(c) Horst Friedrichs 2007
(c) Horst Friedrichs 2007

Rebecca Gablé, es freut mich sehr, dass Sie sich Zeit für die Beantwortung der Fragen nehmen.
Sie haben einen sehr interessanten Werdegang. 1990 schrieben Sie ihren ersten Roman, der 1995 bei Bastei Lübbe veröffentlicht wurde. In dieser Zeit studierten Sie Anglistik und Germanistik. Sind Sie über das Studium zum Schreiben gekommen?
 

 
Nein, es war umgekehrt: Ich habe als Jugendliche zu schreiben begonnen, und während meiner Berufstätigkeit habe ich abends nach Feierabend, am Wochenende und im Urlaub geschrieben. Mit der Zeit nahm das Schreiben aber einen immer größeren Platz in meinem Leben ein, sodass ich beschlossen haben, wenigstens zu versuchen, einen Beruf daraus zu machen. Also gab ich meinen Job auf und begann mein Literaturwissenschaftsstudium.
 Ihre ersten Veröffentlichungen waren Kriminalromane. Wie kamen Sie dann zum historischen Roman? Und welches Genre liegt Ihnen mehr?
Sowohl in der Anglistik wie auch in der Germanistik musste ich Seminare in mittelalterlicher Literatur belegen. Das hat mich so begeistert, dass ich mittelalterliche Sprachen, Literatur und Sprachgeschichte zu meinem Hauptfach wählte. Dann bekam ich auch noch einen Job als studentische Hilfskraft bei einem mittelalterlichen Forschungsprojekt. Auf einmal war ich nur noch von Mittelalter umgeben, und da war es irgendwie naheliegend, mich auch literarisch einmal in dem Bereich zu versuchen. Im historischen Roman habe ich – zumindest vorübergehend – meine literarische Heimat gefunden, aber irgendwann werde ich sicher auch noch einmal einen Thriller schreiben.
 Beim Lesen der Waringham – Saga ist mir aufgefallen, dass Sie die Personen sehr detailliert darstellen, dabei sind einige fiktiv und andere historische belegt.
Sie zaubern Charaktere so, dass man sie als Leser direkt vor Augen hat. Aber wie behalten Sie den Überblick dabei?

