Ich habe mich gezwungen, so lange unter Wasser zu bleiben, bis der Atemreflex einsetzt. Das ist ein panischer Moment, richtig grausam.
Herr Winkelmann, wie ist Ihr Verhältnis zu Gewässern?
Ich scheue vor dunklem Wasser nicht zurück, aber ich gebe zu, ein ganz klein wenig unwohl ist mir mitunter auch. Das war schon immer so und hat mich, unter anderem, zu Wassermanns Zorn inspiriert. 
Haben Sie sich mit der Angst vor dem Ertrinken näher beschäftigt? Ich finde, allein schon beim Studieren der Leseprobe zu „Wassermanns Zorn“ könnte man leicht phobisch werden, wenn man Angst vor dem Ertrinken hat. Ist das beabsichtigt?
Ja, das ist beabsichtigt. Jeder Mensch hat diese Urangst vor dem Ertrinken, und als ich mit dem Buch begann, war mir klar, ich muss diese Szenen so eindringlich und authentisch wie möglich schreiben, um an dieser Urangst zu kitzeln. Deshalb habe ich ein paar Selbsttests absolviert. Ich habe mich gezwungen, so lange unter Wasser zu bleiben, bis der Atemreflex einsetzt. Das ist ein panischer Moment, richtig grausam. 
Haben Sie selbst Angst vor tiefen Gewässern? Und wenn nicht, vor etwas anderem?
Ich habe vor kaum etwas Angst, was die Natur aufzubieten hat, verliere aber nie den Respekt vor den Gefahren, wie zum Beispiel beim Bergsteigen oder Canyoning, was ich leidenschaftlich gern mache. Wirklich Angst habe ich vor dem, was Menschen aneinander antun. Menschen sind nur schwer einzuschätzen und kennen leider keine Grenzen. 
Zu „Wassermanns Zorn“ sieht man bei RTL die Buchwerbung in Form eines Filmtrailers. Wird dieses Buch denn auch verfilmt werden?
Diese Trailer haben eine sehr hohe filmische Qualität. Ich war bei den Dreharbeiten sogar dabei und es hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich würde zu gern auch dabei sein, wenn eines meiner Bücher verfilmt wird. Es gibt Anfragen für „Blinder Instinkt„, aber konkret in Planung ist noch nichts. Kann ja aber noch werden. 
In Ihrer Vita steht, dass Sie an einem Waldrand leben. Sehr idyllisch! Aber kommen einem da nicht auch furchtbar viele und furchtbar schreckliche Ideen zu neuen Thrillern?
Und ob! Deshalb lebe ich ja gern so. Ich gehe auch gern nachts in den Wald.  Bei langen Waldspaziergängen habe ich noch jedes Problem im Manuskript gelöst. Was die Ideen für neue Geschichten angeht, da verhält es sich etwas anders. Die finde ich nicht bei Spaziergängen im Wald sondern in der Realität.  
Welche Inspirationen haben Sie, für Ihre jeweiligen Bücher gehabt? Kam z.B. die Inspiration für „Tief im Wald und unter der Erde“ beispielsweise bei einer Bunkerbesichtigung oder als sie an einem Bahnübergang im Wald warten mussten?
Tatsächlich während ich an einem Bahnübergang warten musste. Es war früh morgens, dunkel, es regnete in Strömen. Plötzlich löste sich eine schwarze Gestalt in Regenkleidung vom Waldrand und kam auf meinen Wagen zu. Erst als sie die Fahrerseite passierte, erkannte ich, dass die Person einen kleinen Hund ausführte. Da war mir das Herz aber schon in die Hose gerutscht, und ich hatte mir ausgemalt, was gleich passieren würde. Das habe ich dann später aufgeschrieben. 
Was reizt Sie besonders an Thrillern?
