrisiert, hab ich keine Wahl mehr – ich setz mich an den Schreibtisch. Zum Schreiben bin ich übers Lesen gekommen. Ich denke, die meisten Autoren waren irgendwann von Büchern so sehr fasziniert, dass sie es einmal selbst ausprobieren wollten.
Wie viel Zeit nimmt das Schreiben in Ihrem Leben ein? 
Fast jede freie Minute. Denn zum Schreiben gehört ja nicht nur das Schreiben (guter Satz, wow – was für ein Tiefgang;) sondern auch das Nachdenken, Plotten, Recherchieren, Diskutieren oder – so wie jetzt – Interviews geben. Und selbst wenn ich mal abschalten will, kreisen die Ideen in meinem Kopf weiter umher.
Wie hat sich Ihr Leben mit dem Erfolg als Autor verändert? 
Gar nicht. Ich fahre immer noch Ferrari und lebe in meiner 20 Zimmer Villa 😉 Nein, im Ernst: das Schreiben hat mein Leben unglaublich positiv bereichert, unter anderem weil ich über meine Bücher Kontakt zu unglaublich vielen und interessanten Menschen bekommen habe. Leider bleibt mir kaum Zeit, die Kontakte zu pflegen, da ich ja weiterschreiben muss.
Wer hat Sie in ihrer Autorenkarriere am meisten beeinflusst oder inspiriert? 
Mein Literaturagent Roman Hocke. Er arbeitete lange mit mir an meinem ersten Thriller „Die Therapie“ und besorgte mir dann meinen ersten Vertrag. Er uns das Team seiner Agentur AVA-international haben meinen Erfolg erst möglich gemacht.
Ich wüsste gerne, was sie dazu inspiriert solch hochgradig spannenden Thriller zu schreiben. Wo nehmen Sie die ganzen Ideen her? Träumen Sie davon? Und wir Ihnen beim Schreiben nicht selbst manchmal Angst und Bange? Ich persönlich kann Ihre Bücher nämlich nur bei Tageslicht lesen. 😉
Leider kann ich das nicht allgemeingültig beantworten. Wie schon oben gesagt, die Ideen kommen zu mir, ich nehme sie mir nicht irgendwo her. Ich finde mich immer wieder in inspirierenden Alltagssituationen wieder oder treffe auf verhaltensauffällige Menschen, die es hier in Berlin sehr häufig gibt. 😉
Auch wenn sie mehrfach gesagt haben, dass alles was sie schreiben sich tatsächlich so zugetragen hat (mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern), würde mich interessieren, wie viel von Ihnen selbst steckt in den Personen, die Sie in Ihren Thrillern beschreiben?
Ich selbst vermeide immer irgendwelche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, mich eingeschlossen. Da mein Unterbewusstsein allerdings mein heimlicher Co-Autor ist, fürchte ich, dass in jedem Charakter auch eine Prise Fitzek steckt. Leider auch in den Psychopathen.
Mich würde interessieren, ob Sie nicht Angst haben, dass die Psychologie, die sie in Ihren Büchern anwenden, vielleicht Sie selbst mal treffen könnte? Denn ich denke, wenn man so einen Thriller schreibt, lässt einen dieses Thema nicht ganz kalt.
Nein, eher im Gegenteil. Schreiben ist für mich eine Art Therapie mit der ich meine Ängste verarbeite. So gesehen stülpe ich Ihnen als Leser meine Albträume über und kann danach selbst sehr ausgeglichen durch das Leben gehen.
Planen Sie weitere so spannende (Psycho)Thriller oder reizt es sie nicht einmal ein völlig anderes Genre auszuprobieren?
Sobald mich einmal eine Idee ereilen sollte, die kein Psychothriller ist, die mich aber dennoch fasziniert, werde ich mich nicht sträuben das Genre zu wechseln. War bislang aber noch nicht der Fall.
Welchen Ihrer selbst erdachten Charaktere würden Sie einmal am liebsten in ihrem eigenem Leben begegnen und welchem auf gar keinen Fall?
Ich würde alle gerne treffen. Am liebsten die Bösen.
Wie würden sie sich selbst charakterisieren?
Als eine Person, die sich selbst sehr schlecht charakterisieren kann.