So schwierig ist das nun auch wieder nicht, denn ich beschäftige mich ja rund zwei Jahre lang mit diesen Figuren. Das ist eine lange Zeit, in der sie mir sehr vertraut werden. Aber ich lege auch über jede Figur ein Dossier an, das eine Charakterisierung und eine Beschreibung ihrer äußerlichen Merkmale (Haarfarbe, Augenfarbe etc.) enthält, um zu vermeiden, dass eine Figur auf Seite 500 plötzlich eine andere Augenfarbe hat als auf Seite 23.
Können Sie das am Beispiel einer ihrer Hauptprotagonisten näher beschreiben?
Bei meinem jeweiligen Protagonist ist dieses Dossier natürlich am ausführlichsten. Ich schreibe eine Art Biographie über ihn, die vor allem auch Details seines Lebens aus der Zeit vor dem Beginn der Handlung enthält. Ist der Protagonist also am Anfang des Buches vierzehn Jahre alt, weiß ich, was in den ersten vierzehn Jahren seines Lebens passiert ist, auch wenn es im Roman nie erwähnt wird. So bekomme ich selbst ein klares Bild von der Psyche meiner Hauptfigur.
 Ist eine Verfilmung dieser Romantrilogie geplant?
Nein. Für die Realisierung einer Verfilmung müssten zwei Dinge zusammenkommen: Ein Produzent mit viel Geld, denn Historienfilme sind teuer, und ein Drehbuchautor mit einem Konzept, das mich überzeugt und in dem ich meine Bücher wenigstens noch andeutungsweise wiedererkennen kann. Bei allen bisherigen Anfragen aus der Filmbranche stimmte entweder das eine oder das andere nicht.
Wie gestaltet sich ihre sonstige Recherchearbeit. Recherchieren Sie vor Ort oder wälzen Sie Bücher?
Das Lesen von Quellen und Fachliteratur ist der wichtigste Bestandteil der Recherche. Aber natürlich mache ich auch Recherchereisen zu den Schauplätzen meiner Romane.
 Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Mittelalterromane so beliebt sind?
Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, und für jede Leserin und jeden Leser sind sie anders gewichtet. Vergangenheit macht neugierig. Viele wollen wissen, wie es denn in früheren Zeiten zuging, nicht nur wann William der Eroberer in England eingefallen ist − das lernt man ja in der Schule − sondern warum und vielleicht auch, was für Schuhe er getragen hat. In einem historischen Roman kann man all das auf angenehme Weise erfahren, man lernt etwas und wird gleichzeitig unterhalten.
Von allen historischen Epochen ist wohl das Mittelalter die, mit der wir die romantischsten Vorstellungen verbinden. Obwohl jeder gute historische Roman natürlich möglichst schonungslos die (rekonstruierte) Wirklichkeit beschreiben muss, bleibt doch immer ein bisschen von dem Ritter-und-Burgen-Zauber übrig, der uns allen aus den Volksmärchen vertraut und lieb ist und von dem wir uns im historischen Roman gern wieder gefangen nehmen lassen.
 Wenn Sie die Möglichkeit hätten in dieser Zeit zu leben dann wären Sie am liebsten ein(e)…?
Ich bin dankbar, dass ich im 21. Jahrhundert und in Westeuropa lebe und möchte mit keinen Menschen aus dem Mittelalter tauschen. Mal abgesehen davon, dass jede kleine Infektion oder ein falsches Wort zur falschen Zeit ein Todesurteil bedeuten konnten, finde ich die mittelalterliche Küche grauenvoll und die Weine zu süß.
 Im Oktober erscheint ihr neuester Roman „Hiobs Brüder“. Worum geht es in dem Buch und ist  evtl. eine Fortsetzung geplant?
Hiobs Brüder ist ein historisches Road-Movie und erzählt von einer der schlimmsten Epochen des englischen Mittelalters, der sogenannten „Anarchy“ um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Acht Männer und Jungen, die auf einer verfallenen Inselfestung eingesperrt sind, weil sie körperliche oder geistige Gebrechen haben, fliehen zurück aufs englische Festland. Angeführt wird die sonderbare Schar von Losian, einem Mann, der sein Gedächtnis verloren hat. Ihre Flucht wird eine abenteuerliche Reise durch das vom Bürgerkrieg erschütterte Land und für Losian zur Suche nach seiner verlorenen Vergangenheit.
 Woher nehmen Sie ihre Inspiration zum Schreiben?
Keine Ahnung. Die Idee zu einem neuen Roman beginnt meistens mit einer Frage, die meine Neugier erweckt. Ich lese etwas über die Vergangenheit, bleibe an einem bestimmten Punkt hängen und will wissen: „Warum war das so?“. Dann mache ich mich auf die Suche nach einer Antwort und merke meistens recht schnell, ob ein lohnendes Romanthema darinsteckt oder nicht. Aber wie genau aus der Idee eine Romanhandlung wird, weiß ich nicht.
Das Buch hat wieder einmal eine sehr ansprechende Cover – Gestaltung. Haben Sie Einfluss darauf?
Ja, ich habe laut Vertrag das letzte Wort, aber es ist noch nie zu Kontroversen über die Covergestaltung gekommen. Sie wird von der Grafikabteilung meines Verlags oder einer externen Agentur entwickelt. Das ist meistens ein längerer Prozess, den ich eng begleite.
Sie veröffentlichen ihre Bücher unter Pseudonym. War dies ein Vorschlag vom Verlag?
Ja, und es war eine verkaufsstrategische Notwendigkeit. Mein bürgerlicher Name ist ein Doppelname – viel zu lang, um einprägsam zu sein. Das Pseudonym habe ich selbst gewählt. Gablé war der Mädchenname meiner Mutter.
 Haben Sie Tipps für angehende Autoren?
Keine, die generell für jeden Autor oder jede Autorin gültig wären, denn dafür ist literarisches Schaffen zu individuell. Aber alle angehenden Kolleg/innen, die eine Frage an mich haben, können über meine Website www.gable.de Kontakt zu mir aufnehmen.
Welches Buch lesen Sie aktuell und welches ist ihr Lieblingsbuch?
Ich lese gerade Hydromania von Assaf Gavron – halb Öko-Thriller, halb Science Fiction und sehr faszinierend geschrieben.
Die Frage nach meinem Lieblingsbuch habe ich lange mit Der Herr der Ringe beantwortet, aber Tatsache ist, seit der genialen Peter Jackson-Verfilmung habe ich keinen müden Blick mehr in die Bücher geworfen, die ich früher doch einmal jährlich zu lesen pflegte. Ich habe aber noch nichts gefunden, was ihren Platz als herausragendes, immer wieder gelesenes Lieblingsbuch eingenommen hätte. Vielleicht ist das gut so. Es gibt eigentlich zu viele wunderbare Bücher, um ein einzelnes auf einen Thron zu hieven.
 Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Schreiben ist …
Ich vervollständige nur Sätze, die ich selbst begonnen habe 😉
Ich danke Ihnen von Herzen für die Beantwortung der Fragen und wünsche Ihnen für „Hiobs Brüder“ und Ihre weitere Arbeit viel Erfolg!!
© Ricarda Ohligschläger

1 thought on “Interview mit Rebecca Gablé

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