Ich bin ein bekennender Lesungsjunkie, höre gerne zu und lasse mir mit großem Vergnügen Bücher live und in Farbe erst schmackhaft machen, um sie dann signiert vom Autor mit ins heimische Buchregal zu nehmen. Man kann das als Trophäe des Abends ansehen – muss man aber nicht. Ich sehe Bücher mit dem Vermerk des Ortes, des Datums und der Widmung es Autors eher als Andenken an einen schönen Abend.
Manche Abende brauchen solch ein Andenken jedoch nicht, weil sie auf andere Weise in Erinnerung bleiben. Positiv wie negativ – und manche Abende schaffe sogar den Grad zwischen beidem.
Wie beispielsweise die Lesung von Andrea Sawatzki in Düsseldorf. Es war die bisher vierte Lesung, die ich mit der Autorin und Schauspielerin erlebte und bereits die zweite in Düsseldorf. Am 12.06.2013 stellte Sawatzki ihr Buch “Ein allzu braves Mädchen” vor. Am Dienstagabend ihren neuen Thriller “Der Blick fremder Augen“.
Die Veranstaltung wurde moderiert und war sehr gut besucht. Die Moderation übernahm Anke Kronemeyer, eine Moderatorin von Center TV Düsseldorf. Gleich zu Beginn leitete Kronemeyer ein, dass dieser Abend in drei Teile geteilt wird, der aus Smalltalk mit der Autorin, einer 20minütigen Lesung und noch einmal Smalltalk bestehen wird.
Sawatzki betonte an dieser Stelle schon, dass sie sonst ca. eine Stunde lesen würde und nun etwas umdisponieren musste.
Um es kurz zu machen: Sie bemühte sich merklich den Abend trotzdem spannend zu gestalten, was ihr leider nicht ganz gelang. Ich erkläre es mir damit, dass sie von der Kürzung ihrer Lesezeit selbst überrascht wurde und nun versuchte wenigstens die Protagonisten ihres Buches vorzustellen. Im Endeffekt kann sie rein gar nichts dafür, dass die Teilstücke zusammenhanglos und ohne jeglichen Spannungsaufbau über den Köpfen des Publikums waberten.
Das alles war jedoch keineswegs der Grund für einen bitteren Beigeschmack und sprachloses Kopfschütteln meinerseits. Viel mehr schockten mich Aussagen wie: “….Teile von Ihnen sind bereits 50….” und die saloppe und respektlose Art mit der Kronemeyer die Autorin interviewte. Der plötzliche Tod des Familienhundes wurde kurzerhand auf die Schippe genommen, der Autorin mehrfach das Wort abgeschnitten und die Abmoderation bestand aus einer plumpen Empfehlung das Buch zu kaufen.
Ich habe es nicht gekauft. Nicht, weil ich denke, dass es schlecht ist, sondern weil ich für mich im Moment schlichtweg zu viele ungelesene Bücher im Regal stehen habe und dieses Mal eben keine “Trophäe” wollte. An Andrea Sawatzki lag es definitiv nicht.
Aus Erfahrung weiß ich selbst, dass Moderationen solcher Art nicht gerade einfach sind. Man muss mit Worten umgehen können, darf nicht auf den Mund gefallen sein und das Publikum begeistern können. Aber frech werden darf man nicht, Frau Kronemeyer!
© Ricarda Ohligschläger
Ein bisher eher durchschnittlicher Anwalt im kleinen Städtchen Exeter – das ist Leo Curtis. Bis zu dem Tag als er eher durch Zufall Pflichtverteidiger in einem besonders brisanten Fall wird:
Leo soll den zwölfjährigen Daniel Blake verteidigen, der die elfjährige Felicity Forbes auf brutale Art ermordert hat. Trotz der Brisanz des Falls und gegen jeden Widerstand, den Leo auch von seiner Familie erfährt nimmt er den Fall an und gerät so in eine Spirale, die sein bisheriges Leben total auf den Kopf stellen wird.
Dieser Roman von Simon Lelic lässt mich ein bisschen unbefriedigt zurück. Natürlich ist das Thema brisant und alleine schon der Titel “Das Kind, das tötet” ist ein Eyecatcher, aber mich konnte er insgesamt nicht mitreißen. Vielleicht habe ich etwas anderes erwartet und versuche daher meine Bewertung für dieses Buch objektiv anzugehen.