Gruselt es Sie manchmal selber, wenn Sie über Ihre literarischen Stories nachdenken? Vermuten Sie manchmal nicht, dass die Fiktionen, die Sie beschreiben, auch Realität sein könnten?
Frage oben bereits beantwortet!
Schreiben Sie eigentlich jeden Tag? Inwieweit beeinflusst die Tätigkeit als Schriftsteller Ihren Alltag? Gibt es Situationen, in denen Sie sagen „Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern, ich muss Schreiben.“?
Auch hierauf habe ich indirekt schon geantwortet. Schreiben IST mein Alltag. Mit allem, was dazu gehört. Aber natürlich nutze ich meine Leidenschaft auch gerne als Ausrede, zum Beispiel wenn ich den Müll rausbringen soll;)
Was tun Sie gegen Schreibblockaden?
Glücklicherweise hatte ich die bislang kaum. Aber wenn, dann soll es helfen, einfach weiterzuschreiben. Auch wenn man weiß, dass die folgenden Sätze nicht so gut werden. Die geistige Blockade ist wie ein körperlicher Krampf. Er löst sich durch Gegendruck.
Ein Autor erzählte mir einmal, dass er beim Schreiben immer eine bestimmte Teesorte trinke. Haben Sie auch solche Schreibrituale?
 Ja, ich schalte immer vorher den Laptop an. Verrückte Angewohnheit.;-)
In Ihren Romanen treten komplexe Figuren auf. Gibt es Notizen für die Vorgeschichte, Vergangenheit und Eigenheiten bestimmter Charaktere? Wie viel Zeit kostet der Ausbau eines einzelnen Charakters? Wie gestalten Sie Ihre Charaktere?
Ich hab kürzlich das Vergnügen gehabt, Harlan Coben auf dem ThrillerFest in New York zu treffen. Und er sprach mir aus der Seele, als er sagte, dass sich bei ihm die Figuren aus der Story heraus entwickeln.
Ich halte überhaupt nichts davon, detaillierte Lebensläufe und Personenbeschreibungen anzulegen und es interessiert mich erstmal nicht, ob meine Figur in der dritten Klasse von der Lehrerin ungerechterweise einen Tadel bekommen hat, einst Studentensprecher war oder was sie für Klamotten trägt. Es sei denn, diese Informationen sind für die Geschichte, die ich erzählen will, relevant. Viel interessanter ist für mich immer, wie die Person auf bestimme Ereignisse reagiert. Wie verhält er sich in Konflikten? Ob jemand bei einer Bedrohung zur Polizei geht, seinen vorbestraften Freund anruft oder die Sache selbst regelt sagt doch viel mehr über den Charakter aus, als die Farbe seiner Haare.
Gibt es bei ihren Büchern irgendeine Figur, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist, Herr Fitzek?
Ja. Alle die, die dann auch in meinen weiteren Thrillern wieder auftauchen.
Ihre Bücher werden ja weltweit gelesen. Haben Sie denn während der Übersetzungsprozesse Kontakt zu den jeweiligen Übersetzern oder läuft das eher anonym ab?
Das ist sehr unterschiedlich. Zu einigen habe ich einen sehr intensiven Kontakt, wie zum Beispiel mit meinem Übersetzer aus England und meiner italienischen Übersetzerin. Jüngst bekam ich eine Anfrage aus China. Hier wollte der Übersetzer wissen, was „Stützstrümpfe“ sind. Ich hab ihm den Wikipedia-Link geschickt. 😉
Wie kommen Ihre Bücher im englischsprachigen Raum an?
Wir sind hier mit einer sehr kleinen Auflage gestartet und ich bekomme heute noch begeisterte Post von denen, die „Die Therapie“ gelesen haben. Selbst Hollywood wollte die Filmrechte, aber die sind ja schon vergeben, auch wenn die hier in Deutschland leider nicht zu Pott kommen. (Aber das ist eine andere Geschichte). In der Masse liege ich natürlich weit hinter der Auflage in Deutschland zurück. Aber das ist ja auch klar – im Heimatland des Thrillers hat man nun nicht unbedingt auf Mr. Fitzek gewartet. Doch immerhin läuft es so gut, dass dort demnächst mein zweiter Roman erscheint.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man zu den wenigen deutschen Thrillerautoren gehört, deren Bücher weltweit erfolgreich veröffentlicht werden?
