Ich bin Linus – Leseprobe
Ein Satz, der wie eine Selbstverständlichkeit klingt – «Ich bin Linus» –, doch er teilt sein Leben in ein Davor und Danach. Auf beeindruckende Weise erzählt Linus Giese, warum er einunddreißig Jahre alt werden musste, um laut auszusprechen, dass er ein Mann und trans ist und warum sein Leben heute vielleicht nicht einfacher, aber sehr viel glücklicher ist.
«Wer verstehen will, welche verschlungenen Wege es manchmal sein können, auf denen sich die eigene Identität entdecken lässt, wer verstehen will, wie sich eine Person immer wieder neu finden kann, wer verstehen will, was es heißt, trans zu sein, dass das nicht nur im Singular, sondern im Plural existiert, dass es ein ganzes Spektrum gibt, wie sich als trans Person leben, denken und lieben lässt – all denen sei dieses Buch ans Herz gelegt.» (Carolin Emcke)
Ich verfolge die Entwicklung von Linus schon eine ganze Weile und war auf dieses Buch sehr gespannt. Umso erschütterter war ich über die Zeilen, die sich mir offenbarten, denn ich habe Linus immer als eine ganz andere Person wahr genommen als die, die mir in diesem Buch entgegenkommt.
Verunsichert, gejagt, verzweifelt und mutlos – Linus spricht offen über Hetze im Netz, Selbstzweifel und Einsamkeit.
Nur eines deckt sich komplett: die Worte über die Person, die er einmal war. Ich habe Linus vor vielen Jahren kurz kennenlernen dürfen und vor mir stand eine völlig unsichere Erscheinung, die ich nicht einzuordnen wusste. Die in keine Schublade passte um es mal mit Linus Worten zu sagen.
Worauf ich hinaus will ist, dass Linus mir eher selbstbewusst, stark und vor allen Dingen sehr sympathisch erscheint und vielleicht ist es gerade das, was mich letzten Endes so fasziniert: Er wirkt stärker als er zu sein glaubt!
Dafür spricht auch sein Mut seinen Hatern entgegenzutreten, alles hinter sich zu lassen und trotz vieler Rückschläge immer wieder neu anzufangen.
„Als trans Mann zu leben, ist keine mutige Entscheidung, sondern eine notwendige. ist es mutig, aus einem brennenden Gebäude herauszurennen? Ich finde: nein. Es bedeutet einfach nur, das man nicht sterben möchte.“
Im Buch spricht er über seinen Weg, klärt auf und gibt Einblicke, die sehr privat sind. Er berichtet schonungslos von Sexdates, Scham, seinem Coming Out, Enttäuschungen und Anfeindungen.
Besonders spannend fand ich das Thema Sprache, in dem Linus aufklärt wie viele Ausdrücke transfeindlich sind und warum er nicht als Frau geboren wurde, sondern als Baby, dass er ein trans Mann ist und kein Transmann!
„Ich wurde nicht als Frau geboren, ich wurde als Baby geboren, und aufgrund bestimmter genitaler Merkmale wurde mir das falsche Geschlecht zugewiesen.“
Linus Giese hat ein – meiner Meinung nach – sehr wichtiges Buch geschrieben, das hoffentlich ganz viele Leser findet, weil es schonungslos aufklärt und ein Stück weit auch gegen Intoleranz und Hass arbeitet. Ich fand diesen Einblick sehr spannend und wünsche Linus auf seinem weiteren Weg alles Gute!
©Ricarda Ohligschläger