Natürlich der Umgang mit Urängsten und mit dem Bösen in uns. Beides könnte ich als Autor auch im Krimi bedienen, aber ich brauche beim Schreiben mehr Freiheit, als sie der doch recht starre Krimiplot bietet. Mein Anspruch an mich selbst ist, dass meine Romane nicht vergleichbar sein sollen. Dafür ist das Thriller-Genre sehr gut geeignet. Hier kann ich über eine große Bandbreite verfügen und auch problemlos Horrorelemente einweben – was mir großes Vergnügen bereitet. 
Die meisten guten Autoren sind von anderen Autoren inspiriert worden, da sie selbst nicht nur gern schreiben, sondern auch gern lesen. Welche Autoren waren Ihre Katalysatoren? Edgar Alan Poe, Stephen King?
Das ist bei mir nicht anders. Ich habe von Kindesbeinen an immer viel gelesen und tue es auch heute noch. Zu Beginn war fast ausschließlich Stephen King meine Inspiration, später kamen aber andere Autoren dazu. Andreas Eschbach, Val McDermid, Jack Ketchum, Petra Hammesfahr. Da gibt es so einige. 
Mich interessiert immer wieder bei Thrillerautoren, wie sie sich in die Täter hineinversetzen können. Man muss ja bis zu einem gewissen Grad eins mit ihm werden, um seine Stellen überzeugend schreiben zu können. Machen Sie sich da manchmal selbst Angst und fragen sich, woher diese Ideen stammen?
Ich kann mich, zu meinem eigenen Erschrecken, sehr gut und vor allem auch problemlos in die Psyche meiner Täter hineinversetzen. Gerade diese Szenen schreibe ich besonders gern. Ich kann nicht beantworten warum das so ist. Meine Fantasie ist sehr lebendig und hält kaum einmal den Mund, aber das ist es nicht allein. Vielleicht habe ich ja wirklich eine stark ausgeprägte dunkle Seite in mir. 
Bis jetzt habe ich nur das Buch „Bleicher Tod“ gelesen. Und fand es absolut spannend zu lesen, aber gleichzeitig habe ich auch eine Gänsehaut bekommen. Das mit den Bleichmitteln fand ich schon mehr als grausam! Wie kommt man auf die Idee, den Täter auf diese Art und Weise morden zu lassen?
Die Antwort ist recht trivial. Mein Friseur hat mich darauf gebracht. Einmal im Monat gehe ich dorthin und natürlich unterhalten wir uns über meine Bücher. Da er auch eine erschreckend gruselige Fantasie hat, überbieten wir uns mitunter mit Vorschlägen, wie meine Täter töten könnten. Beim Friseur wird ja viel mit Bleichmittel gearbeitet und so kennt er die Wirkung einer hoch dosierten Wasserstoffperoxidlösung. Tja, damit war die Idee geboren. So einfach kann es manchmal gehen. 
Habe alle Bücher gelesen bis auf den Gesang des Scherenschleifers, das ist ja unbezahlbar. Warum wird das nicht noch mal aufgelegt?
Wird es. Im Sommerprogramm 2013 bei Rowohlt. Als Taschenbuch. Und darüber bin ich wirklich sehr glücklich. 
Könnten Sie sich auch ein Gemeinschaftsprojekt mit einem anderen Autor vorstellen? Wenn ja, mit welchem?
Nein, kann ich nicht. 
Wann haben Sie denn eine Lesung in Norddeutschland geplant wo der interessierte Leser Sie einmal persönlich kennenlernen kann?
Ab September gibt es eine ganze Reihe von Lesungen in Norddeutschland. Sogar auf dem höchsten Berg, dem Brocken. Die genauen Termine sind auf meiner Homepage zu finden: www.andreaswinkelmann.com 
Lesen Sie Ihr fertiges Buch eigentlich selbst irgendwann? Das Manuskript wird ja doch immer noch verändert und da möchte man doch bestimmt wissen, was abgeändert oder verbessert wurde?