Lelic befasst sich mehr mit dem Hintergrund und nicht mit der Tat an sich. Er fokussiert mehr und mehr die Familientragödie, die sich durch die Verteidigung für Leo Curtis entwickelt.
Auf der anderen Seite stellt er Daniel Blake als eine Art Opfer dar, was ich mich beim Lesen immer wieder zwischen Wut und Mitleid schwanken ließ. Sehr gekonnt spielt Lelic hier mit den Emotionen des Lesers!
Insgesamt fand ich den Schreibstil jedoch dermaßen zäh zu lesen, dass ich mich nur durch meine Neugier zum Weiterlesen motivieren konnte. Schließlich wollte ich schon gerne wissen, wie es letzten Endes ausgeht.
Das wiederum überraschte mich dann doch dermaßen, dass ich das Buch jeder Zeit weiterempfehlen würde.
Mein Fazit: Ein brisantes Thema, welches leider durch die etwas unbelebten Protagonisten und den zähen Schreibstil etwas an Faszination verliert.
© Ricarda Ohligschläger
Eigentlich ist Frau Bengtsson gestorben. Bloß war ihr Tod so banal, dass Gott sich in letzter Sekunde ihrer erbarmte. Dank des göttlichen Eingreifens könnte sie ihr Vorstadtdasein als kinderlose, perfekte Ehefrau fortführen – wäre da nicht der Teufel, der sich als fürsorgliche Nachbarin der gläubigen Hausfrau annimmt. Und so seinem ewigen Erzfeind ein Schnippchen schlagen will … Der neue Bestseller aus Schweden!
(Kurzbeschreibung laut www.droemer-knaur.de)
Ein Buch über Gott, den Teufel und die 10 Todsünden? Zugegeben ich war sehr skeptisch als ich das Buch zur Hand nahm, obwohl die Kurzbeschreibung mich bereits überzeugt hatte. Sonst hätte ich das Buch nicht bestellt.
Die ersten Seiten charakterisieren eine schwedische Hausfrau, deren kleiner Luxus darin besteht täglich ausgiebig die Post zu lesen, Kaffeekränzchen mit ihren Freundinnen zu halten oder an Abendkursen teilzunehmen: Frau Bengtsson.
Und ihr passiert ein Missgeschick bzw. Gott geschieht es! Denn eigentlich hätte er Frau Bengtsson in der Badewanne ertrinken lassen können, aber spontan wie Gott nun mal ist, entscheidet er sich nach genau 38 Sekunden sie doch nicht sterben zu lassen.
Das bekommt der Teufel mit. Und nun wird’s lustig, chaotisch und aufregend.
Frau Bengtsson wartet nämlich auf weitere göttliche Zeichen, doch die bleiben aus und währenddessen schlüpft der Teufel in die gottesfürchtige Rakel, zukünftige Pastorin und Frau Bengtssons Nachbarin.
Jensens Schreibstil ist sehr, sehr kurzweilig und göttlich amüsant. Ich liebe es, wenn Dinge mit Umschreibungen treffender ausgedrückt werden, als mit dem eigentlichen Begriff. Und es ist auch äußerst spannend mitzuerleben wie Frau B. ihren Plan alle Todsünden zu begehen verfolgt.
Die knapp 240 Seiten habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Ich empfehle “Frau Bengtsson geht zum Teufel” allen, die einen unterhaltsamen Roman suchen, der sich mit der Frage beschäftigt wie viel Sünde eine Frau (v)ertragen kann.
© Ricarda Ohligschläger
Sebastian Fitzek ist wieder da und dieses Mal spielt er Katz und Maus mit seinen Lesern. Einen besseren Fitzek habe ich noch nicht gelesen!
In “Der Augenjäger” gibt es ein Wieder”lesen” mit Alina Gregoriev und Alexander Zorbach.
Ebenso mit dabei ist Dr. Suker. Er zählt zu den begnadetsten Augenchirurgen der Welt und er ist ein Meister im Operationssaal. Aber Suker hat auch eine dunkle Seite – eine SEHR dunkle Seite!
Nachts widmet er sich auf ganz besonders perfide Weise seinen Patientinnen: er verschleppt sie und öffnet ihnen die Augen – für immer…
Fitzek lässt seine Hauptfiguren abwechselnd die Ereignisse schildern und man begleitet sie dementsprechend nahe. Dabei ist es kaum möglich Luft zu holen oder das Buch gar aus der Hand zu legen, denn mit gekonnten
Cliffhangern fesselt Fitzek seine Leser gnadenlos an jede einzelne Seite – nein, an jedes einzelne Wort!
