Kann ein Buch, welches mich unsagbar wütend macht, gleichzeitig als besonders wichtig bezeichnet werden? Ja! Es kann!
Ich bin durch einen Bericht bei SternTV auf das Schicksal der Autorin Katrin Behr aufmerksam geworden, welches leider kein Einzelschicksal ist.
Im Alter von vier Jahren beginnt für sie das, was man nüchtern betrachtet als Zwangsadoption betrachtet: aus undurchsichtigen und fadenscheinigen Gründen der Mutter entrissen, wird sie in ein Kinderheim gesteckt. Ihrer Mutter  die als sogenannte Staatsverräterin inhaftiert ist – wird daraufhin ohne Einwilligung das Sorgerecht für Katrin und deren Bruder Mirko entzogen.
Gedemütigt, von den Heimerzieherinnen bloßgestellt und immer in der Hoffnung ihre geliebte Mama bald wiederzusehen, muss Katrin sich schnell an die Rolle eine Außenseiterin gewöhnen.
Nach zwei gescheiterten Vermittlungen in eine Adoptionsfamilie weiß Katrin, dass sie nun nur noch einen Versuch hat dem lieblosen Heimleben zu entkommen.
Das kleine Mädchen beschließt fortan, ihren Gefühlen nur noch selten freien Lauf zu lassen. Introvertiert und angepasst findet sie sich in ihrer neuen Familie bald in der Rolle als pflichtbewusste Tochter wieder.
Doch die Pflichten erdrücken Katrin immer mehr und führen zu einer regelrechten Isolation. Erst als junge Frau findet Katrin den Mut und die Kraft aus ihrer Rolle als „geduldete“ Tochter auszubrechen und sich ihrer wahren Identität zu stellen.
Zusammen mit dem Fernsehjournalisten Peter Hartl erzählt Katrin Behr in „Entrissen“ von ihrer Kindheit im Heim und ihrem lieblosen, gefühlskalten Zuhause bei ihren Adoptiveltern. Während sie zu ihrem „Vati“ ein fast schon inniges Verhältnis knüpfen konnte, blieb ihre „Mutti“ stets unnahbar.
Geprägt durch das sozialistische Regime, von Verlustängsten geplagt ermöglicht sie einen schonungslosen Einblick in ihre Vergangenheit.
Ich habe dieses Buch unmöglich an einem Stück lesen können, da mich zwischendurch die nackte Wut überrollte. Wut auf eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, in dem Familien der Willkür einer paranoiden Staatsmacht ausgesetzt waren.
Gerade durch ihre ungeschönte Erzählweise und durch die Rückblicke, in denen die Autorin den Leser noch näher an ihren Erlebnissen teilnehmen lässt, bekommt dieses Buch erst recht das Prädikat: besonders wertvoll. Es ist kein schönes Buch, aber ein sehr wichtiges!
Ihre Geschichte ist ein aufwühlendes Dokument deutscher Vergangenheit, welches unbedingt Beachtung finden sollte!
Glücklicherweise hat Katrin Behr sich ihrem Schicksal nie ergeben und ist heute Beraterin beim Dachverband der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. im Fachbereich DDR-Zwangsadoptionen.
Da ich ihre Arbeit als einen wichtigen Punkt hinsichtlich der „Wiedervereinigung“ erachte, möchte ich folgende Links nicht unerwähnt lassen:
www.zwangsadoptierte-kinder.de
www.personen-suche-drr.de
© Ricarda Ohligschläger