In Ihrem Buch „Kein Kind ist auch (k)eine Lösung“ geht es um gewollte Kinderlosigkeit, ungewollte Schwangerschaft und unerfüllten Kinderwunsch. Gab es einen bestimmten Anlass, ein Buch mit dieser Thematik zu schreiben?
Der einzige Anlass ist das Leben an sich. Das Leben mit all seinen Geschichten, die ununterbrochen um uns herum und mit uns passieren. Bei dem einen ist es eventuell etwas ruhiger, bei dem anderen ist etwas bunter. Und meines ist sehr bunt. Es geschieht kaum ein Tag, an dem ich nicht aus einem Moment, einer Begegnung, einer Nachricht, einem Gespräch schon wieder eine neue Geschichte schreiben könnte.
Was ich geschrieben habe ist daher fast ausschließlich etwas, das mir passiert ist oder was ich miterlebt habe – im weiteren Sinne. Ich habe Namen geändert und manchmal auch mehrere Personen in eine gesteckt und auch die eine oder andere Randfigur erfunden. Aber das große Thema „Alle kriegen Kinder, nur ich nicht“, war der eigentliche Anlass in meinem damaligen Leben – vor acht Jahren etwa, als ich anfing dieses Buch zu schreiben. Damals lebten mein Mann und ich in Hamburg Ottensen. Einem jungen, tollen Stadtteil in Elbnähe, mit vielen kleinen Geschäften, Altbauten und: jungen Familien. Wenn man selbst kein Kind hat, ist dies teilweise schon eine große Herausforderung und ich gestehe, dass mir hin und wieder auch das Verständnis fehlte. Nicht immer, ich mag ja Kinder, aber die Eltern…
Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich es irgendwie „zu viel“ fand. Zu viel und zu voll.
In meinem recht großen Freundeskreis habe ich außerdem, um zur Frage zurückzukommen, Paare, die glücklich ohne Kind sind und genauso Paare, die völlig verzweifelt sind, weil sie kinderlos sind. All diese Probleme kenne ich, die Sorgen, die Ängste…und aus all diesen ganzen Erfahrungen ist – mit einer / meiner Prise Humor – das Buch entstanden.
Ich habe lange darüber nachgedacht, wie es endet. Natürlich hätte Charly auch ohne Kind glücklich bleiben können, sich von Micha – dann vermutlich wieder unglücklich – trennen können, aber das wäre dann eine andere Geschichte. Ein ganz anderes Thema. Ich habe mich für diese Variante entschieden, weil ich ja selbst Kinder liebe. Und: Wir haben viele Jahre auf unseren Sohn gewartet…das spielt sicher auch eine Rolle.
Woher haben Sie die Idee für das Verhalten und die Denkweise der Protagonistin Charly gegenüber dem Kinderkriegen? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht oder vielleicht doch andere Frauen beobachtet?
Ich habe ehrlich gesagt nie wie Charly gedacht. Ich wollte immer Kinder haben. Aber ich kenne die Situation, dass alle nur noch vom Abstilltee reden oder den besten Zeitpunkt um abzustillen (sorry Mädels…) und das ist für Nicht-Mütter manchmal schon traurig. Wenn die eigene Freundin mutiert und man sitzt hilflos und machtlos daneben. Wenn denn alle auf einmal schwanger werden, umso schlimmer.
Die Szene in dem Café, wo das Kind an die Brust der Mutter geht und sich „selbst bedient“, während diese sich unbeeindruckt weiter mit ihrer Freundin unterhält, oder der Geburtstag in meiner Wohnung, wo beinahe auf dem Tisch gewickelt wurde…alles nicht erfunden!
In einem bestimmten Alter ist es ja normal, dass sich Freundinnen schon mal „trennen“. Die einen wollen Kinder, die anderen wollen Karriere. Wie viel eigene Erfahrung steckt in diesem Buch? Oder anders gefragt: Wie viel Tina Wolf steckt in Charly?
Meine Erfahrung ist eben – wie gerade beschrieben –die Situation der Freundin, die ohne Kind zusieht, was sich alles um sie herum verändert. Da steckt einiges aus meinem Leben drin. Inzwischen bin ich ja aber selbst Mutter und kann auch sehr gut darüber lachen, was ich alles gemacht habe, als unser Sohn kam. Man wird einfach komisch. Ob es nun am Schlafentzug liegt oder den Hormonen oder was auch immer.
Ich habe zum Beispiel mal in einer Warteschlange bei der Post meinen Sohn im Arm gehabt (als das noch ging ;-)), während ich die (leere) Karre hin und her gewippt habe…
Ist eine Fortsetzung von „Kein Kind ist auch (k)eine Lösung“ geplant?
Nein, leider nicht. Aber wir können ja eine Unterschriftensammlung an den HEYNE Verlag schicken…
Ich habe das angeboten, aber es ist wohl so, dass es schon genug Bücher gibt von Frauen, die gerade Mutter geworden sind und über diesen neuen Abschnitt mit all seiner Tragik und Komik berichten.
ABER: Ich schreibe natürlich fleißig weiter und der nächste Roman erscheint im November bei HEYNE. Dabei geht es um eine Frau – sorry, aber das muss auch mal aus einer humorvollen Sicht berichtet werden –, die um alles in der Welt schwanger werden will, und es klappt nicht.
Mehr verrate ich nicht, nur so viel: Ich bleibe meinem Schreibstil und meinem Humor treu.
Welche Pläne haben Sie für weitere Bücher?
Ich habe in der Zwischenzeit ein Kinder- und Jugendbuch geschrieben, das sich derzeit mehrere Verlage ansehen, und ich drücke mir selbst die Daumen, dass einer zuschnappt.
