Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas anderes zu tun.“

Liebe Frau Becker, ich freu mich sehr, dass sie Zeit gefunden haben für meine Aktion. In Ihrem Buch „Couchgeflüster“ geht es ja um eine bestimmte Art von Amnesie. Haben Sie mit dieser Erkrankung persönlich Erfahrungen gemacht?
In meinem Freundeskreis gab es vor ein paar Jahren einen Fall von retrograder Amnesie. Der verlief zwar völlig anders, als der in „Couchgeflüster“ und hat mich auch nicht zu der Story inspiriert, dennoch bekam ich ein paar nützliche Informationen aus erster Hand.
Steckt etwas von Ihnen selbst in der Protagonistin Nelly?
Mit Nelly verbindet mich Yoga, das ich regelmäßig praktiziere. Grundsätzlich sind aber alle meine Figuren fiktiv. Ich achte sehr darauf, dass sie weder Ähnlichkeit mit mir haben, meiner Familie, meinen Freunden oder mit jemanden den ich kenne, und verwende auch nicht deren Namen. 
Hat sich ihr Leben durch das Schreiben verändert? Und wenn ja, wie?
Mein Leben hat sich radikal geändert. In meinen früheren Berufen habe ich tage- oder wochenweise in verschiedenen Foto- und Filmstudios im Team gearbeitet. Ich hatte mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun, war oft auf Reisen und lebte in Hotels. Die Arbeitszeiten war unregelmäßig (z.B. von morgens um Fünf bis nachts um zehn), und wenn es sich um Außenaufnahmen handelte, vom Wetter abhängig. Das bedeutete auch teilweise wenig Schlaf und kein normales Privatleben.
Dagegen ist das Schreiben ein „einsamer“ Beruf, bei dem man allein am Schreibtisch sitzt und ganz auf sich gestellt ist. Einen Roman zu verfassen verlangt natürlich ein gewisses Talent, aber noch viel mehr Ausdauer und Disziplin.
Meine Tage sind jetzt streng strukturiert und während der ersten Fassung eines Romans (etwa drei Monate), tauche ich ganz in die Geschichte ein und arbeite acht bis zehn Stunden, sieben Tage die Woche. Wenn dann auch noch mein Lebensgefährte beruflich unterwegs ist, treffe ich meine Freunde seltener, und bis auf wenige Telefonate mit meiner Lektorin, „unterhalte“ ich mich fast nur mit meinen Figuren.
Beeinflusst Sie die Zeit vor und hinter der Kamera beim Schreiben?
Eigentlich nicht, abgesehen von meinem Wissen über Make-up, Mode und die Filmbranche, das ich vielleicht mal in einen Roman einfließen lassen kann. Allerdings sind die Verlage hierzulande nicht an Geschichten aus diesen Branchen interessiert. Mein erster langer Krimi spielte teilweise in der Filmbranche und wurde von den Verlagen mit eben dieser Begründung abgelehnt.
Wie kommen Sie auf die Idee für so eine tolle Geschichte? Steckt da auch ein bisschen von Ihren Erfahrungen drinnen?
Bei „Couchgeflüster“ waren es vier Worte: Krause Haare, krauses Gehirn! Ich weiß gar nicht mehr, wo ich das gelesen oder gehört habe, aber ich hatte sofort meine chaotische Nelly vor Augen, die ständig alles vergisst und träumend durchs Leben stolpert. 
Die besten Ideen „überfallen“ mich morgens, kurz nach dem Aufwachen, wenn ich noch im Bett liege und noch eine Weile vor mich hin träume. Aber auch bei Gesprächen mit Freunden, beim täglichen Sport oder Lesen von Zeitungen/Magazinen/Bücher. Manchmal sehe ich auch gleich die ganze Geschichte vor mir. Aber meist sind es nur unfertige Gedankenblitze oder kleine Szenen, die ich in einer speziellen Datei notiere. Dann gilt es, sich für eine der unfertigen Ideen zu entscheiden, und die Figuren sowie eine Geschichte zu erarbeiten. Sobald das Exposé steht, schicke ich es an den Verlag. Und wenn es meiner Lektorin gefällt, beginne ich mit dem Schreiben. Was aber nicht bedeutet, dass sich im Verlauf des Schreibens nicht noch etwas ändern kann oder neue Figuren hinzukommen. 
Abgesehen von Yoga gibt es keine eigenen Erfahrungen in „Couchgeflüster“. Aber ich schreibe auch unter dem Pseudonym „Lilli Beck“, wo die Heldinnen ältere Frauen zwischen 49 und 59 sind. In diesen Geschichten stecken dann schon mal eine Portion Lebenserfahrung. Wie z.B. in „Reich heiraten“, wo ich Erlebnisse aus meiner Hippie-Zeit einließen lassen konnte, oder in „Chili und Schokolade“ meine Passion fürs Kochen und eigene Rezepte. 