Das ist sehr irreal. Vor allem, wenn man teilweise gar nicht weiß, wie rum man das Buch überhaupt halten soll (japanische Ausgabe), das einem freundlicherweise vom Verlag zugeschickt wurde. Irgendwann will ich all die Länder mal besuchen, in denen ich erscheine. Bis dahin freue ich mich sehr an dem Gedanken, dass womöglich gerade jetzt jemand in einer Moskauer U-Bahn oder in Costa Rica am Strand sitzt und eines meiner Bücher liest.
Mein Mann hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass in den Neuauflagen von „Amokspiel“ keine Überraschungseier mehr an der Kasse von Aldi stehen. Wieso wurde dies geändert?
Leser zählen nicht nur zu meinen wichtigsten Recherchequellen, sie sind auch sehr gute Lektoren, die mich immer wieder auf kleine Unstimmigkeiten in meinen Büchern aufmerksam machen, die ich dann in den Folgeauflagen korrigiere. So gab es zwar tatsächlich eine Zeit lang in einigen Aldi-Märkten Ü-Eier, nur standen die nie an der Kasse. Mehrere Leser schreiben mir unter fitzek@sebastianfitzek.de und ich hab’s geändert. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön für die konstruktive Hilfe!
Welches Ihrer bisher erschienenen Bücher ist ihr persönliches „Lieblingskind“?
Fragen Sie mal eine Mutter, welches Kind sie lieber hat. Selbst, wenn sie es weiß, darf sie das doch nicht sagen …
Und ich wüsste es wirklich nicht. Einen besonderen Platz hat immer das jüngste Buch, weil es noch so frisch ist. Aktuell also „Der Augensammler“.
Können Sie sich vorstellen auch mal ein Buch in einem komplett anderen Genre zu schreiben bzw. haben sie das früher vielleicht schon mal (nur für sich) getan?
Frage oben schon beantwortet.
Lesen Sie selbst auch gerne und wenn ja, welches Genre?
Ja, ganz egal was. Alles, was mir unter die Kontaktlinsen kommt. Genre ist egal.
Welches Buch hat ihr Leben geprägt bzw. sie verändert?
„Unterm roten Dach“ von Enid Blyton. Das erste „richtige“ Buch, das ich in meiner Kindheit gelesen habe. Zumindest, soweit ich mich erinnern kann.
Sie scheinen ja ein sehr beschäftigter Mann zu sein. Kommen sie überhaupt noch selbst zum Lesen? Wenn ja, wie viele lesen Sie im Monat durchschnittlich und welches Buch hätte es Ihrer Meinung nach verdient ein Bestseller zu werden?
Ich lese täglich, mindestens eine Seite vor dem Einschlafen. Im Monat schwankt das zwischen zwei und vier Büchern.
Ich denke, alle Bücher von Harlan Coben und Dennis Lehane sollten auch in Deutschland Bestseller sein.
Können Sie schon verraten was uns Leser demnächst aus Ihrer Feder erwartet?
Das steht noch nicht ganz konkret fest. Aber vermutlich werden wir einigen Figuren aus dem Augensammler wieder begegnen.
Wird man Sie auf der Buchmesse in Frankfurt treffen können?
Ja, aber nur an einem einzigen Tag (dem Messe-Donnerstag). Da bin ich sicher oft am Droemer Stand.
Lieber Herr Fitzek, ich danke Ihnen sehr für ihre Zeit und die Beantwortung der Fragen. Für Ihre zukünftigen Projekte wünsche ich Ihnen alles Gute!
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Nadine D.
Nicole R.
Miss Bookiverse
Herzlichen Glückwunsch! Die Bücher werden nächste Woche ihren Empfänger erreichen.
© Ricarda Ohligschläger
Foto ©  Lucia Fuster

4 thoughts on “Interview mit Sebastian Fitzek

  1. Sehr interessantes Interview, Ricarda. Ich liebe Sebastians Bücher sehr. Fantastisch und sehr einfallsreich geschrieben. Ich glaube kaum, dass in Deutschland ein Autor einen so brillanten Erstling wie „Die Therapie“ veröffentlicht hat.

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