Außerdem habe ich noch einen Text, den ich auch vor Jahren angefangen habe und der so gerne zu Ende geschrieben werden möchte. Und das hat er auch verdient. Hier geht es wieder um eine Frau – ich bin nun mal eine, das ist so – allerdings ist diese Geschichte in einem ganz anderen Stil geschrieben. Viel leiser, auch nachdenklicher…ein ganz anderer Ton. Die Dame „knöpfe ich mir vor“, sobald der neue Roman Ende Juli abgeschlossen ist.
Außerdem hätte ich große Lust einen Krimi zu schreiben. Jaja, ich weiß, es gibt ja schon so viele. Aber ich habe sie auch fast alle gelesen und finde, da könnte mal etwas Neues kommen…
Ich bin ja leidenschaftliche Joggerin und komme selten aus dem Wald zurück, ohne dass ich eine Geschichte im Kopf habe, die beim Laufen entstanden ist. Überhaupt entstehen dann immer die besten Sachen, die schönsten Ideen. Vielleicht muss mein Kopf einfach mal hin und wieder geschüttelt werden…dann purzeln die Geschichten von allein.
Wie sind Sie überhaupt zum Schreiben gekommen? Wer oder was gab den Impuls?
Ich habe schon als Kind (bevor ich zehn Jahre alt war) geschrieben. Gedichte und kleine Geschichten. Das wurde allerdings nicht wirklich gefördert. Stattdessen hatte ich eine Zeitlang eine private Kunstlehrerein, die zu uns nach Hause kam. Die Fliederbeerbüsche, die vor unserem Haus standen, mit schwarzer Kreide abmalen, fand ich allerdings eher uninteressant. Außerdem stellte sich auch schnell heraus, dass ich unbegabt bin. Oder faul. Auf alle Fälle war ich froh, als das vorbei war…
Hat das Schreiben etwas in Ihrem Leben verändert?
Verändert kann ich eigentlich nicht sagen. Es ist mir, wie man so schön sagt, in die Wiege gelegt worden, und ich bin sehr froh und extrem dankbar, dass ich dieser Neigung folgen kann. Dass ich tun kann, was ich am liebsten tue und was mir Spaß macht. Nicht, was ich muss. Das ist ein hohes Glück! Mein Vater war ein sehr guter Maler, aber er konnte sein Talent nie so umsetzen, dass er davon leben konnte. Er war unglücklich und ist früh (mit 51 Jahren) an den Folgen des Alkoholismus gestorben. Darüber habe ich mein erstes Buch geschrieben. „Und ich dachte, ich könnte dich retten“ / Ingo Koch Verlag.
Umso dankbarer bin ich, dass ich meiner inneren Stimme folgen kann.
Haben Sie einen ultimativen Buchtipp für diesen Winter?
Es ist nicht neu, aber ich finde es so gut geschrieben:
„Das Licht in einem dunklen Haus“ von Jan Costin Wagner. Ich mag den Autor, bzw. wie er schreibt sehr gern, denn es ist zum einen melancholisch und zum anderen schafft er es Worte zu finden für eine Situation (siehe Titel), die ich faszinierend finde. Ich habe die ganze Reihe über diesen Kommissar gelesen und kann sie nur empfehlen. Es ist auch egal, mit welchem Buch man anfängt. Man muss nur wissen, warum der Kommissar traurig ist: Seine Frau ist gestorben…
Welche Bücher haben Sie als Kind, bzw. Jugendliche verschlungen?
Ich habe natürlich die „Klassiker“ geliebt: Pipi Langstrumpf, Momo, Die unendliche Geschichte usw. Was mir bis heute noch sehr gut in Erinnerung ist, weil es mir so nahe ging, ist das Buch „Die schwarzen Brüder“.
Könnten Sie sich als gelernte Fotografin auch vorstellen Bildbände zu veröffentlichen und welches Thema würden diese beinhalten?
Ja! Auf alle Fälle kann ich das! Ich habe immer gerne fotografiert. Vor allem Menschen, Situationen, …
Natur finde ich auch faszinierend und bewundere Bilder, die unseren Planeten zeigen, würde mich selbst aber immer für die Menschen entscheiden.
Und zu der letzten Frage, wen ich welche Figur aus der Literatur ich gerne treffen würde:
Mich da festzulegen fällt mir unglaublich schwer! Da gäbe es einfach so viele, die ich gern kennen lernen oder treffen würde.
Aber ich bleibe mal meinem aktuellen Lieblingsautor treu und würde gern Kimmo Joentaa treffen, den Kommissar aus Jan Costin Wagners Büchern. Er trauert um seine Frau, die mit Anfang 30 gestorben ist. Wie er diese Trauer beschreibt, geht mir sehr nah. Ich habe mich gerade von meiner Mutter verabschieden müssen, die mit 59 Jahren Krebs bekommen hat und kurz darauf gegangen ist. Vielleicht ist das der Grund, weil ich mich in diesen leisen Tönen von Jan Costin Wagner gerade wiedererkenne…“
Liebe Tina Wolf, ich bedanke mich – auch im Namen meiner Blogleser – für dieses ausführliche Interview und wünsche Ihnen für alle weiteren Projekte alles Gute!
Das Buch aus der Verlosung geht an
Mona
Herzlichen Glückwunsch!
Die Interviewfragen stammen aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten”
1 thought on “Interview mit Tina Wolf”
Comments are closed.
Aaaaaaah, ich hab gewonnen <3
Ich freu mich so!!
Suuuper, dass meine Frage im Interview drankam! Freut mich ganz besonders 🙂
Mach weiter so mit deinem Blog, Rici!
Liebe Grüße,
Mona