Er spielt mit den Urängsten der Menschen, wie ein Jongleur und erschafft somit vor dem inneren Auge ein grausames und teils ekelerregendes Bild nach dem anderen.
Dabei benutzt Fitzek eine leicht verständliche Sprache, gerne auch knappe und kurze Sätze. Kein Wunder also, dass man regelrecht durch
die Seiten fliegt.
Und kurz bevor es an die Auflösung geht, kurz bevor man als Leser denkt, er erlöst mich aus der schier unerträglichen Spannung und zeigt Gnade, reißt er das Ruder noch einmal herum und setzt noch einen oben drauf.
Sebastian Fitzek hat mich dieses Mal nicht nur erneut überzeugt ein Meister seines Fachs zu sein, sondern er hat alle meine
Erwartungen an “Der Augenjäger” übertroffen!
© Ricarda Ohligschläger
Kann ein Buch, welches mich unsagbar wütend macht, gleichzeitig als besonders wichtig bezeichnet werden? Ja! Es kann!
Ich bin durch einen Bericht bei SternTV auf das Schicksal der Autorin Katrin Behr aufmerksam geworden, welches leider kein Einzelschicksal ist.
Im Alter von vier Jahren beginnt für sie das, was man nüchtern betrachtet als Zwangsadoption betrachtet: aus undurchsichtigen und fadenscheinigen Gründen der Mutter entrissen, wird sie in ein Kinderheim gesteckt. Ihrer Mutter die als sogenannte Staatsverräterin inhaftiert ist – wird daraufhin ohne Einwilligung das Sorgerecht für Katrin und deren Bruder Mirko entzogen.
Gedemütigt, von den Heimerzieherinnen bloßgestellt und immer in der Hoffnung ihre geliebte Mama bald wiederzusehen, muss Katrin sich schnell an die Rolle eine Außenseiterin gewöhnen.
Nach zwei gescheiterten Vermittlungen in eine Adoptionsfamilie weiß Katrin, dass sie nun nur noch einen Versuch hat dem lieblosen Heimleben zu entkommen.
Das kleine Mädchen beschließt fortan, ihren Gefühlen nur noch selten freien Lauf zu lassen. Introvertiert und angepasst findet sie sich in ihrer neuen Familie bald in der Rolle als pflichtbewusste Tochter wieder.
Doch die Pflichten erdrücken Katrin immer mehr und führen zu einer regelrechten Isolation. Erst als junge Frau findet Katrin den Mut und die Kraft aus ihrer Rolle als “geduldete” Tochter auszubrechen und sich ihrer wahren Identität zu stellen.
Zusammen mit dem Fernsehjournalisten Peter Hartl erzählt Katrin Behr in “Entrissen” von ihrer Kindheit im Heim und ihrem lieblosen, gefühlskalten Zuhause bei ihren Adoptiveltern. Während sie zu ihrem “Vati” ein fast schon inniges Verhältnis knüpfen konnte, blieb ihre “Mutti” stets unnahbar.
Geprägt durch das sozialistische Regime, von Verlustängsten geplagt ermöglicht sie einen schonungslosen Einblick in ihre Vergangenheit.
Ich habe dieses Buch unmöglich an einem Stück lesen können, da mich zwischendurch die nackte Wut überrollte. Wut auf eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, in dem Familien der Willkür einer paranoiden Staatsmacht ausgesetzt waren.
Gerade durch ihre ungeschönte Erzählweise und durch die Rückblicke, in denen die Autorin den Leser noch näher an ihren Erlebnissen teilnehmen lässt, bekommt dieses Buch erst recht das Prädikat: besonders wertvoll. Es ist kein schönes Buch, aber ein sehr wichtiges!
Ihre Geschichte ist ein aufwühlendes Dokument deutscher Vergangenheit, welches unbedingt Beachtung finden sollte!
Glücklicherweise hat Katrin Behr sich ihrem Schicksal nie ergeben und ist heute Beraterin beim Dachverband der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. im Fachbereich DDR-Zwangsadoptionen.
Da ich ihre Arbeit als einen wichtigen Punkt hinsichtlich der “Wiedervereinigung” erachte, möchte ich folgende Links nicht unerwähnt lassen:
www.zwangsadoptierte-kinder.de
www.personen-suche-drr.de
© Ricarda Ohligschläger