Bevor das Buch in den Druck geht, bekomme ich so genannte Satzfahnen. Was da drin steht, steht später auch im Buch. Ich bin für die letzte Durchsicht verantwortlich, nehme die letzten Änderungen vor und gebe diese Fahnen dann für den Druck frei. Trotzdem lese ich später immer mal wieder in das fertige Buch hinein. Als Vorbereitung auf die Lesungen zum Beispiel, oder auf der Suche nach Fehlern.
Wie verläuft der Entstehungsprozess des Buchtitels vom ersten Entwurf bis hin zum endgültigen Titel? Entscheidet der Autor hierüber alleine oder hat der Verlag ein Mitspracherecht?
Wenn ich mit einem Buch beginne, habe ich meistens auch einen Titel im Kopf. Den benutze ich während des Schreibens als Arbeitstitel. Gefällt der Titel dem Verlag, freut mich das natürlich sehr, denn ich habe mich ja fast ein Jahr lang daran gewöhnt. Gefällt er nicht, wird ein anderer gesucht. Ich habe zwar ein Mitspracherecht, kann aber auch nicht autoritär gegen den Verlag entscheiden. Das wäre auch schlecht. Die Titelfindung ist wichtig, da sollten schon mehrere Personen dran beteiligt sein. Andere haben schließlich auch gute Ideen. Wassermanns Zorn stammt übrigens von mir. 
Schreiben Sie Ihre Bücher komplett alleine oder lassen Sie immer mal zwischendurch jemand aus der Familie lesen, um eventuell deren Meinung zu hören?
Da bin ich sehr eigenbrötlerisch. Niemand darf das Manuskript lesen bevor es nicht eine fertige Geschichte ist. Selbst die Idee zu einer Geschichte diskutiere ich im Vorfeld nicht mit anderen. Das ist meiner Art zu Schreiben geschuldet. Ich lege mir keinen Plot zurecht, sondern beginne mit einer Grundidee im Hinterkopf und lasse mich selbst davon überraschen, wie sich die Geschichte entwickelt. So bleibt der Schreibprozess auch für mich spannend. Ist die erste Fassung fertig, bekommt meine Frau sie zuerst. Sie ist meine ideale Testleserin, auf ihr Urteil kann ich mich verlassen. Danach geht es an meinen Agenten und den Verlag. Die Meinungen und Vorschläge, die ich dann bekomme, versuche ich in das Manuskript einfließen zu lassen. Es ist also auch bei mir so, dass ich ein Buch nicht vollkommen allein schreibe. 
Bei welchem Buch haben Sie selbst Gänsehaut bekommen?
Oje, das waren schon einige. Die kann ich hier gar nicht alle aufzählen. Sara, von Stephen King zum Beispiel. Oder Moon von James Herbert. Ich bin sehr empfänglich für Gänsehautmomente. 
Welche Frage hätten Sie gern in diesem Interview beantwortet, wurde Ihnen aber nicht gestellt?
Was ist in ihrer Kindheit schief gelaufen? Die Antwort darauf findet ihr auf meiner Homepage. (www.andreaswinkelmann.com)
Andreas, ich bedanke mich ganz herzlich – auch im Namen meiner Blogleser – für dieses Interview und freue mich jetzt bereits auf deine Neuerscheinungen!

Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Heidrun B.
Sabine K.
Franziska H.
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten”

6 thoughts on “Interview mit Andreas Winkelmann

  1. Steht da wirklich mein Name?! Ich sing und tanz grad wirklich! DANKE liebe Rici und danke auch an Andreas für das tolle Interview, bzw. die ganze Aktion!!!
    Liebe Grüße
    Bine

  2. Hallo Rici!
    Das Buch ist heut wohlbehalten inklusive Eselsohr 🙂 bei mir angekommen! Noch mal ganz ganz lieben Dank!!!
    Liebe Grüße und schönes Wochenende
    Bine

  3. Hallo Rici,
    Auch mein Buch kam heute an – samt Widmung, Autogrammkarte und „Eselsohr“ (solche Eselsohren mag ich) ;o) .
    Vielen herzlichen Dank,
    Heidi

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