Können Sie sich vorstellen auch mal  einen historischen Roman zu schreiben?
Bisher noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht packt es mich ja eines Tages.
Autoren von historischen Romanen müssen ja meistens sehr viel recherchieren. Wie gestaltet sich das bei einem Frauenroman? 
Für „Couchgeflüster“ habe ich mich genauer in Moabit umgesehen, da ich den Kiez kaum kannte. Und vor einigen Tagen brauchte ich Infos zu einem bestimmten Kaffeeautomaten. Aber im Gegensatz zu so aufwendigen Roman wie „Die Wundärztin“, den ich vor Kurzem gelesen habe, sind meine Nachforschungen ein Klacks.
Planen Sie schon weitere Romanprojekte?
Wenn ja, wird es wieder ein ‚Frauenroman‘ werden oder denken Sie auch darüber nach, ein anderes Genre auszuprobieren?“ z.B. Krimi; sie hatten ja bereits einen Kurzkrimi veröffentlicht.
Im Moment schreibe ich einen Familienroman (Titel steht noch nicht fest), der unter „Lilli Beck“ im Mai 2011 bei Rowohlt erscheinen wird. Danach plane ich zur Abwechslung mal einen Psychothriller.
Wollen Sie sich in Zukunft ganz dem Schreiben widmen, oder vielleicht doch wieder beispielsweise als Visagistin tätig sein?
Ich widme mich bereits seit drei Jahren ganz dem Schreiben, arbeite aber sporadisch noch für eine befreundete Fotografin als Visagistin.
Können Sie sagen, was Ihnen mehr Spaß bereitet? Das  Schreiben oder das Leben als Model und Schauspielerin?
Jeder Beruf hat mir Spaß gemacht, aber Vergleiche sind unmöglich, da die Unterschiede so groß sind wie zwischen Sonne und Regen. Inzwischen ist das Schreiben mein Lebensinhalt, und wie eine beglückende Sucht. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas anderes zu tun.
Welches Genre bevorzugen Sie selbst bei Büchern? Gibt es für Sie DAS ultimative Lieblingsbuch bzw. ein Buch, das Sie nachhaltig geprägt hat?
Sehr gerne lese ich heitere Romane, und zu Abwechslung Krimis, Psychotriller oder auch mal einen historischen Roman. DAS ultimative Buch gibt es eigentlich nicht. Aber wenn ich eines aus dem Feuer retten müsste, wäre es: Das Synonymwörterbuch!
Welches Buch sollte Ihrer Meinung nach ein Bestseller werden?

Was für eine raffinierte Frage! Würde eine gute Fee mich das fragen, würde ich mir wünschen, dass „Couchgeflüster“ die Bestsellerlisten stürmt.
Was würden Sie jungen Autoren mit auf den Weg geben?
An sich und seine Ideen glauben und nicht von Absagen entmutigen lassen.
Liebe Frau Becker, vielen herzlichen Dank für diesen kleinen Einblick in ihre Autorenwelt. Für Ihre zukünftigen Projekte wünsche ich Ihnen alles Gute!
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Nicole T.
Martina W.
Verena S.
Herzlichen Glückwunsch! Die Bücher werden nächste Woche ihren Empfänger erreichen.
© Ricarda Ohligschläger

2 thoughts on “Interview mit Mira Becker

  1. Pingback: Tweets that mention Interview mit Mira Becker « Literaturnotiz – Blog -- Topsy.com
  2. Hallo,
    habe heute Post bekommen. Habe mich sehr darüber gefreut.
    Vielen Dank für das tolle Buch.
    Danke
    Liebe Grüße
    Nicole

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